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„Ich lernte ihn auf der Reise kennen, er war mir sehr sympathisch und ich schloß mich gleich innig an ihn an." Erika mußte lächeln. Es kam ihr ungemein komisch vor, wenn sie sich das sympathische Verhältnis zwischen einem Fürsten und einem Zauberkünstler dachte, der auf Messen und Märkten seine Bude aufschlug. Der Fürst hemerkte Wohl das ungläubige Staunen Erikas. „Aber," beginn er von neuem, „mich wundert nur, daß der stolze, hochfahrcnde Graf von Düren cs zugegeben hat, daß Sie Sängerin wurden." „Aber, ich habe doch den Grasen nicht um Erlaubnis gefragt, was kümmert es ihn, was ich werde?" rief Erika. „Aber Ihre Mutter teilte mir doch seinerzeit mit, Ihr Großvater habe Sie und Ihren Bruder rechtmäßig anerkannt? Dann mußten Sie doch feine Erlaubnis haben?" Erika wußte nicht recht, was ihr Großvater, der Ver walter Trautmann, mit dem Grafen zu tun haben sollte. „Die Erlaubnis meines Großvaters habe ich wohl, aber Graf von Düren hat doch nichts darein zu reden!" Fürst Santoff wurde ganz verwirrt. „Nun —, Graf Düren ist aber doch Ihr Großvater! Jetzt konnte Erika sich nicht mehr zurückhaltcn. Sic ver gaß vollständig, daß sie vor Sr. Durchlaucht, dem Fürsten stand, und brach in ein schallendes, herzhaftes Lachen aus, daß der Fürst fast unwillkürlich Lust verspürte, einzustimmen. „Ah —, verzeihen Sie —, Durchlaucht!" bat sie dann, „aber ich — konnte nicht anders!" Ich —, ich sollte —" Wiederum mußte sie sich unterbrechen, sie konnte wirklich nicht anders, als lachen, so viel Mühe sie sich auch gab, ernsthaft zu bleiben —, es ging nicht. „Ich — die Enkelin des Grafen Düren —, ha, ha —, wie komisch!" Die Heiterkeit wirkte ansteckend. Der Fürst zwang sich nur mühsam zum Ernst. „Ja, sagten Sie denn vorhin nicht selbst, Sie kamen zu Ihrem Großvater nach Schloß Düren? Es sind Ihre eigenen Worte, mein Fräulein!" „Gewiß, das stimmt auch," sagte Erika, noch immer zwischen Lachen und Ernst, „aber mein Großvater ist doch nicht der Herr Graf, sondern Gutsvcrwaltcr Trautmann." „Da werde klug, wer kann!" rief der Fürst. „Und das Heimatlied glaubten Sie zuerst von Ihrem Vater gehört zu haben?" „Ja, Durchlaucht!,, „Sic heißen Erika, nicht wahr? Es ist Ihr Tauf namen?" „Ich denke doch!" „Und Sie haben einen Bruder?" »Ja!" „Derselbe heißt, na, warte» Sic einmal, wie heißt er eigentlich, ach ja, ich Habs, Reinhold?" Erika war sehr erstaunt. „Jawohl," antwortete sie schnell. „Merkwürdig — sehr merkwürdig," sagte der Fürst, „so hießen auch die Kinder meines Freundes!" Er schritt zu einem, kleinen Tisch, auf dessen Marmor- ei/Sild, das er^Cwika hinhielt. „Kennen Sie diese Züge? Erinnern Sie sich nicht, dies Gesicht schon früher — schon als Kind gekannt zu haben?" Es war dasselbe Bild, das Erika damals im Schlöffe gesehen hatte, nur war jenes viel größer. Wiederum starrte sic, wie damals auf das melancholische Antlitz, das ihr aller dings seltsam bekannt schien. Sie erzählte dem gespannt lauschenden Fürsten den Vorfall, der sich da im Schlosse abgespielt, erzählte von dem hochmütigen Wesen der Präsiden tin, die stets bemüht war, die kleine Enkelin des Verwalters vom Schlöffe fern zu halten. Fürst Santoff ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. Er betrachtete bald das Bild, bald das Mädchen. Hie und da fuhr er sich durch die Haare und blieb dann wieder vor Erika stehen. „Besitzen Sie kein Andenken, nicht irgend ein kleines Schmuckstück oder sonst etwas aus Ihrer frühesten Kinder zeit, ich meine aus der Zeit, ehe Sie zu Ihrem Großvater kamen?" Das junge Mädchen sann nach. „Nichts, Durchlaucht!" „Ah, das ist schade, Sie haben keine Erinnerung an jene Zeit? Besinnen Sie sich, es ist wichtig." „Nein, ich war damals erst drei Jahre alt." „Und Ihr Bruder ist ein Jahr jünger wie Sie, nicht wahr?" „Allerdings, das stimmt!" — lieber das Gesicht des Fürsten glitt ein Lächeln. „Ich kaufte dem kleinen Reinhold einmal eine Eidechse von Blech," Hub er wieder an, „die hatte große, grüne Augen, und lief, wenn man auf eine Feder schnellte, durch das ganze Zimmer. Das Kind aber schrie laut auf, es fürchtete sich davor. Sein Schwesterchen jedoch war nicht so furchtsam, es jauchzte laut auf, wenn die Eidechse sich so rasch fort- bewegte. Erika lachte. „Da erinnere ich mich allerdings, das Spielzeug bildete mein ganzes Entzücken, diese Eidechse durfte sogar in meinem Bette schlafen. Ich besaß dieselbe noch lange, als ich schon bei meinem Großvater weilte, laufen konnte sie damals freilich nicht mehr, denn die Feder war längst zerbrochen, aber ich hatte sic doch lieb. Ich wickelte sie in die Schürze der Großmutter, damit sie nicht frieren sollte. Es bereitete mir unendlichen Schmerz, als ich einmal im Parke, wohin ich eigentlich nie gehen sollte, mit der Eidechse spielte, und der junge Herr, Lothar von Düren, gerade dazu kam. Er nahm mir das geliebte Spielzeug fort und schleuderte es mitten hinein in den See. Diese Szene hat sich mir so tief eingeprägt, daß ich noch heut die zornfunkelnden Äugen deutlich vor mir sehe. Das Gesicht des jungen Herrn zeigte immer einen finsteren Ausdruck, wenn er mich erblickte, ich glaube er haßte mich, obwohl ich ihm nichts zu Leide getan." Wieder durchmaß Fürst Santoff mit großen Schritte» das Zimmer. „Dahinter steckt irgend ein Schurkenstreich," murmelte er, „die Beweise häufen sich, aber wo setze ich den Hebel an? Es fehlt der rechte Anhaltspunkt!" Lange schien er sich zu besinnen. „Ah," rief er dann stehen bleibend, „noch gibt cs ein Mittel! Frau Alice! Sie muß das Rätsel lösen! Sie ist nach langen Irrfahrten wieder in Newyork angclangt, nur gut, daß ich sie nicht ganz aus den Augen verlor!" Noch am gleichen Tage ging ein Kabeltelegramm an Frau Alice Bernhardt in Newyork ab: „Antworten Sie umgehend, hat Graf Düren damals Ihre Kinder anerkannt oder nicht? Aber die volle Wahrheit will ich wissen. Alexander Fürst Santoff." Als die erbetene Antwort eintraf, sah der Fürst ziemlich klar. „Ich übergab die Kinder damals, ehe ich abreiste, Herrn Lothar von Düren, ihn müssen Sie fragen, ich bekümmerte mich nicht weiter darum. Ich liege im Spital, es geht abwärts mit mir. — Alice." „Ich werde Herrn Lothar von Düren persönlich fragen, was aus den ihm anvcrtraute» Kindern Siegfrieds wurde," sagte er aufgeregt zu sich selbst. „Ich ahnte so etwas — aber er soll mir Rede stehen!" Erika war nicht wenig erstaunt, als sie von Sr. Durchlaucht die Weisung erhielt, sich unverzüglich reisefertig zu machen. Was sollte sic davon halten? Stand die Reise im Zusammenhang mit den nenlichen kuriosen Reden des Fürsten? — Was mußte er vor haben? Es war ein wonnevoller Frühlingstag, als der Fürst mit seiner Begleiterin auf Schloß Düren anlangtc. Die Luft war lau und mild, die Vögel jubilierten in den Zweigen, alles war erfüllt von Duft und Pracht. Erika fühlte sich wunderbar bewegt, als sie all die wohlbekannten Stätten wieder erblickte, wo sie als Kind gespielt. Sie eilte ihrem Begleiter immer um ein paar Schritte voraus, dem zwischen Grün und Blume» versteckten Verwalterhäuschcn zu. Nichts hatte 'ich hier t>Endcrt, nur^als^si^ damals fortging, da und heute prangten sie im Blütenschmuck. Alles war schnee weiß, wohin das Auge sah. „Wie schön, wie schön," flüsterte Erika, als wage sie nicht, die feierliche Stille mit einem lauten Wort zu unter brechen. Frau Betti, deren rundliches, gutmütiges Gesicht sich fast garnicht verändert hatte, war eben im Garten beschäftigt, als Erika das lächelnde Gesicht durch die Lücke im Zaun steckte. Die Harke entfiel den Händen der überraschten Frau. „Ja ists denn möglich! - Mädel, — du hier? Wo kommst du denn so plötzlich her?" Sie umfing die schlanke Gestalt mit beiden Armen und weinte und lachte vor Freude. Erst jetzt bemerk!: sie den Fürsten, der langsam näher kam. „Das ist eine Ueberraschung, nicht wahr, Frau Verwalterin?" Frau Betty war ein wenig verlegen, als sie das vornehme Gesicht Santoffs erblickte. Sie wußte sich nicht zu erklären, was der Fremde eigentlich hier wollte. Doch er half ihr rasch darüber hinweg. „Können wir ein wenig plaudern, Frau Trautmann? Ich habe Wichtiges mit Ihnen zu sprechen. Vielleicht setzen wir uns dorthin auf jene Bank? Das ist ein reizendes Plätzchen, Sie wohnen hier überhaupt wunderhübsch." Frau Betty wischte eilig mit der Schürze über die Bank vor dem Hause, obwohl nicht das leiseste Stäubchen darauf zu erblicken war. „Darf ich vielleicht eine kleine Erfrischung anbieten?" „Nein, — nein, jetzt nicht, später vielleicht, kommen Sie, setzen Sie sich hierher — bitte!" Und ehe Frau Betty es sich versah, saß sie zwischen dem vornehmen Fremden und Erika, deren Hand in der ihrigen lag. Ohne jede weitere Einleitung begann der Fürst: „Nun, erzählen Sie, bitte, ganz genau, wie damals Ihre — beiden — Enkel in Ihr Haus kamen! Aber alles möchte ich wissen!" Und Frau Betty erzählte den aufmerksam Zuhörenden mit der ihr eigenen Brcitspurigkeit wie Lothar von Düren ihr die Kinder zugeführt. Alles war ihr noch genau in der Erinnerung. Nachdem sie geendet, sprang der Fürst in die Höhe. „Ein schlau erdachter Plan allerdings," rief er zornig, „aber wundern muß ich mich doch, daß er so leicht gelang! Wie konnten Sie nur ohne jeglichen Beweis das alles landen? Stiegen Ihnen niemals Zweifel an der Wahr est auf?" Frau Betty schüttelte den Kopf. „Zweifel an den,, was der junge gnädige Herr uns sagte? O nein!" meinte sie treuherzig. Aber man hat sie dennoch getäuscht!" „Wie?" „Jawohl, schändlich getäuscht!" „Herr Lothar von Düren bot damals alles auf, »ns die Beweise zu schaffen," sagte Frau Betty gedankenvoll. „Es gelang ihm nicht, weil meine Tochter mit ihrem Manne von Ort zu Ort zog. Sie führten ja das reinste Zigeuner leben, und so konnte nicht einmal der Geburtsort der Kinder festgestellt werden. Wir erhielten auch niemals Kunde von unserer Liesbcth, bis sie dann die Kinder an Herrn Lothar sandte." „Ha, ha, nun bin ich neugierig, wie er sich aus der Schlinge ziehen wird! Ah, der wird Augen machen!" „Bis nachher!" rief der Fürst den beiden Znrückbleibcnden zu, und schlug den Weg nach dem Schlosse ein. XIV. Schon länger als eine Stunde saß Fürst Santoff zwischen dem Grafen von Düren und seiner Gattin. Gräfin Louise schluchzte heftig, auch der alte Graf war tief er griffen. Er fühlte, daß der Fürst bei allen seinem Mit teilungen und Erzählungen die Wahrheit gesprochen hatte, und es schmerzte ihn, daß Lothar, den, er so unendlich viel Gutes erwiesen, ihm das alles so schlecht lohnte. „Ich werde Sorge tragen, daß Lothar noch heute mein Haus verläßt," sagte er, sich zur Ruhe zwingend. „Mag er das Gut, das ich ihm schenkte, behalten, und sich dort hin zurllckzichcn! O, dieser Elende, nun wird mir manches klar! Auch seine Mutter will ich nicht mehr um mich sehe», die Falsche hatte ihre Hände ebenfalls im Spiel. Deshalb suchten sie mich wegen des Testamentes auszuforschcn, deshalb bestimmten sie mich meinen letzten Willen aufzusctzen, des halb redeten sie mich tief und immer tiefer in meinen Zorn gegen Siegfried hinein. Ich habe ja längst bereut, daß ich damals so hart verfuhr, ich schämte mich nur, es einzu gestehen. Im Alter lernt mau milder denken, der Gedanke an Tod und Grab stimmt den Menschen versöhnlicher. Was helfen uns hochtönende Namen, Rang und Reichtum? An der Schwelle des Grabes muß alles Zurückbleiben — alles! Ich hätte meinen Sohn längst in die Arme geschloffen, hätte ich gewußt, wo er zu finden ist. Mn will ich es versuchen, ob ich noch etwas gut machen kann. Vielleicht wenn der Aermstc die so schmerzlich vermißte Heimat wieder sieht, ..baLlü-L. lra.w.'L vr verloren hatte. Was treue Elternliebe vermag, soll an dem Unglücklichen geschehen, nicht wahr, Luise?" Fortsetzung folgt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Reichenbrand vom 24. April biS 1. Mai 1908. Geburten: Tem Packer Bruno Max Buschmann 1 Knabe; dem Schleifer Max Kurt Meyer 1 Mädchen; dem Friseur Ernst Otto Kirsch 1 Mädchen; dem Schuhmachermeister Josef Haustein 1 Mädchen. Nachrichten des König!. Standesamtes zu Neustadt vom 24. April bis 1. Mai 1908. Geburten: Dem Hilfsbahnwärter Hermann Otto Lindner 1 Sohn. Eheschließungen: Der Eisendreher Max Albert Landrock in Chemnitz- Kappel mit der Handschuhstrickerin Anna Clara Meier in Neustadt. Sterbefälle: Dem Hilfsbahnwärter Hermann Otto Lindner 1 Sohn. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Ravenstein vom 24. April bis 1. Mai 1998. Geburten: In Rabenstein 1 Tochter dem Packer Paul Emil Berndt, und in Rottluff 1 Sohn dem Tischler Richard Reinhard Rehwagen. Eheschließungen: Der Maurer Otto Paul Häßler mit Clara Camilla Heering, beide in Rabenstein; der Bäckereigeschäftsinhaber Friedrich August Kühne mit Clara Elsa Berthold, beide in Chemnitz. Sterbefälle: Der Bahnwärter Emst Richard Müller in Rabenstein, und 1 Sohn dem Modelltischler Emst Albin Wieland in Rottluff. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am Sonntag Misericordias Domini, den 3. Mai 1908 vorm. V-9 Uhr Predigtgottesdienft. — Vorm. 11 Uhr Unterredung für die Jungfrauen. — Freitag den 8. Mai vorm. 10 Uhr Wochenkommunion. Parochie Rabenstei». Am Sonntag Misericordias Domini den 3. Mai vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. Mittwoch den k. Mai abends 8 Uhr Abendunterhaltung für die Jungfrauen. Freitag den 8. Mai vorm. 10 Uhr Wochenkommunion MMMMlWrrMrLL' trafen ein und gebe solche zu ganz enorm billigen Preisen ab. Femer empfehle sämtliche Fahrradzubehörteile in größter Auswahl. i72. Hoiimsnn, Mensteiii. 2 L Schuhnmen aller Art empfiehlt von der einfachsten bis zur elegantesten Ausführung zu billigen Preisen kilolf friellrick. Schuhwaren-Haus, Reichenbrand, Ho ferstrabe 65, Ecke Bachgasse. ^ L Freundliches Logis kann ein Herr erhalten Siegmar, Rosmarinstratze 30. Schöne k>. ülobnung. pr. 1. Juni zu vermieten. Zu erfragen Siegmar, Amaltenstrabe 6, 2 Tr. 2 anständige Herren erhalten schönes Logis Siegmar, Amalienstr. 8,1, rechts. 2 gebr. Bettstellen und leere ^»Liter-Flaschen zu ver kaufen Reichenbrand, Nr. 100. Obemube mit -Moven Sairvrlcoru, Reichenbrand. 144. 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