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welches Glück er im Kartenspiel gehabt, so würde der gestrenge Vater, der die Karten „des Teufels Gebet buch" nannte, nicht wenig ungehalten gewesen sein. Das wusste Jens nur zu genau, darum verschwieg er es. Fand er cs heute in seiner rosigen Stimmung so ganz natürlich, dass er mit dem Freunde bis Mitter nacht gezecht und gespielt hatte und freute er sich jetzt küniglich über die ans so bequeme Weise gewonnene» fünf Kronen, so war er, als er am nächsten Morgen »nt etwas schwerem Kopfe erwachte, doch durchaus nicht mit dieser Unsolidität zufrieden. Auch die Freude über das gewonnene Geld schwand fast ganz und gar. „Im Spiel gewonnenes Geld bringt keinen Segen," pflegte der Vater zu sagen. Und der hatte viel gesehen und erlebt während seiner siebzig Jahre. Es tat Jens ordentlich leid, dass er versprochen hatte, heute wieder zum „schnellen Segel" zu kommen. Wenn er nun abermals gewinnen würde, könnte er dann nicht so grohcn Gefallen an den Karten finde», dah er zum Spieler würde? Das und vieles andere inehr erwog er, während er mit seinem Boote auf die spiegelblanke, schillernde Sec hinausfuhr, um seinem bcschwcrlichcn Geschäft, das ihm heute ganz besonders zuwider war, nachzugehen. Als Jens, leidlich zufrieden mit seinem Fang, spät am Nachmittage mit seinem Boote wieder landete, stand der liebenswürdige Peter Nielsen bereits am Strande, bcgrüsite ihn recht freundlich und freute sich, dass cs heute mehr Fische als gestern gegeben hatte. „Du konuust doch bestimmt zu einer kleine» Partie heute Abend?" fragte er dann. „Ach," sagte Jens etwas verschämt, „ich habe es früh versprochen, aber ich würde recht froh sein, wenn Du mich von meinen Versprechen entbinden könntest. Mein alter, guter Vater ist so sehr gegen das Kartenspiel, ich kann nur wider seinen Willen zum „schnellen Segel" kommen. Es tut mir leid, dass ich gestern so lange blieb. Hansine, mit der ich so viel zu besprechen hatte, war bei uns während ich mit Euch spielte. Ich habe das Mädchen nun seit zwei Tagen nicht zu sehen bekommen, deswegen würde ich gerne heute nach Nybo gehen." Peters freundliches Gesicht verfinsterte sich ein wenig. „Ja, das ist etwas anderes," sagte er. „Wenn Du lieber nach Nybo willst, so kann ich nichts dazu sagen. Es tut mir leid, ich freute mich recht auf ein harmloses Spielchen; dachte schon daran, wie ich Dir Deine Gefälligkeit vergelten könnte. Daß Dein ehren werter Vater so sehr gegen die Karte» ist, verstehe ich wohl. Wieviel Unglück haben sie nicht schon gebracht! Er würde aber ganz gewiß nichts gegen unser Spiel haben, denn dabei ist ja jegliches Unglück ausgeschlossen, cs soll eben nur ein angcnehmcr Zeitvertreib für mich und meine beiden Freunde sein. Wenn Du uns ein paar Schillinge abgcwinnst, so werden wir dadurch nicht ärmer. Und daß wir Dir nicht das Geld ans der Tasche locken, ist ja sonnenklar. Das siehst Du doch ein, nicht wahr?" Jens nickte mit dem Kopfe und sagte: „Ich sehe daS vollkommen ein, und wen» ich Euch wirklich einen Gefallen tue, so will ich auch kommen, aber, was soll ich den, Vater nur sagen? Er ist alt und in manchen Dingen schon etwas schwach sinnig. Daß man znm Scherz und Zeitvertreib Karten spielt, kann er sich nicht vorstellen. Er sieht es über haupt nicht gern, daß ich ins Wirtshaus gehe, er würde also nicht damit einverstanden sein, daß ich heute schon wieder zu Dir will." „Daß ist mir recht wohl verständlich, guter Freund," sprach Peter mit schlauem Gesicht. „Ich will Dir einen Rat geben: Sage zu Hause gar nichts von Deinem Vorhaben. Gehe um zehn Uhr, wie gewöhn lich, in Deine Kammer und tue, als ob Du ruhig schliefest. Wenn dann alles still im Hanse ist, steigst Du leise durchs Fenster und kommst zu uns. Kein Mensch ans der Welt wird etwas davon ahnen. Der Wirt hält für Geld und gute Worte herzlich gern seinen Mund. Was ineinst Du zu diesem abenteuer lichen Plan?" Jens kraute sich hinter den Ohre» und schüttelte den Kopf. Nach langem Besinnen erklärte er sich aber bereit, heute einmal ausnahmsweise auf solche spitzbübische Art und Weise die Eltern zu täusche», um dem liebenswürdigen Freunde damit einen Gefallen zu erweisen. Peter Nielsen lächelte und dachte bei sich: Habe ich dich nur erst an einem Haar, so bist dn auch bald ganz mein! Gegen Abend kam Hansine zu Olufsens und war überglücklich, ihrem Geliebten einmal wieder ihr ganzes Herz ausschütlcn zu dürfen. Während sie beide Hand in Hand ans der Bank vor der Tür saßen, gab sie ihm über all das, was er von Peter Lund gehört, Aufschluß. Sic verschwieg es ihm nicht, was der Maler zu ihr gesagt, daß er sie so schön fände und sic zu malen wünschte, daß sie ihm erwidert, sie dürfe solche Worte nur ans ihres Bräutigams Munde hören. Nun wäre der junge Broderse» immer sehr verstimmt und ginge ihr aus dem Wege. Alles, was Hansine ihm erzählte, klang so schlicht und natürlich, daß Jens auch keinen Augenblick an der vollen Wahrheit ihrer Worte und um ihre Treue zweifelte. Es dünkte ihm schier ein Verbrechen, wenn er jetzt Geheimnisse vor dem guten Mädchen haben wollte. Sie mußte auch wissen, was er mit Peter Nilsen'verabredet hatte, daß er heimlich aus dem Hause zu schleichen vor hatte, um Karten zu spielen, daß er gestern fünf Kronen gewonnen, alles sollte Hansine erfahre». Und doch hielt ihn ein Gefühl der Furcht davon ab das zu sagen. Heute wenigstens sollte Hansine es noch nicht Wiste», später, wenn die drei reichen Herren, die ihn ihres Umganges würdigten, erst abgcrcist sein würden, dann wollte er alles erzählen. VlI. Ganz vorsichtig verließ Jens Olufsen das Haus, nachdem er sich vergewissert hatte, daß ihn niemand sehen oder hören konnte. In dem von Peter bewohnten und eigens für ihn aufs geschmackvollste ausgcstattctc» Stübchen wurde Jens von den drei Herren und dem Wirt mit großer Freude empfangen. Das Spiel begann sofort. — Jens hatte wieder großes Glück. Ehe zwei Stunden vergangen waren, hatte er sieben Kronen gewonnen. Peter Nielsen schlug mit der Hand aus den Tisch und rief aus: „Mir wirds fast unheimlich zu Mute »eben einem solchen Glücksspitz! Ich bin fast davon überzeugt, Jens, daß Du, wenn Du Kaufmann geworden wärest, heute dreimal soviel Geld hättest als ich. Abcr molgcn mußt Du wieder kommen, um uns Revanche zu geben. Das geht einmal nicht anders. Für heute wollen wir es genug sei» lassen." Der vom Glück so ausfallend begünstigte junge Fischer reichte de» Freunden die Hand und ging mit dem Versprechen, sich morgen wieder einstclle» zu wollen, in recht gehobener Stimmung nach Hause. „12 Kronen in zwei Tagen," sagte er zu sich selber. „Das ist ja eine ungeheure Summe! Was hätte ich mich auf der Sec abplagen müsse», um so viel zu verdienen. Kein Mensch kann es mir verdenken, wenn ich bei solchen Erfolgen öfter zum „schnellen Segel" gehe. Ebenso vorsichtig wie er gegangen war, schlich Jens durch das offcngelastene Fenster wieder in sei» Kämmerlein und schlief heute viel ruhiger als gestern, trotzdem sein Gewissen nicht rein war. Der schlaue Rechenmeister Peter hatte sich auch dieses Mal nicht verrechnet. Jens war in sein Garn gegangen, Jens war gefangen. Eine unglaubliche Spielwut hatte sich seiner bemächtigt. Er kam nicht nur zum dritte» Mal, sonder» auch säst Abend für Abend. Vierzehn Tage war das nun schon so gegangen, und der glückliche Spieler war um hundert Kronen reicher geworden. Jetzt war er selber scholl fast davon überzeugt, daß er nicht mir vom Glück begünstigt wurde, sondern daß er auch vorzüglich zu spielen ver stände. War er bisweilen wohl auch geneigt, anzu- nchmen, daß sich die drei Herren, nur lim ihm die Freude des Gewinnes zu bereiten, keine große Mühe beim Spiel machten, so mußte ihn die Tatsache, daß sie drei anderen armen Fischern, mit denen sie auch gelegentlich spielten, gar nicht unbedeutende Summen abgcwannen, doch voll dieser Annahme abbringen. Was wäre denn auch für ein Vergnügen für sie beim Spiel, wenn sie absichtlich verlören? Nein, er mußte ohne Zweifel ein ganz scharfsinniger Kartcnspieler sein. Der reiche Peter Lund, der für einen der besten Spieler in ganz Ovcrby galt, sollte neulich fünfzig Kronen ans eil,mal verloren habe»; bestimmt wußte das niemand, Nilsen wollte auch Jens gegenüber nicht mit der Sprache heraus, da er sagte, er dürste nicht ans der Schule plaudern, aber man erzählte es sich doch allgemein im Orte. Dies Gerücht versetzte Jens cnstgermaßen in Be sorgnis, den» der Gedanke lag ja nahe, daß auch sein nächtliches Treiben ans Tageslicht komme» könnte. Peter Nielsen und auch dessen beide Genossen hatten ihm zwar ihr Ehrenwort gegeben, daß kein Stcrbens- wörtlein über ihre Lippen kommen würde, aber ei» Gefühl der Furcht konnte er trotzdem nicht loswerdcn. Wie würden die Eltern überrascht, entsetzt sein, wenn man ihnen eines Tages sagen würde: „Euer Sohn ist ein so leidenschaftlicher Spieler geworden, daß er die halben Nächte im Wirtshaus verbringt." Was würde Hansine sagen und was gar erst Ove Ontzcn, der ohnehin schon nicht viel mit ihm im Sinne hatte! Niemals würde dieser rechtliche Man», der die Karten ebenso haßte, wie der alte Olufsen, seine Tochter einem Spieler geben. Auch HansineS Liebe könnte vielleicht erkalten. Der reiche Maler konnte doch den Sieg davontragen. Oh, das waren schreckliche Gedanken! Aber dennoch konnten solche Erwägungen die Spicllcidenschast des jungcti Fischers nicht zügeln. Er ging Abend für Abend zum „schnellen Segel". Auch einige Mißerfolge, die er während der letzten Nächte gehabt, schreckten ihn nicht ab. Es wäre ja, so tröstete er sich, wenn er einmal ohne Gewinn, oder mit geringem Verlust hcnnkehrlc, ein Ding der Un möglichkeit, daß jemand immer gewinnen konnte. Heute hatte mau wieder einmal besonders hoch gespielt. Anfänglich war das Glück Jens hold gewesen, doch plötzlich hatte es ihm den Rücken gekehrt. Er verlor in wenigen Minuten zwanzig Kronen. Ver stimmt griff er in die Tasche, um das Geld ans den Tisch zu legen. Doch Peter winkte mit der sreund- lichstcn Miene ab und sagte: „Laß das, lieber Jens, wir wollen Dich ja nicht rupfen. Erst über vier Wochen, wenn wir abrciscn, sollst Du Deine Schulden bezahle». Glaube wohl, daß Dn bis dahin einige hundert Kronen gewonnen hast, sodaß der heutige Verlust Dich nicht weiter bekümmern wird." Das hoffte Jens auch. Doch wunderbar, am nächsten Abend verlor er wieder fünf Kronen. Dann gewann er wohl einmal wieder, aber das Glück war doch von ihm gewichen, denn die Verluste steigerten sich von Abend zu Abend. „Zufall, nichts als Zufall," tröstete ihn der Spitz- bnbcnkönig. „Sei nur nicht in Sorge, das Glück kehrt schon wieder. Ich befürchte, Du bist durch Deine großen früheren Erfolge etwas unbedacht geworden. Mir scheint, Du spielst viel zu aufgeregt. Spiele mit größerer Ruhe, so gewinnst Du auch wieder." Jens sah wohl ein, daß sei» treuer Freund recht hatte, daß größere Ruhe von nöten sei. Aber so sehr er sich auch befleißigte, seiner Erregung Herr zu werden, er verlor immer wieder. Schon waren von de» hundert Kronen, die er gewonnen hatte, neunzig verspielt. Aber die letzten zehn mußten ihm Glück bringen, hatten die drei Herren gesagt. Darum gipg er heute zaghaft mit diesem Rest zum Wirtshaus. Es wurde sehr hoch gespielt, — und Jens verlor nicht nur die letzten zehn Kronen, sondern noch fünf undzwanzig mehr. „Es macht nichts, es macht gar nichts," tröstete Peter wieder, „Dn wirst bestimmt morgen das doppelte gewinnen." Als das sich nun nicht erfüllte, als der junge Fischer vielmehr am nächsten Abend noch einige Kronen verlor, sagte er verzwcisclt: „Heute bin ich zum letzten Male hier gewesen, ich war ein großer Tor, daß ich dem trügerischen Glücke traute. Ihr sollt auf Heller und Pfennig bekommen, was ich Euch schulde, aber ich spiele nicht mehr." „Sei kein Narr, lieber Jens," sagte Peter darauf. „Wir verlangen die sünfund- zwanzig Kronen gar nicht, aber Du mußt morgen wicdcrkommcn. Wir wollen ein ganz neues Spiel versuchen, das ich in England kennen gelernt habe. Das wird Dir ganz bestimmt viel Glück bringen. - Anfänglich schic» es auch wirklich, als lächelte das Glück dem jungen Fischer wieder. Aber dann verlor er auch in dem neuen Spiel ganz beträchtliche Summen. - Nun war das Ende der Saison nicht mehr fern. Wenige Tage nur »och und der buntbclebte Strand war wieder öde und verlassen. Jens schriti gerade gesenkten Hauptes seinem Schiffe zu, als Peter Nielsen an ihn hcrantrat und zu ihm sagte: „Grüß Gott, Freundchen, heute feiern wir Abschied im „schnellen Segel", heute machen wir die letzte Partie; sei versichert, daß Du Deine Schulden los wirst." Ehe Jens noch eine Antwort gab, stürzte auf sie beide Peter Lund mit erregten, Gesicht zu und ries: „Habt Ihr cs schon gehört? Bei uns sind die Nacht Diebe gewesen!" „Das ist doch nicht möglich," erwiderte der Spitzbubenkönig scheinbar recht über rascht. „Diebe hier in dem ehrlichen Ovcrby?" „Einige Schmucksachcn und etwa dreißig Krone» sind uns gestohlen worden. Der Schade» beläuft sich im ganzen auf mindestens hundert Kronen. Ich will eben zum Gemeindcvorstand, um ihm Anzeige zu machen. Es sollen auch in letzter Zeit verschiedene Badegäste bestohlen worden sein. Ein Baron von Treuborg vermißte Sonntag nach dem Konzert seine Börse mit fünfzig Kronen." Peter Nielsen, der natürlich genau wußte, wer das Dicbsgesindcl in Ovcrby war, fragte nun mit dem ehrlichsten Gesicht von der Welt: „Es ist doch unter den gestohlenen Sachen nicht etwa auch der wertvolle goldne Pokal, den Dein Großvater vom König für ein kühnes Rcttnngswcrk geschenkt bekam?" „Nein, Gott sei Dank nicht," antwortete der junge Lund. „Aber auf dcu Becher hatten es die Spitz bube» offenbar abgesehen. Sic müssen gewußt haben, daß derselbe im Schreibpnlt zu stehen pflegt. Das Pult war nämlich erbrochen und durchsucht worden. Aber glücklicherweise hatten wir de» Becher vor einige» Tagen an einem anderen Ort verwahrt." „So, so," sagte Peter Nielsen, den die Sache sehr zu interessieren schien, „an einem anderen Ort, das war ei» Glück, die Diebe müssen also in Eurem Hause bekannt gewesen sein. Einen so wertvollen Gegenstand wie den Becher würde ich an Deiner Stelle immer in meinem Schlafzimmer aufbewahrcn." „Das soll auch geschehen," sagte Lund arglos, „in der Kommode, die an meinem Bette steht, wird der Becher verwahrt werden. Dann soll kein Spitzbube wagen, ihn zu nehmen. Aber nun adieu, muß schnell zum Gemeindevorsteher." Damit lief der junge Lund weiter. Fortsetzung folgt. Mannigfaltiges. — Aus der Schule. Von einem Schüler, der seine» Lehrer belehren will, wird aus einem Dorfe