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ginq sic- Aber leider nicht allein, ein alter Fischer mit wcibem Barte ging neben ihr her. Erst dicht vor Nybo verliest er sic. Da aber trat Detlef, der ihnen, ahne dass sie cs gemerkt hatten, gefolgt war, ans daS junge Mädchen z», streckte ihm vertraulich die Hand entgegen und sagte: „Wie schön, dast ich Sie nun doch noch für ein paar Minuten allein sprechen darf. Ich konnte merken, mein teueres Fräulein, dast Ihnen das, was ich Ihnen gestern in der Laube sagte, nicht angenehm war. Sie sahen mich so vor wurfsvoll an, dast mich die heftigsten Gewissensbisse plagen. Sie glaubte» natürlich in Ihrer grasten Bescheidenheit, dast cs mir nicht Ernst war, als ich Sic als das für mein Meisterwerk geeignetste Modell bezeichnctc. Aber seinen Sie versichert, mein teueres Fräulein, dast cs mein heiliger Ernst damit war. Ich will cS Ihnen offen gestehen, dast Sie das schönste Mädchen sind, das ich je gesehen habe lind dast nur eine Meisterhand Sic in all Ihrem Liebreiz im Bilde wicdcrgcben kann. Oh mein liebes, teures Fräulein -." Weiter kam der von der Macht seiner Leidenschaft plötzlich überwältigte Mann nicht, den» Hansine streckte, über und über errötend, abwchrcnd beide Hände a»S und sagte: „Halten Sie ein, Herr Brodcrscn, spreche» Sie kein Wort weiter. Ich ahne jetzt alles, ich weist alles. Ich merke, dast cs Ihnen Ernst ist mit Ihren Worten, aber der Himmel müstte mich strafen, wenn ich dieselben ruhig anhören wollte. Ich bin verlobt, nur meinem Bräutigam steht cs zu, mir z» sagen, was Sic da sagen, kein anderer Mann ans der Welt darf cs." Detlefs blasses Gesicht war noch um einen Ton bleicher geworden, ei» nervöses Zucken durchfnhr das selbe, er versuchte zu sprechen, doch es wollte lange nicht gelingen. Endlich, als daS entzückende Mädchen sich schon von ihm abgewandt und fast die Garten pforte erreicht hatte, stieß er hervor: „Vergeben Sic mir, Fräulein, ich wußte nicht, dast Sic verlobt sind." „Ich zürne Ihnen nicht, Herr Brodcrscn," erwiderte Hansine. „Ich weist, Sie sind so gut, Sic können mich nicht kränken wollen. Ich achte Sie hoch, ich schätze Ihr Talent. Sie sollen meinen Verlobten kennen lernen, er ist nnr ein einfacher Fischer, aber er wird Ihnen noch inehr gefallen, als ich Ihnen gefalle." Detlef sagte nichts mehr. Ihm war zu Mute, als wäre es plötzlich Nacht um ihn geworden, als wäre für ihn alles, alles zu Ende ans dieser Welt. V. Jens schritt mit einem Korbe am Arm zum Gehölz, um dem alten Steffen seit langer Zeit heute zum ersten Mal wieder Fische anzubietcn. Der Onkel Steffen hatte ihn häufiger um ein gutes Gericht Butter und Lachsforellen gebeten. Aber in seinem Eigensinn konnte der junge Fischer jene Demütigung, die ihm Stessen durch den Fünfkroncnschein damals unabsichtlich zufügtc, nicht vergessen und deswegen gewährte er dem Alten erst heute seine Bitte. Als er eben das Dorf verlassen hatte und sich vergeblich muhte, ans dem Nyboer Gelände, durch das ihn der Weg führte, von Hansine etwas zu sehe», trat Peter Lund, der Sohn des reichen Solgaardbcsitzers, ein großer, schmucker Bursche mit schadenfrohen Gesicht ans ihn zu und sagte mit seiner tiefen Stimme: „Du schaust Dich vergeblich um, Jens, Dein holdes Schätzlcin sitzt wahrscheinlich mit dem reichen Maler wieder in der Laube und spricht mit ihm über die Kunst." Jens, der wohl wußte, dast Peter auch z» denen gehörte, die ihn um Hansine beneideten, sagte, da er des Eifersüchtigen Absicht sofort erkannte mit Ruhe: „Glaube es kaum, denn ich sah Herrn Brodcrscn soeben am Strande." „So, so," sprach Lund, „das ist wohl möglich. Aber eins möchte ich Dir als alter Schulfreund raten: Gib acht auf den einen Herr» mit den schwärzen Augen und den glatten Worten. Ich weist ans ganz sicherer Quelle, dast derselbe die gute Hansine über alles liebt und sich die größte Mühe gibt, sic z» gewinnen. Ich habe die beide» Leutchen neulich beobachtet, im Vertrauen gesagt, als sic in der Laube ganz dicht beieinander in traulichem Gespräche saßen. Die Hansine wurde bei jedem dritte» Worte, das der seine Herr sagte, rot wie eine Klatsch- rose. Muß also nichts so ganz Harmloses gewesen sein, was sic zu hören bekam. Dan» sah ich gestern, wie der Maler auf Hansine, die unten bei Deinen Eltern war, mit großer Ungeduld wartete. Er hätte sie zwar gern nach Hause begleitet, aber zn seinem größten Verdruß ging Dein Vater bis hundert Schritte vor Nhbo mit. Sowie der Alte dann den Rücken kehrte, schob das Herrchen ans das Mädel zu, packte cs a» der Hand und stierte cs an, als wäre er von Sinnen gewesen. Das ist die reine Wahrheit, mein Ehrenwort darauf." Jens lächelte und erwiderte ans diese in großem Eifer gesprochenen Worte: „Beunruhige Dich mir nicht um meine Braut, Peter. Wenn der Maler sich ihr gegenüber anders betragen hätte, als es sich schickte, sr darfst Du versichert sei», daß sie ihn ganz gehörig abgcsertigt hätte, wie sic das bekanntlich mit allen dreisten Burschen zu machen Pflegt." Peter warf Jens einen bösen Blick zu, sagte noch etwas von Verblendung und Torheit und ging dann unverrichteter Sache seiner Wege. Als Jens eben das Hans Onkel Steffens betreten hatte und von diesem als ein seltener, lieber Gast mit grober Freude empfangen worden war, trat hinter dem groben Wachholderbnsch, der neben dem Gebäude stand, ein kleiner Mann mit gelbem Gesicht und listige» Augen hervor. Er war niemand anders als Peter Nielsen, der „Spitzbubcnkönig". Zornig ballte der Gauner die Fäuste und murmelte vor sich hin: „Daß ich doch mit solcher Freude von dem Alten empfangen würde, wie dieser dumme Tölpel. O, ich wollte das besser ausnutzcn." Peter hatte allen Grund ein wenig verstimmt zn sei», denn seine Hoffnungen bezüglich des leicht zn vollsührendcn Einbruches beim alte» Einsiedler waren seit gestern Abend um ein ganz Bedeutendes verringert worden. Der Wirt hatte ihm nach seiner Rückkehr ans der Stadt erzählt, daß Steffen ein hilfloser Greis sei, daß eine hochbctagtc, halberblindete, taube Haus hälterin das einzige lebende Wese» außer ihm im Hause sei und daß die unter dem Bette stehende eiserne Kiste wenigstens 80000 Kronen enthalte. In aller Frühe des heutigen Tages hatte sich der beutegierige Spitzbubcnkönig nun in daS Gehölz begeben, nm das Haus einmal genauer zn besichtigen. Da hatte er zn seinem größten Leidwesen aber entdeckt, daß ein Diebstahl doch nicht so ganz einfach sei. Türen und Fenster waren derart verwahrt, dast sic sich nur mit größter Mühe öffnen ließen, ei» gewaltiger, gut dressierter Hund hielt Wache, und über dem Bett des alten Mannes, der »och ziemlich rüstig zu sein schien, hatte Peter durch das geöffnete Fenster zwei Pistolen hängen sehen. Außerdem besäst Steffen ein Jagdgewehr und einen alte» Säbel. Er war also bis an die Zähne bewaffnet. Sobald der schlaue Spitzbube cingcsehen, daß ein Einbruch mit vielen Schwierigkeiten und Gefahren verbunden sei, beschloß er mit List und Verschlagen heit um die Freundschaft des einsamen Mannes zu buhlen, damit ihm dieser die Türen zur Schatzkammer öffnete. Doch der alte Steffen schwärmte nicht für Freundschaften »nd Bekanntschaften. Als ihm bei seinem Spaziergänge nm das Hans der junge Bade gast, für einen solchen mußte er Peter halten, vorhin begegnete, ihn in liebenswürdigster Weise begrüßte und in ein Gespräch zn verflechte» suchte, da benahm er sich so rücksichtslos und unhöflich, daß dem jungen Herrn die Lust zu ferneren Annäherungsversuchen vergangen war. Ganz verdutzt hatte Peter sich zurückgezogen und stand nun, als Jens Olufscn mit den Fischen kam, ratlos hinter dem Christdorngcsträuch. In der Absicht, mit seinen Freunden im „schnellen Segel" die mißliche Sache zu besprechen, war er, als Jens im Hause verschwunden war, aus dem Versteck hervorgctrcten. „Sollte mir der Jens nicht als Werkzeug dienen können? schoß cs ihm plötzlich durch den Kopf. „Der Bursche ist gar einfältig, ich werde ihm mit Leichtigkeit gewaltig imponieren können. Er must mich hier im Hanse cinführcn! — Ich mache ihm dafür große Ver sprechungen. — Oder, — halt, da fällt mir etwas anderes ei». — Die Sache ist nicht übel, must es mir überlegen." Sich mit der Hand an die gerunzelte Stirn fastend, setzte Peter Nielsen sich auf eine in der Nähe des Hauses befindliche Moosbank nieder und durchdachte den neuen Plan, der ihm da so ganz plötzlich ein gefallen war. Jens und Onkel Steffen waren wieder die besten Freunde von der.Welt. Sie hatten sich, wo sic ja einander solange nicht gesehen, so viel zu erzählen, daß die Zeit nur so dahinflog. Der Alte hatte sich schweren Herzens von seinem „einzigen Schatz auf Erden", dem Enkel Nis, trenne» müssen. Derselbe besuchte jetzt nämlich in der Stadt die Lateinschule. Darüber läßt sich viel erzähle». Dann sprach Steffen auch mit verdrießlichem Gesicht von den verwünschten Badegästen, die in ihrer Aufdringlichkeit soweit gingen, daß sic selbst ihn hier nicht verschont ließen. Ein Kerlchen mit unheimlichem Gesicht und unheimlicher Katzenfreundlichkeit hätte ihn vorhin begrüßt, er wüßte gar nicht, wie er sich die Sippschaft vom Leibe halten könnte. Jens sagte, daß auch ihm diese nervösen Menschenkinder aus großen Städten herzlich zuwider wären. Er sprach von dem Maler in Ove Outzens Hanse, und von dem, was ihm Peter Lund vorhin erzählt hatte. Er glaube zwar nichts von dem Geschwätz, aber er wünsche den Pinselhelden doch auf den Mond. Steffen hatte die letzte Geschichte mit großem Interesse gehört. Kopfschüttelnd sagte er nun: „Der Ove Outzcn gefällt mir gar nicht. Er will viel zu hoch hinaus. Er kam hier neulich mit dem alten iund dem jungen Brodersen vorüber. Da tat er gerade so, als ob die beiden schwerreichen Herren seinesgleichen wären. Er sieht am Ende gar nicht ein, daß der Maler seine Tochter nur an der Nase herumführt. Ans Heiraten denkt so ein Tausendkünstler doch nicht." Jens sprang erbleichend vom Stuhle auf »nd stieß hervor: „Aber Onkel Steffen, ich verstehe Dich gar nicht, wie sprichst Du nur? Ans Heiraten sollte er denken? Du weißt wohl gar nicht mehr, daß Hansine meine Braut ist?" Steffen sah den jungen Fischer halb spöttisch, halb mitleidig an. „Weiß das wohl, sagte er dann, „aber ich kenne die Welt und die Macht des Geldes. Zweifle übrigens durchaus nicht an Sinchcns Treue. Sic ist ein herzensgutes Kind. Aber Du mußt selber zngcben, daß auch das beste Mädchen in schwere Versuchung gerät, wen» statt eines Mannes, der nichts als sein gutes Herz besitzt, ein steinreicher, hochgeehrter, mit allen Gaben Gottes gesegneter Herr zum Gatten angeboten wird." „Nein, nein, Onkel Steffen," rief Jens aus, „ich verstehe Dich ganz und gar nicht mehr. Ihr Gcld- lcntc habt eben völlig andere Anschauungen als wir mittellosen. Hansine ist mir treu bis in den Tod, sic kann ohne mich nicht leben, ebensowenig, wie ich ohne sie leben kann. Glaubst Du denn, ich würde meine Braut gegen die reichste und schönste Prinzessin der Welt vertauschen?" „Du hast viel zu heißes Blut, mein Söhnchcn," sprach darauf der Alte, mit seiner hageren Hand über Jens dichtes Haar streichend. „Ich scherzte ja nnr, wollte Dich nur einmal ans die Probe stellen. Sei jetzt nnr wieder gut." Es währte eine ganze Zeit, bis Jens sich wieder völlig beruhigt hatte. Da war mit einem Male etwas höchst Beunruhigendes,Ouälendcsin sein Herz gekommen, daS er bisher noch nicht gekannt. Eifersucht war dieses etwas, über das er sich zur Zeit noch nicht recht klar war, obwohl cs bereits mit aller Gewalt über ihn gekommen war. Unablässig beschäftiget, sich ans dem Heimwege seine Gedanken mit dem, was Peter Lund und der alte Steffen gesagt hatten. Konnte er vorhin über des ersteren Worte lachen, so verstimmten sie ihn jetzt so, daß ihm nichts ferner lag als das Lachen. „Gäbe es doch keinen Reichtum in der Welt!" sagte er mürrisch zu sich selber. „Wären doch alle Menschen arm und auf ihrer Hände Arbeit angewiesen. Wie verdreht das elende Geld doch den Leuten die Sinne! Glaubt dieser Outzen nun, er wäre etwas Großes, weil der Zufall ihm sünfzigtausend Kronen in den Schoß geworfen hat. Ja, ja, daS habe ich lange gemerkt, ich bin ihm viel z» wenig. Mir werden jetzt alle seine dunklen Andeutungen verständlich. Aber Hansine liebt nur mich allein." Daß sie mir das aber nicht erzählt, wenn sie mit dem Maler in der Laube gesessen hat. So ganz kann Peter die Geschichte doch nicht aus der Luft gegriffen haben. „Nun, ich will heute alles von Hansine zu wissen haben, sie kommt ja zu uns, wie sie versprochen hat." Die alten Olufscn konnten sofort merken, daß Jens wieder etwas auf dem Herzen hatte. Er war so kurz angebunden, machte ein mürrisches Gesicht und hatte zum Abendbrot gar keine» rechten Appetit, trotzdem es sein Leibgericht, dicke Buchweizengrütze, gab. Alle Augenblicke sah er nach der alten Uhr, schüttelte den Kops und sagte: „DaS verstehe ich nicht, Sine kommt nicht, trotzdem sic cs versprochen hat." Dieses Gebühren seines Sohnes verdroß den alten Olufscn so, daß er denselben schließlich ganz gehörig ansschalt. „Was soll nur dieses ewige Murren," sprach der Alte mit ernstem, feierlichem Gesicht. „Der liebe Hcrrgvtt hat Dich so mit unverdienten Güter» überhäuft, daß Du auch nicht den mindesten Grund hast, ein saures Gesicht zn machen. Bedenke, mein Sohn, daß vielleicht noch einmal die Zeit kommt, wo Sorge» und Not über Dich hereinbrcchcn." Jens widersprach seinem Vater niemals, er besaß eine kindliche Ehrfurcht vor dem gottcsfürchtigen alten Manne, darum senkte er auch jetzt beschämt seine Blicke zur Erde und gab sich die größte Mühe, all die törichten Gedanke» ans seinem Herzen zu verscheuchen. Doch einen leisen Zweifel an Hansines Liebe vermochte er nicht zn bannen. Warum kam sie nicht, trotzdem sic es versprochen hatte? Ihr Wort hatte sic ja »och nie gebrochen. Sollte das böse Geld auch daran schuld sei». Darüber dachte der junge Fischer noch lange, lanyc nach, als er sich in der kleinen Kammer, in der sein Bett stand, zur Ruhe gelegt hatte. Als er endlich über dem Grübeln cingeschlafen war, träumte er von Goldbcrgen, Prinzen und Prinzessinnen. Auch Hansine war eine Prinzessin mit goldener Krone geworden. Viele schöne Männer umringten sie und begehrten sie zur Gemahlin. Keinen wollte sie. Doch endlich eilte sie auf einen mit kohlschwarzen Augen zu. Dann verschwand alles in einem goldenen Berge. VI. Trotz des für den Fischfang sehr günstigen Wetters hatte Jens Olufscn heute wieder nur eine ganz un bedeutende Beute gemacht. Als er die wenigen Fische billig im Dorfe verkauft hatte und trotz des Vaters gestriger Ermahnung höchst verdrossen heimwärts schritt, hörte er dicht hinter dem Dorfe plötzlich seinen Name» nennen. Er schaute sich um und sah eine» Kurgast, der ihm freundlich zunicktc und ihm die Hand zum Gruße