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mit Sonnenschein lind Himmelsblau, — dazwischen auch zinn Hochgenuss — erquickend 'mal ein Negeiitzuß, verlief er, wie cs sich gehört, — im allgemeinen ungestört. — Es blieben selbst mit Schaden fern — — die drei sonst so gestrengen Herr» — Mamertus und Pankratius — im Bunde mit Servatius! — Nun schaut man schön auf Feld »nd Flur - des Wonnemondes Segcnsspnr, — den» herrlich ist der Saatcnstand — im ganzen deutsche» Vaterland. — Er stehe weiter unversehrt — bis mau ihn zu der Scheuer fährt! Im Welttheatcr bracht' der Mai — in bunter Reihe vielerlei! — so bot des Todes Allgewalt — drei grossen Männern plötzlich Halt, — Lenbach und Stanley ging'» zur Ruh', — auch Maurus Jokah mit dazu. — Nach unsrem Südwestasrika, — das weiter inan in Aufruhr sah, — wurd' nun ge schickt ein General; — auf Herrn von Trotha fiel die Wahl, — der hoffentlich mit starker Hand — vom Alp befreit das Vaterland, — dem bald das Herz darüber stockt, — was Oberst Lcutwctn cingcbrockt! — In Frankfnrt an der Oder nahm — die Rcichs- tagswahl, zur „Noten" Gram, — schon wieder trübe Färbung au: — cs siegte dort der Basscrmann. — Wie Gerber nach den Fellen, schau'n — Herr Doktor iiiid Frau Lill» Braun — dem sortgcschwomm'ncn Mandat nach, - es war ein wirklich harter Schlag. — Die dritte Nachwahl ging nun krumm, — das ist Herrn Bebel selbst zu dumm! —Der war auch »och im Reichstag grast — als Anwalt für die Hereros; — das deutsche Voll lästt's ziemlich kalt, — der gute Manu wird eben alt! — Dann konnte ferner ans Berlin — die Botschaft in die Lande zieh'», — dass unter unsrem deutschen Geld — der Taler seine» Stand behält, — und das; die Schrippen wnrdc» rar, weil grosser Bäckcrstrcik dort war. — In dem ostasiat'sche» Krieg — war selbst zu Land bis jetzt der Sieg — ans Japans Seite, das verdross — gar sehr den russischen Koloss. — Nun macht er, dass er kommt aiis Ziel, — noch drei Armeekorps schnell mobil; — hält' er cs früher nur getan, — nicht wuchs so Japans Größenwahn. — Nach dein soll stolz auf MoSkau'S Höh'i, — das Sonncnbauiier baldigst wch'n! — England bekam, sich zum Verbrich, — zu knacken eine harte Nuss, denn Tibet bringt's aus sciuer Ruh': — wir gratulieren ihn, dazu. — Das Franken- reich sah voller Glück — auf Loubcts Reise noch zurück, — indes! Italiens Nächcrhand — Minister Nasi darchgebrauiit, — und St. Louis' Weltausstellung — eröffnet wnrd' mit grossem Schwung. — Ein furchtbar hochpolit'schcr Akt — war noch des Serbe» köiiigs Pakt, — der mit Bulgariens Ferdinand — m !^ch»h und Tr„tzc sig, verband., Zwar küßte» sic sich nicht daz», - doch ging es wenigstens per „Du"! — So kam des Monats End' herbei, nachdem nns »och der holde Mai — der sich dies Jahr so schön bewährt — ein kühles Pfingsten hat beschert. — Dass sich der Juni auch so zeig' — hofft Fröhlich Schmerzensreich. Nachbarskinder. Original-Noma» von Irene v. Hellmuth. (2l>. Fortsetzung). Eine geraume Weile war schon vergangen. Die Mutter störte Eva nicht in ihrem Sinnen. Schweigend fasten die Beiden und hielten sich eng umschlungen. Das Mädchen hatte den schönen Kops an die Brust der Mutter gelehnt und schien kaum zu bemerken, wie die Zeit verrann. Endlich richtete sich Eva entschlossen ans. „Weitzt Du, was mir begegnet ist? Wen» ich eS Dir verschweigen wollte, cs würde doch nichts helfen, obgleich ich cs gerne möchte, um nicht neuen Kunnncr über Dich heraufzubeschwörc». Aber Du ninstt es doch erfahren, denn D» bist die Einzige, die mir raten kann! Klostmann lauert mir auf, — er hat in Wolfcnstciii alles erfahren nnd fordert nu» meine Hand als Preis für sein Schweigen! Mutter, kannst Du begreifen, wie cs in mir stürmt »»d wühlt? Aiis der einen Seite die Schande, auf der ander» ei» Mann, den ich hasse und verabscheue! Welches Uebel ist da das kleinere? Wenn die harten, grausamen Menschen erfahren werden, was der Vater einst ver brach, werden sie auch über nns den Stab breche», ohne zu prüfen, ohne zu bedenken, daß wir ja nicht schuldig sind! Mutter, was soll ich beginnen?" „Ich dachte cs mir, dass cs so etwas Achnliches ist," lautete die in ruhigem Tone gegebene Antwort. „Glaubst Du, dost Klostmau» so niederträchtig ist und unser Geheimnis preisgibt, wenn D» ihn abweisest?" „Ich bin sogar fest davon überzeugt, Mutter. Er ist ein niederer Charakter, sonst hätte mein Flehen ihn erweichen müssen. Bei solch rohem Mensche» muss man auf alles gefasst sein." „Dann bleibt mir ein Ausweg — Du mustt auf seinen Plan eingchen, wenn auch nur zum Schein," nahm die Mutter wieder das Wort. „Iiiid was weiter?" „Wir ziehen fort von hier, wie ich einst fortzog. — Als die Schande über mich hereinbrach, als mein Gatte ins Gefängnis waudcrtc, begleitet von den Verwünschungen der unglücklichen Menschen, die er »m Hab' und Gut betröge», als man auch mich und Dich bedrohte — da gab ich alles hin, was ich irgendwie entbehren konnte und verliest die Stadt. Nichts nahm ich mit mir, als die paar einfachen Möbel, die früher verachtet auf dem Dachboden gestanden. Es gelang mir, hier eine neue Heimat zu gründe», so werden wir auch anderswo u»S wieder cingcwöhne». Damals stand ich allein, denn ans Dich, ei» kleines Kind, konnte ich nicht zählen. Ich war nur ans meiner Hände Arbeit angewiesen und »uistte auch für Dich sorge». Heute stehst Du mir zur Seite — tch habe Dich — meine Eva, und das tröstet mich. Ich wäre freilich lieber hier geblieben, aber das geht nun nicht anders. Wen» Du nur bei mir bleibst, das andere findet sich." „Ich werde Dich niemals verlassen, meine Mutter, nie!" versicherte Eva, die Arme stürmisch um den Hals der Frau schlingend. „Na, na — wer weist!" „Nein — nie —, wir zwei gehören zueinander, das gemeinsam erlebte Leid hat uns unzertrennlich zusammengcschmiedet!" „Wir werde» ja sehen," versuchte die Mutter zu scherzen, — „aber nun höre meinen Plan! Bis wir eine» passenden Ort ausgesucht haben, brauchen wir Zeit, »nd so lange sollst Du Kloßmainis Braut sein. Das ist nicht schwer. D» triffst ihn immer mir in meiner Gegenwart, und ich werde dafür sorgen, dass er nicht zu lange bleibt, nnd Dir auch eine» große» Teil der Unterhaltung abnchnien. Wir be schleunigen die Abreise so gut es geht, und eines schöne» Tages werde» wir verschwunden sei», niemand soll erfahren, wohin." „Iiiid glaubst Du, daß er unserer Spur nicht folgt, daß er unseren neuen Aufenthaltsort nicht entdeckt? Ich fürchte, er findet »ns sehr bald, wir werden beständig ans der Flucht vor diesem Gespenst sein." „Ich glaube es nicht, und selbst wenn er uns findet, an einem entfernte» Ort sind wir ja nicht bekannt, ebenso wie Klostman» selbst sremd ist. Wem wollte er da erzählen von »ns und unserer Vergangen heit? Wer würde sich dafür interessieren? Anders ist es hier, wo viele »ns kennen. Der Gedanke ist mir unerträglich, von all diesen Leuten über die Achsel angeschcn zu werden." „O Minier, das alles ist so furchtbar schwer, ich weist nicht, wie ich cs ertragen soll! Es scheint mir fast unmöglich! Ich bitte Dich, bleibe bei mir, wenn Kloßmann kommt, last mich nicht allein mit ihm!" Vergebens versuchte die Mutter das aufgeregte Mädchen zu beruhige». . „Ich sehe keinen andern Ausweg, Eva," sagte sie. „Ich denke, Kloßina»» wird schon zufrieden sein, wenn Du ihm Hoffnung gibst. Er weiß ja, daß er vorläufig keine zärtlich liebende Braut in Dir findet. Man muß ihn auf die Zukunft vertrösten, — ich mache ihm das schon klar." Eva konnte kein Angc schließe» i» dieser Nacht. Unrnhig warf sie sich hin und her. In ihrem Kopf wirbelten tausend Gedanken und Pläne durcheinander. Nach einigen Tagen wurde die Verlobung Evas mit Herrn Hans Klostmann bekannt gegeben. Man lächelte, einige meinten: „Na, das konnte man doch voraussehen. — Das Mädchen macht eine gute Partie. — Sic soll ja so arm sein, wie eine Kirchenmaus. Aber was brauchte sie den armen Menschen so lange hinzuhalten, wenn sie ihn doch nehmen wollte? Das konnte sic doch schon früher tun." So schwirrten die Reden hin und her. Am meisten verwundert war Doktor Linde. Tagelang wurde er die Gedanken an Eva nicht los. Datz sic sich doch mit Kloßina»» ver loben würde, — das hatte er nicht erwartet. „Sie ist auch wie die andern," sagte er zu seiner Mutter, „sie betrachtet die Ehe einfach als Versorgung^ mittel, iiiid doch — must den» ein Mädchen durchaus heiraten? Kann cs sich nicht auch so anständig durch die Welt bringen?" — Frau Linde betrachtete den Sohn verstohlen von der Seite. „Was geht denn nns das alles an? Last Eva doch heiraten, wen sic will!" Er nickte zerstreut. „Ja, ja, — freilich, — Mutter, da hast Du recht, es geht uns nichts an. Doch fürchte ich, Eva wird nicht glücklich werden!" — — XVI. Eva sah allerdings nichts weniger als glücklich aus. Die blauen Ringe um die Augen erzählten von schlaflosen Nächte» und der kleine Mund schien das Lächeln völlig verlernt zu habe». Desto heiterer und lustiger war der Bräutigam und wenn ihn jemand fragte, warum seine Brau: denn gar so blaß und still sei, daun entgcgnetc er leichthin: „Bah, sie braucht frische Luft, das viele Sitzen ist nicht gut für sic." Er gab auch nicht nach, bis Eva sich täglich eine Stunde spazieren führen ließ. Man wunderte sich nur, daß das Brautvaar niemals allein ausging Immer trippelte die Mutter der jungen Braut neben her, und stets schien die Aclterc die Unterhaltung zu führe». Der stillen, ruhigen Frau hätte man es gar nicht zugetraut, daß sic jemals so lebhaft werden könnte. Kloßina»» hatte schon viel Aerger gehabt. Erstens konnte Eva sich trotz seiner Bitten das steife „Sie" nicht abgewöhncn, zweitens schien es ihm, als ob eine Braut sich vor ihm fürchte, sic schrack immer ordentlich zusammen, wenn er ins Zimmer trat, »nd dann vcrmied sic ausfallend jedes Alleinsein mit ihm, wurde überhaupt täglich wortkarger »nd stiller. Daß die ^Altc" stets an der Seite der Tochter war, musste er zähneknirschend geschehen lassen. Da die drei bei ihren Spaziergängen stets den Weg am sogenannte» Wall entlang wählte», so sielen sie den Passanten bald nicht mehr aus. Aber als ie tagelang nicht mehr erschienen, da wnrdc dies um o mehr bemerkt. Es hieß, die junge Braut sei schwer erkrankt, und daß dies tatsächlich der Fall war, bewies der »m- tand, daß der besorgte Bräutigam gleich zwei der icschicktcsten Aerztc an das Krankenlager berief. Ein edcr von ihnen schüttelte ernst den Kopf. Ans Be frage» erklärten sie. man müsse erst abwartcn, welche Krankheit zum Ausbruch kommen werde, die Symptome deuteten auf Ncrvenficbcr — — Als Doktor Sigmund Linde von der Sache hörte, da hielt er sich nicht länger. Ohne Besinnen tral er in das kleine, saubere Stübchen, dessen einfache Einrichtung er so genau kannte. Die halb verzweifelte Mutter Evas empfing den jungen Mann mit einem dankbare» Blick, und Sigmund vcrsuchle die tiefgebeugte Frau z» trösten und aufzurichten, so viel er cs ver mochte. lind sie gehorchte begierig auf seine teil nahmsvolle» Worte, die aus dem innersten Herzen kamen »nd deshalb ihre Wirkung nicht verfehlten. „So glauben Sie, daß Eva die schwere Krankheit übersiehe» wird?" Das war die Frage, die sic stets wiederholte. „Ich glaube es, Frau Abendrot," sagte er jedes mal, obwohl seine Zuversicht immer mehr zu schwinden begann, und er Hoffnungen anssprach, die er selbst nicht hegte. Und er kam täglich zwei-, oft sogar dreimal. Meistens des Abends saß er am Bette des armen Mädchens und lauschte auf die verworrenen Reden, auf dieunzusamiiiciihängenden, wirren Ficberphantasicn, die sie flüsternd hcrvorbrachtc »nd die den junge» Man» im tiefsten Herzen erschütterten. Den» was er da zu hören bekam, war stets der Ausdruck einer wilden Angst, nnd er lvnsttc cs jetzt, daß Eva nicht freiwillig, sondern gezwungen, in die Verlobung mit Kloßina»« gewilligt hatte, Uber,.was war es? Welchen Druck vermochte dieser Mensch auf das Mädchen auszuüben? Sigmund hätte viel darum gegeben, dies zu er fahren, aber die alte Frau mochte er nicht fragen, sie hätte in ihrem Jammer wohl auch kaum auf ihn geachtet. Vielleicht wußte sie auch gar nichts. Das schien ihn, sehr wahrscheinlich, denn wen» Eva in ihrer Bewusstlosigkeit immer wieder die Worte flüsterte: „Fort, — fort — er soll fort, — er darf nichts sagen, — wir gehe» auch fort," — so beachtete die Mittler diese Ausrufe fast gar nicht. Aber Sigmund reimte sich das alles zusammen. Es entging ihm keine der leise» Klage», welche der Mund des Mädchens stammelte, und so dämmerte nach und nach die Ah nung der Wahrheit in ihm auf. In seiner Seele tobte ein wilder Aufruhr. Er war in diesen Tagen gar nicht mehr er selbst. Den Vorwürfen und Klagen seiner Fra», die sich stark vernachlässigt fühlte, schenkte er kein Gehör. — Nur Gewißheit hätte er haben mögen, Gewißheit über das, was Eva bewog, ihn abzuweisc», als er um sic warb. Eines Abends kam er aufgeregt z» seiner Mutter. I» seinen Auaen glänzten Tränen. „Geh' hinüber, Mütterchen," bat er flehend, „und hilf der armen Frau dort drüben, die fast zusanunen- bricht unter der Last des Jammers. Wache D» bei der Kranken, damit die völlig erschöpfte Mutter einige Stunden der Ruhe findet. Sic hat cs sehr nötig. Tag und Nacht weicht sie nicht vom Bette, ich konnte beim besten Wille» keine Krankenpflegerin anftrcibcn. Sie sind alle schon zu sehr in Anspruch genommen. Und EvaS Mutter muß mit ihren.Kräften sparsam umgehen, wenn sie ausreichcn sollen. Und da»», — noch eins, paß auf, was die Kranke spricht, ich glaube, wir Beide, — D» und ich, — wir haben an der Armen sehr viel gut zu inache», wir haben ihr bitter Unrecht getan und schwer gegen sie gesündigt?" Frau Linde verstand zwar nicht, was ihr Sohn meinte, sie »ahm sich auch gar nicht Zeit, ihn weiter zu frage». Sie packte verschiedenes, was sie für die Nacht nötig zu haben glaubte, in ein Körbchen, reichte ihrem „Jungen" die Hand und ging. Viele Worte pflegte die alle, prächtige Frau nicht zu machen, be sonders in der letzte» Zeit war sic beinahe wortkarg geworden. Sie sei zu viel allein, behauptete Sigmund minier. Aber das wußte er genau, ivo man ihrer Hilfe bedurfte, da ließ sie sich nicht zweimal bitte». Der junge Doktor sah ihr „ach, wie sie eilig über die Straße ging und ohne zu zögern in das kleine