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vor, daß meine Frau, bevor sie mich heiratete, ein Liebesverhältnis mit Lindemann hatte, daß die beiden sich aber trennen mußten, weil deine Mutter kein Vermögen besaß und Lindemann, der als der Aelteste das Gnt übernehmen, seinen jüngeren Geschwistern große Summen hinauszahlen mußte, also ein Mädchen ohne Geld nicht heiraten konnte. Sie entsagten ein ander, weil sie einsahen, daß es die Verhältnisse dringend heischten. Aber alle Anzeichen sprechen da für, daß die Beiden sich auch noch später liebten. Deshalb wollte deine Mutter durchaus die Verbin dung zwischen dir und dem Sohne ihres Jugendge- liebten, hätte sie ihn nicht mehr geliebt, so würde sie das Bild und die Briefe wohl längst verbrannt haben; aber so konnte sie es wahrscheinlich nicht übers Herz bringen und hat vielleicht in mancher verschwiegenen Stunde die Briefe wieder und wieder gelesen, das Bild betrachtet, und sich au seinem Anblick geweidet. O, noch heute gerät mein Blut in stürmische Wallung, wenn ich daran denke. Wie habe ich diese Frau ge liebt! Für sie hätte ich mein Leben gelassen, wenn sie es gefordert hätte! Und nun denken zu müssen, daß sie vielleicht Zeit ihres Lebens mit einer Lüge neben mir hergegangen ist, das sie vielleicht starb mit dem Bilde jenes andern im Herzen, — du weißt nicht, welche Qual es mir bereitet, wenn ich mir das vergegenwärtige. Du kannst mir das ja nicht nach fühlen, Lori, aber ich sage dir, als ich diese Ent deckung machte, als ich dieses Päckchen hier fand, da haßte ich jenen Menschen so unsäglich, daß —" Der Alte brach plötzlich ab und starrte vor sich nieder. Lori legte begütigend die Hand auf seine» Arm. „Du betrachtest das alles ganz anders als ich, Vater, und beurteilst es viel zu hart. Wenn die Beiden in ihrer Jugend ein Liebesverhältnis hatten, so war das doch kein Unrecht; meine Mutter kannte dich ja noch nicht." „Nicht das ist es, sondern daß keines von beiden, weder meine Frau, noch er, der sich dazu meinen besten Freund nannte, mir jemals auch nur die lei seste Andeutung von diesem Verhältnis machte; das war ihre große Schuld, das war falsch, das ist es, was mich so tief gekränkt hat und was ich heute noch nicht verwinden kann." „Es ist jedenfalls in bester Absicht geschehen, um deine Ruhe, deinen Frieden nicht zu stören." „Oder desto ungestörter mit einander verkehren zu können," höhnte Berneck. „Vater, — wie unrecht thust du der Verstorbenen. Treulos war meine Mutter nicht, das mußtest du doch wissen," entgegnete Lori in festem Tone uner schütterlicher Ueberzeugung. „Aber weshalb kannte sie kein schöneres Vergnügen, als auf dem Liudemanushof in traulicher Unterhaltung zu sitzen, weshalb ging sie so gern dahin, wenn sie jenen nicht immer noch liebte?" „Ich glaube trotzdem nicht daran, ihr ruhiges, stilles, zufriedenes Leben und Walten, ihr immer sich gleich bleibender, heiterer Sinn, ihre rücksichtsvolle Zärtlichkeit gegen Gatten und Kind lassen eine solche Behauptung nicht zu und sind Beweis genug, daß sie mit ihrem Los vollständig zufrieden war. Sie liebte dich und das Wort, das sie dir gab, hat sie dir gehalten und war glücklich dabei, daran ist kein Zweifel." „Glaubst du wirklich, daß deine Mutter glücklich war an meiner Seite?" „Ja, Vater, ganz gewiß! Sie las dir ja die Gedanken und Wünsche förmlich au deu Augen ab; hätte sie dich nicht so geliebt, so hätte sie sicher ein ganz anderes Benehmen zur Schau getragen. Außer dem hielt sie ihr tief religiöser Sinn von allem Un recht ab." Der Alte starrte wieder sinnend vor sich nieder, dann sagte er mehr zu sich selbst: „Es ist wohl möglich, und doch, — ah, die Wahrheit, — nur die Wahrheit, — wer die zu sagen wüßte." „Und erfuhrst du sie nicht von deinem ehemaligen Freunde?" „Lindemann besitzt einen ungemein heftigen, stolzen Charakter. Als ich damals nach dem Tode deiner Mutter zu ihm kam, um Rechenschaft von ihin zu fordern, da gerieten wir hart an einander, es fielen schlimme Worte auf beiden Seiten, wir waren beide zu erregt, um uns ruhig aussprechen zu können. Ich hielt seine maßlose Wut für Schuldbewußtsein und heute sehe ich wohl ein, daß ich zu weit ging in meinen Anschuldigungen, allein das ist nun nicht mehr zu ändern." „Wohl ist es zu ändern, wenn du es willst, Vater! Das ganze Lebensglück deines Kindes hängt von ein paar begütigenden Worten ab, und du wolltest sie unausgesprochen lassen? Wenn du mich lieb hast, so kannst du nicht so grausam sein; ich bitte, ich be schwöre dich bei dem Andenken au mein totes Müt terchen, gehe hin zu deinem ehemaligen Freunde, sprich mit ihm, sage ihm ein gutes Wort und wir werden glücklich sein." Lori hob mit thränennassen Augen die bittend gefalteten Hände zu ihrem Vater auf, der sie in seine Arme zog. (Fortsetzung folgt.) Mannigfaltiges. — Unlängst bestellte der Herr Pfarrer in einem Dorfe bei Köln die Schulkinder zur Singübung. „Wer zuerst kommt," so schloß er den Unterricht, „kann bei mir läuten" — (an der Hausglocke nämlich). Der Pfarrer verwahrte nämlich den Schlüssel der Uebungsstube in seiner Wohnung und gab ihn erst heraus, wenn es ungefähr 10 Minuten vor „voll" war, damit die lustige Dorfjugend nicht zu viel Zeit zum Unfugtreiben fände. — Nachmittags halb 3 Uhr sitzt der musikalische Geistliche im Lehnstuhl und schmaucht die übliche Pfeife. Da weckt ihn plötzlich bekannter Glockenklang aus seinen Träumereien: die große Kirchglocke schwingt sich lustig hin und her — grab' so, als ob es Sonntag vormittag wär'. Er steht schleunigst auf, reibt sich die Augeu, denkt blitzschnell nach: „Ist denn heute Sonntag? — Hab' ich denn noch Predigt? — Sollte heute ein Begräbnis sein?" Gleichzeitig guckt er durch's Fenster: „Vielleicht kommen die Leute schon zur Kirche!" Jawohl, sie kommen nicht bloß, sie rennen sogar, aber durchaus nicht im Sonntagsstaat, der Knecht mit kotigen Stiefeln, der Bauer in der Flanelljacke, die Bäuerin mit dem Flick- strumpf in der einen und der eben benutzten Fliegen peitsche in der andern Hand, derweilen gegenüber der Herr Kantor das kleine Guckfenster öffnet und be dächtig erst zum Pfarrhaus und daun nach den anderen Himmelsrichtungen ausschaut. „Zum Kuckuck, was ist denn los!" ruft endlich der verblüffte Seelenhirt und stürmt mit langen Schritten zum Pfarrhaus, den Hof hinüber, die Chortreppe hinan. Da stürzen ihm drei seiner wackeren, kleinen Sänger entgegen und rufen im stolzen Bewußtsein ihres klangvollen Ge horsams schon von weitem: „Herr Pfarrer, wir waren zuerst da und haben eben geläutet!" Nachrichten des K. Standesamtes zu Reichenbrand vom SS. bis 28. November 1S02. Geburten: Dem Stellmacher Otto Emil Neubert in Reichen- brand 1 K.; dem Rundstuhlarbeiter Ernst Richard Arold in Reichenbrand 1 K-; dem Handarbeiter Ernst Hermann Kinder in Siegmar 1 K.; dem Tischler Wenzl Wurdinger in Sieg mar 1 M. Aufgebote: Vacat! Eheschließungen: Vacat! Sterbefälle: Dem Strumpfwirker Carl Otto Herrmanu in Reicheubrand 1 T., 1 Monat alt; dem Anfwärter Otto Hugo Zill in Reichenbrand 1 T-, 1 Jahr alt; die Bierhändlers- Ehefrau Klara Selma Weinelt geb. May in Siegmar, 23 Jahre alt; dem Schlosser Albin Emil Meinert in Reichen brand 1 S., 3 Monate alt; dem Kaufmann Friedrich Ferdinand Sohre in Siegmar 1 T., 1 Monat alt. Krpeditionszeit des Standesamtes. Wochentags: 8—12 Uhr Vorm, und 2—6 Uhr Nachm. Sonn- und Festtags geschlossen. Nachrichten vom Kgl. Standesamt Rabenstein vom 21. bis 28. November 190S. Geburten: Ein Mädchen: Dem Handschuhstricker Paul Karl Nitzsche, Rabenstein; dem Handschuhfabrikanten Herm. Bernhard Hähle, Rabenstein; dem Handschuhstricker Frdr. Aug. Hoffmann, Rabenstein; dem ans. Handschuhfabrikanten Osw. Edm. Steiner (1 Todtgeburt). Eheaufgebote: s Eheschließungen: j Sterbefälle: Ein Mädchen des Schlossers Herm. Brüning, Rabenstein, 12 Wochen alt; ein Sohn deS Tischlers Paul Oskar Steinert, Rabenstein, 4 Monate alt. Zus ammen: 4 Geburten und zwar 4 weibl., darunter 1 Todtgeburt. — Eheaufgebot. — Eheschließung. 2 Sterbefälle und zwar 1 männl, und 1 weibl. Geschäftszeit. Wochentags: 8—12 Uhr Vorm, und 2—6 Uhr Nachm. Sonntags: 11—12 Uhr Vorm. nur zur Entgegennahme von Todtgcburtsanzeigen. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am 1. Adventsonntag den 30. November a. c. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. Freitag den 5. Dezember u. c. Vorm. 10 Uhr Wochenkommunion. , Parochie Rabenstein. Am 1. Adventsonntag den 30. November u. c. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. Strickerinnen! Mehrere 8r Fingermaschinen sind sofort bei höchsten Löhnen dauernd zu besetzen in der Fabrik von Bermann keinkAM, Rabenstein. cOQIML in allen kVeielagen, K.Ssmos ßk. Lklslsgs M. >,30 M. l,50 pr. lllusclle oller ä Oller pr. lAasebe oller ä Oller emxiiellit im kinrol-Vki'stauf Indien - veutscke QoZnscbrennerei vormals Enmer k Comp. Schuhwaarenlager, Kkickknbl'anä empfiehlt sämmtliche Filzschuhwaaren, echt rubsiscke kiummisckuke sowie sü,»mttich- WinterflHuHroaaren für Herren, Damen und Kinder zu den billigsten Preisen. Empfehle während der Wintersaison täglich frische ölnüüm, L Tasse 10 Pfge., sowie warme Mettwurst und ff. warme Würstchen. Gleichzeitig empfehle meinen mchhliÜM Nittagstisch. Fleischerei an der Bahnbrücke, Rohrstühle HeZLkHt gut und billig Rabenstein, Gartenstraße 124. Nächsten Dienstag, d. 2. 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