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7V. Sahrgm»,. ZV »» Sonnlag, 28. Februar 192« Gegründet 183k Dradlanlchri«: »achrtchl«, De—»««. Fernlprecher-Sammelnummer. 2S 241. Mur lür Nachlgetprilch,: 20 011. vom l«. kt»2«. Februar IS2« d»t lilftlich zweimaliger JuNeUung Irei Kau» I SO Warb. OLHUgd ' 1Del1Ul)l Polibezugsprel» Itir Wonal Februar 1 Mark »kn» PollzuNelNmgsgebiidr »t»z»Iuu««er IL Pl»»»ig. Di» Anzeigen werden nach Goldmarl» berechnet, die «intpaMae ZV mm breit» Anzeigen-Preise: ZÄ'-^.^.^auSb'-^^ ^s^uch. °dn. autzerbalb 2V0 Pig. OilertennebUdr 10 Psg. Ausw Auilrilge araen Dvrnusdezaril. SchriMetlunq und Kaupigeichititaftrllei Wartenitrat,» 3S »2 Druch u. Vertag von titapich » Retcharbi m Dresden. PoMchech-Konto 1O0S Drriden. Nachdruck nur ml keullicher Quellenongode „Dresdner Nachr." zuiiiMg. Unverinna » Schr>iIIIti»e werden ntchl outdewahrt. Jas Kabinett im Gegensatz zu khamberlain. Genaue Kabinettsrichttinien für Genf. - Wachsender Druck der Oeffentlichkeit. Der Dolkskauerlag im Reiche. — Kin-enburg aus -er Grünen Woche. — Neue Aeh-Erklärungen Mussolinis. Das englische Kabinett sür Deutschlands For-erungen. London, -'7. Febr. Auch das Wochenende steht sür die Presse im Zeichen der Fxage des Völkcrbundrates. Im Unter- hause werden am Montag der Konservative Lader und die Liberalen Mackenzie und Livingstone Anfragen a» den Premierminister richten. Am Dienstag oder Mittwoch wird „Daily Telegraph" zufolge Macdonald die Negierung um eine Erklärung ersuchen, und wenn diese nicht als befriedi gend betrachtet wird, wird die Opposition wahrscheinlich auf eine Erörterung am Donnerstag dringe». „Daily Graphic" behauptet, in den Wandclgängcn werde von der Möglichkeit eines NttcktritteS Chambcrlatns gesprochen. Der politische Berichterstatter der „Daily Mail" schreibt: Tic Frage des BölkcrbnndsrateS sei gestern auch vom Kabi- nett erörtert worden. Es könne mit Bestimmtheit erklärt werden, das; Ehäntberlain ohne Rücksicht darauf, wie seine per, iönliche Ansicht über die Mirage lautet tund es sei bekannt, paß diese sich nicht ganz mit der seiner Kollege« deckt), «ach östiis gehen werde mit klare« Anweisuugc« de» «aliinett«, »linach cs im gegenwärtigen kritische« Momettt wesentlich fei, daß den Wünsche« Deutschlands volle Beachtwng geschenkt werde, wenn nicht das in Locarno und London vollbrachte Werk zerstört werde« solle. (W. T. B.i -»>!.' '' London, 26. Febr. Im „Evcuing Standard" schreibt das Parlamentsmitglied Robert Boothby: Die Organl- jatwil des Völkerbundes ist aufgebaut auf einem Unterschied zwischen den Großmächten und den kleineren Mächten. Sobald dieser Unterschied entfernt wird, muß der ganze Aufbau des Völkerbundes zusammenbreche», da es dann dem Bunde nicht mehr möglich wäre, als eincinheitlicheöGanzeszusttnktionieren. Der Bcrsuch, die permanente Mitgliedschaft des Rates in diesem Augenblicke zu vergrößern, würde von Deutschland als endgültige Verletzung des Geistes und des Buchstabens des Locarnocr Vertrags aus- gcfaßt werden und mit dieser Auffassung wäre Deutsch land vollkommen im Recht. Würde Deutschland daraufhin ablehnen, dem Völkerbund bci- ziitreten, so würde die ganze Friedensarbeit der letzten fünf elahrc vernichtet und Llond George würde recht behalten, als er den ganzen Locarno-Vertrag als ein äußerst gefährliches Melodrama fennzeichnete. Der Artikel endet: Wir müssen iortsahre», mit aller Kraft daraus zu dringen, daß Chambcrlain iciiie Instruktionen erhält, und sie müssen dahin gehen, daß kein Vorschlag sür die Vergrößerung des VöllcrbnndSrats angehört werden darf, che Deutschland nicht den Sitz im VölkerbundS- rat eingenommen hat und che England nicht voll und ganz mit den Dominions z» einer Einigung über eine gemeinschaftliche Politik gelangt ist. In einer Rede in Newcastle sagte Viscount Grey: Die stonlrovcrsc über die Zulassung Polens zum Völkerbundsrat habe Unheil angerichlet. Deutschland müsse in durchaus fairer Weise ausgenommen werden, ohne eine vorherige Aenderung in der Zusammensetzung des Rates. Die wichtige Frage der Erweiterung des Völkcrbundsrates sollte erst erörtert werde», wen» Deutschland an diesen Verhandlungen tcilnehmen könne. Der Genfer „Kvmpromihvorschlag." London, 27. Febr. Aus Kreisen des Völkerbundes ist, der „Times" zufolge, der Regierung ein Kompro ml st- oa r sch lag in der Völkerbnndsfrage gemacht worden. Lpanicn soll danach gleichzeitig mit Deutschland einen perma nenten Sitz im Rat erhalten. ES wird daraus hingewiesen, daß die Kandidatur Spaniens schon im Jahre 1622 vvrgcbracht wurde und lediglich durch die feindselige Haltung Brasiliens ^scheitert sei. Spanien werde mehr als irgendein anderes Land durch den neuen Vorschlag berührt, daß die Staaten nur drei Fahre uichtpermanentes Mitglied des Rates sein sollen und dann für weitere drei Jahre nicht mehr gewählt werden vuncn. Es wird indessen vorgeschlagen, daß Spanien einen oennanentcn Sitz nicht ohne die vorherige Zustim- n u u g Deutschlands erhalten soll. Falls diese erfolge, würde ein nichtpcrmanenter ?itz im Rat frei werden «nd es wird vorgcschtagen. daß diese -teile Polen entweder im März oder ans der ordentliche« Versammlung des Völkerbundes im September zugeteilt wird. Dieser Plan könne indessen nicht ohne die Zustimmung aller Mitglieder des BölkcrbnndsrateS ausgeführt werden. Es ieie» noch keinerlei Anzeichen dafür vorhanden, daß die Opposition Schwedens im Nachlassen begriffe« Ist. Die Haiuing eines oder zweier anderer Mitglieder sei gleichfalls zweifelhaft und möglicherweise »»günstig. Große Bedeutung messe man auch der -Haltung Italien» bei. Von den Ttaatc», die nicht Mitglieder des Rate» sind, stimmen die Niederlande »nd Norwegen im wesentliche» mit Schweden überein. ^ Der holländische Gesandte hat, wie verlautet" die Aufmerksamkeit der britischen Regierung aus die Tatsache ge lenkt, daß jede Vergrößerung des Völkerbundsrates nur zu dem Zwecke der Verbesserung und Verstärkung der Zusammen setzung des Völkerbundsrates gemacht werden könne und nicht von irgendwelchen Erwägungen politischer Schwierigkeiten de» Augenblicks abhängen dürfe. Dem diplomatischen Korre spondenten des „Daily Telegraph" zufolge hat die holländische Regierung eine formelle Demarche nicht unternommen. <T. ll.) Nun kommt auch noch Persien! Die Jagd nach den BölkcrbnndsratSsitzc«. London, 27. Febr. Der diplomatische Berichterstatter der „Daily Mail" meldet, nicht nur die chlncsjschc. sondern auch die persische Regierung habe einen ständigen NatSsiß verlangt ür den Fall, daß ein solcher an andcre Länder als Dentsch- and gegeben werde. Ter diplomatische Berichterstatter des „Daily Telegraph" schreibt, daß der Haag einer Vermehrung der Mitglieder des Rates scharf ablehnend gegcnüber- strhe, besonders aus der Erwägung heraus, daß eine geringere Anzahl von Mitgliedern die beste Gewähr für Einstimmigkeit biete. Der Berichterstatter hört, Finnland habe im wesent lichen dieselbe Meinung vertreten wie Schweden. Norwegen «nd Holland. Dir. Zurückhaltung Tokios erklärte der Be richterstatter damit, daß man dort darauf warte, in welchem Sinne die Entscheidung in verschiedenen anderen Hauptstädte«, namentlich in London, fallen werde. (W. T.B.) Primo de Rioera für einen flündigen Nalsfiy. Paris, 27. Febr. Havas meldet aus Madrid: General Primo de Rtverg hat nach Schluß einer Besprechung mit dem spanischen Außenminister erklärt, die spanische Negierung sei entschlossen, fest ihren Standpunkt zu vertreten, bis Spanien einen ständigen Sitz im Vülkerbundsrat erhalten habe. Dte Bemühungen -er Kleinen Snlenle um einen Balsfitz. Jugoslawien als nichtständiger Nachfolger Bcnesch? Prag, 27. Febr. Die nationaldemokratische „Narodni Politika" teilt zu den römischen Verhandlungen des Außen minister Nintschitsch mit, dieser habe auch über die Ver tretung der Kleine« Entente im Völkerbnndsrat verhandelt. Dte gleiche Frage werde bei den Pariser Verhandlungen mit Nintschitsch erörtert werden. An Stelle von Dr. Benesch, der bisher die Kleine Entente im Völkerbundsrate vertreten habe, solle nunmehr der Vertreter eines anderen^ kleinen Staates der Kleinen Entente, wahrscheinlich Jugoslawien, treten. Es sei im Interesse der. Tschccho-Slowakei, daß der Rat um Polen erweitert werde. tW. T. B.s Berner Besorgnisse. Bern, 27. Febr. Wie die Blätter melden, hat der schweizerische Bundesrat in seiner Anweisung für die schweizerische Delegation, die an der kommenden Bölkcrbunds- versnmmtnng beteiligt ist, bet Behandlung der Frage der Er weiterung des Bülkcrbundsratcs betont, eine Vergrößerung des Rat» laste befürchten, daß die Großmächte einem solchen Rate die Entscheidung über alle wichtigen Fragen entziehen würden. Diese Besorgnis begründet sich, wie man allgemein betont, auf die Tätigkeit des Rats, dte bisher ein ziemlich negatives Resultat ergab. Auch L. Nauen gegen eine Balserweilernng. üowno, 27. Febr. Tic litauische Regierung hat gestern eine Note nach Genf gesandt, in der sic gegen die Erweite rung des Völkcrbundsrates Uber Deutschland hinaus pro testiert. lT.-ll.s Ainlschilsch und Mussolini gegen -en Anschluß Oesterreichs. Rom, 27. Febr. In den Unterredungen zwischen Nintschitsch und Mussolini sind den Blättern zufolge besprochen worden: 1. die Krage des italienisch-jugoslawischen Garantie paktes: 2. die Frage des Anschlusses Oesterreichs an Deutschland: 8. die Minderheitenfrage. Nach der „Voce Republicana" ist die Anschlußsragc nach jugoslawischer Ansicht nicht aktuell. Im übrigen nennt das Blatt die Auf nahme Deutschlands in den Pölkerbundsrat das beste Mittel für dte Erhaltung des Friedens. In einer Unterhaltung mit dem Vertreter der „Trtbuna" erklärte Nintschitsch. der Anschluß Oesterreichs au Dentschland würde in direktem Widersprüche zu den Fri dcnsvcrträgcns stehen, die die Stabilität und den Frieden Europas garan tierte» Wenn man erst ansange. die Fricdcnsvcrträge nicht einzuhaltcn, so sei kein Ende abznschen. Nus die Frage, ob Jugoslawien dir diplomatischen Bcztebungc» zu Rußland auf- nchmen werde, erklärte Nintschitsch, daß augenblicklich keine Aenderung der Beziehungen Jugoslawiens zu Rußland be. vorstehe. lW. T. B) Die Kulturgefahr -er Thealernol. Im Reichstage hat jüngst eine eindrucksvolle Kund gebung stattgefunden, in der die Not der deutschen Geistes kultur in ergreifenden Tönen zum Ausdruck kam. Dr. Luther selbst hat dabei auf die Bedeutung des KEurstroines hin gewiesen, der durch die Schicht unseres gebildeten Mittel standes gebildet wird. Merkwürdigerweise ist bei allen diesen Ausführungen eine Seite der Sach« nicht bloß zu kurz gekommen, sondern überhaupt nicht berührt worden, die sehr eng mit dem ganzen durch das Problem des Schutzes der »eisteskultur aufgeworfenen Fragenkomplex zusammenhängt, die Theatcrnot. Es häufen sich die Nachrichten aus zahl reichen Städten, die von einer mehr oder minder starken Einschränkung des Thcaterwrsens zu melden wissen. Die all- zcmcine wirtschaftliche Not geht auch an de« Pforte» der lunsttempel nicht vorkkber. viele Schauspieler müssen feiern, ein Theaterabda« iptrftz seine ersten bedrohlichen Schalten vor aus. Es hieße einem ernsten Zeichen der Zeit leichtherzig Beachtung und Berständnt» verweigern, wollte man dieser Erscheinung nicht dte volle Würdigung angedeihen lasten, die sie wegen ihrer kulturpolitischen Tragweite beanspruchen darf. Das Theater spielt in Deutschland eine besondere Nolle als „moralische Anstalt" in der von Schiller gehegten Auffassung, d. h„ wenn mau den Begriff „moralisch" hier nicht im engen philiströsen Sinne faßt, sondern ihn nach der Seite der Geistesbildung, der Acsthetik und des guten Geschmacks aus deutet. Nach dieser Richtung haben die deutschen Bühnen in der Vergangenheit Hervorragendes geleistet, und sie wurden dabei begünstigt durch die bundesstaatliche Struktur des Reiches, die das Emporkommeu zahlreicher Kunstzentren in den einzelstaatlichcn Residenzen ermöglichte. Die Hoftheater der Landessllrsten hielten durchweg auf ihren Ruf als wirkliche Kunststättcn und setzten eine Ehre darein, die besten oder doch jedenfalls erstklassige Kräfte zu beschäftigen. Die Finanzierung der Unternehmen erfolgte aus der fürstlichen Schatulle, sowie aus staatlichen Zuschüssen. Dazu kam di« Annehmlichkeit für die Darsteller, daß die Fürsten ihssen bewährten Künstlern Auszeichnungen in Gestalt von Titeln und Orden verliehen, dte als Anerkennung für glänzende Erfolge begreiflicher weise geschäht wurden. Auch abgesehen von den Hoftheatern gab es in Deutschland noch zahlreiche Provinzialbühnen, denen der Kunstsinn der Bürger und die Freigebigkeit reicher Mäzenaten ein auskömmliches Dasein sicherten. So breitete sich über bas ganze Reich ein Netz von guten mittleren Bühnen neben den leitenden großen Instituten aus. Diese verschiedenen Mittelpunkte einer vertieften Bühncn- kunst übten auf breite Volksschichten und insbesondere ans den Mittelstand einen nachhaltigen, den ästhetischen Geschmack fördernden Einfluß aus so daß man ohne Uebertreibung sagen kann, das Theater sei damals für Sie Allgemeinheit nicht bloß eine Stillte des Vergnügens, sondern ein wirkliches Bildungsmittel gewesen. Den langen guten Jahren folgten aber die mageren und schlechten. Vor allem wirkte nach teilig der Sturz der die Kunst schützenden Dynastien. Dazu gesellten sich die modernen Erfindungen, Film »nd Radio, und zuletzt, aber nicht am wenigsten, machte sich auch die wirtschaftliche Not nach dem Kriege geltend und schritt mit rauher Ferse über die Bretter hinweg, die ehemals die Welt bedeuteten, und die diesen Ruhm nicht einbttßen dürfen, wenn nicht der deutschen Geisteskultur ein nicht wieder gut- zamachender Schaden zugefügt werden soll. Es darf nicht dahin kommen, daß wir auf diesem Gebiete von der fürchtcr lichen Flutwelle des geist- und kulturlosen Amerikanismus überspült werden, daß nnr noch Ainosensationen ihre An ziehungskraft auSüben und da» tiefere BrldungSstreben. dem nur ein gutes Theater Genüge tun kann, unbefriedigt bleibt. Wenn die i« der Volksseele unausrottbar wirkende Sehnsucht nach Illusion und Romantik mangels leistungsfähiger Bühnen auf fälsche Wege geleitet wird, kommt es zu solche» Groteske«, wie sie das amerikanische Leben darbictct. Dort ist eS mög lich. daß ein geschickter Verfasser von Jazzbandliedern und Melodien, der seine Erzeugnisse selbst vorträgt, förmlich wie ein Halbgott verehrt wird. Irving Berlin heißt der Mann. Als er kürzlich nach Europa abreisen wollte, mußte ein Polizeiaufgebot vor seiner Wohnung in Neuyork stationiert werden, um den Verkehr ausrecht zu erhalten. Tag und Nacht stand die Menschcnmaucr und harrte aus, um eine» Blick von dem „Star" zu erhaschen, und das Gedränge war so arg. daß der Gefeiert« mit seiner Frau über die Feuer leiter nu der Rückseite be» Hauses auf da» Schiff flüchten