Suche löschen...
Dresdner Nachrichten : 29.10.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192210290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19221029
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19221029
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-10
- Tag 1922-10-29
-
Monat
1922-10
-
Jahr
1922
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 29.10.1922
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Oresäner Nackrichien Alltag 5onntag.29.0ktober!Y22 Unser Gold. Gkizze vo« Hertha von dem Vu»sch«. Haddenhausen. La» Leben mit all seinen Noten und Gorgen lastete auf ihr wir auf fast alle» Menschen: und heute schien » ihr be» sonder» schwer. Sie ging einen mühsamen Weg. Mit einem gewichtige» Paket beladen eilte Ne von ihrer Wohnung nach einen, cutlcrntcn Stadtteil, aber eS muhte so lein, ein Mann war ihr dort empfohlen worden, er würde ihr am meisten für ihre» Schah bieten. So hatte Ne sich zu ihm ausgemacht, «der immer langsamer wurden ihre Schritte, die Lasten waren schwer, die sie trug, die im Arm und die im Herzen. Nun batte sic ihr Ziel erreicht, zwei Treppen ging S hinauf, noch einen kurzen stampf — sie brückt auf die Klingel. Sin freundlicher Mann öffnete ibr. ..Man schickt .»ich zu Ihnen: ich brinae Ihnen hier eine Lampe. Sic würben Ne vielleicht brauchen können?" Wie Ne sorgsam ihr Paket aus. macht, schmunzelt er: „Na. die ist aber gut verpackt." — Gut verpackt!? Muh man Ne denn nicht gut verpacken? SS hangen ta lo viel Erinnerungen dran/ Nun steht sic auf dem Tisch, schmuck und glSnzcnd. „Hm, m. Sv wa» kauft letzt niemand mehr, die stammt an» der iutnre-poli-Zcit. so in den achtziger Jahren." Sie nickt, ia freilich, damals war Ne Backfisch. Tie Mutter hatte die Lampe zum GcbvrtStag bekommen. Ne könnte eS noch malen, wie Klcin-Advls vor dem Tische stand und ehrfürchtig hinauf- staunte, dann zupfte er sic am Acrmcl. „Du. Ilse, ist die ganz au» Gold?" lind abends brannte Ne dann zum ersten Male ans dem groben runden Tisch. Wo war der grobe runde Tisch geblieben? Wo die fröhliche Schar, otc sich um ihn versammelte zu geistvollen Spielen, zu Scherz und Arbeit? „^>a. eS Ist nichts damit zu machen. Ich muh Ne in den Schmelzticgcl tun." Ihre Augen weiten sich. „Gar nicht mehr zu gebrauchen?" — „Ich gebe Ihnen zweihundert Mark." — ^la. danke." SS ist geschehen. Ne steht wieder ans -er Treppe. Süll Mark!! Ist's nicht ein Judaslohn? Für all die Erinnerungen 2W Mark! — Ach waS, eS muhte sein, das gibt doch wenigstens wieder für X Tage da» Brot. Und die Erinnerungen sterben sa nicht, so wte die Lampe starb. LS läni» ihr kalt über den Rücken, Ne meint da» Knirschen der Sch""be z» hören, wie der Mann sie anSeinandernahm, da lag Ne in Stücken zerteilt! Ilse, ist die ganz aus Gold? Cie hebt den Kops und schreitet stolz die Treppe hinunter, nein, anschen soll'» ihr niemand, waS sle da eben durcbkämpft bat. Aus der Strafte blickt Nr sich um Ne ist in allbekannter Gegend hier in der Nähe bat Ne früher auch einmal ge wohnt. Ein Blick aus die Uhr zeigt ihr, daft sic noch Zelt hat ralch einmal zu Tante Emma zu gehen, die sie so lange «tcht sa>h. ..Ei. Ilse, wie schön, daft Du kommst, grade gestern sprach--» wir von Euch, wa» macht Dein kleiner Joseph? Ich habe hier ein paar Bildchen für ihn aufgehoben, die nimm ihm doch mit." lind in dem schlichten Heim wird'ö ihr wieder wohl und warm. Wa» Ne noch sprachen, ich weis, e» nichi. aber Ilse? Herz wurde kreier und leichter, nnü alS sle nach etwa einer Stunde wieder fortging. sah Ne die Welt mit anderen Augen an. Wenn Ne einen kleinen Umweg machte, konnte Ne durch den Groben Garten gehen. — DaS ta» gut! Die ganze Hcrbslprach» leuchtete Ihr InS Herz, da standen bte mächtigen Bnumrtcscn mit ihren roten Ge wändern, und einige laben cruS. alS hätte man das reinste Gold über Ne auSgrgosscn. — Nun sing'» an zu dunkeln, die Strahcn nahmen sle wieder auf. Endlich kam sie nach Hanie. Klein-Joseph stürzte ibr entgegen, al» er Ne hörte. .Grohmutler. hast Du die golden« Lampe weggebracht?" — ..Ja mein Junge, die ist nun fort." — ..Grohmultcr lasten uns dein, d!c Feind» gar nicht»? Wir haben wohl bald gar lein Gold mehr hier lm Lande?" — ..Dock), Junge, wir Hanen nc»ck> aller!and Gold, ich will Dir erzählen: erstens gibt'» »och goldene Herzen, die kann mau nicht seien, aber man spürt sie wohl. DaS l,i»r ist ein Grub für Dick, von Tante Emmas go'dcnem Herzen. Dann lmt unS der Herbst viel schöne» Gold gebracht Warte nur. morgen ist Sonn- tag. da geben wir mal zusammen in den Groben Garten. und ick zeig Dir all da» Gold da drouften. Und dann komm her — sic zog ihn zum Fenster und schob den Bor- Hann zurück —. Dort oben, sieh die goldenen Sterne, die leiichle» kür »nS. die kann unS sein Feind und kein Neider nehmen. Nein, nein, wir hoben schon noch Gold im Lande mein Junge." - .Ja, Grobmutker. und ich Hab' goldene Haare das sag« Mutti immer zu mir. und ich glcnlb«, Mutti und Tn Ihr bobl auch goldene Herzen" Der Feierabend-Sannes. von Fritz müll» r. Part-nkirchen. »kö ich in» Dorf clnbog, rlb der Rucksack. «Kann hier semand einen Nnckiack flicken?' fragte ich den Briefträger. „Freilich, der Feierabend-Hanne»," sagte er und stapfte weiter. Also ich mit meinem Rucksack in den nächsten Laden: „BItt schön, wo wohnt denn der Feierabend-HanncS?" „Ter wer?" sagte der alte Salzstöbler wetterleuchten-. „Ter Fetcrabend-HanncS." „Haha, der Feierabend-Hanne» — hahaha. der Feier — haha — abend — haha — Hannes — hahahahalia" Der Mann war -ffenbar verrückt. Dann versuchte lch'S bei einer Frau, die über die Strafte ging: „Bitte, können Sie mir lagen, wo der F-clerabend-HanneS —" „Haha, der Feierabend-^anneS — gleich dort nm b' Ecken wohnt er. der Felcrabenü-Hanncö, hahaha — haha, wird der a Freud' Hab n. der Felerabend-Hannes " Eine Freude? denk ich kopfschüttelnd, da steht er schon vor mir, ein wenig vorgenetgt. «in wenig sorschcnd und eln wenig lächelnd. «Guten Tag auch," sag «ch, ..sind Sie der Fei-rabcnb- HanneS?" ES zuckt in dem Gesicht. Misstrauen, "lerger. ?<mlk und Güte lagen eine Runde, so schnell, dab bei der zweiten Runde da» Misstrauen der Gü'e in *>» Schwanz betgi. „Ten Fetcrabcnd-HanneS suchen S'? Ia, der bin ich — aha. der Rucksack g rissen — ist gleich «'macht — woll'n S' warlcn?" Und schon trennt er auf, setzt ein und näht und stichelt. — „Wenn ich heute cbcnd mieb»rkomw?rr könnte, Feter- abcnd-HanneS." „Wenn S' net warten können — me>nctweg'n " Am Abend war er nicht zu Hause. Am nächsten Morgen war er scbon tm Hcn-n. Am nächsten Mittag wischt er grab' nmS Eck: „Ja so, der Rucksack? - Schaug'" S' halt morgen wieder nach. Herr.' Morgen war da» HauS verschlossen. Nebermorgen war er nickt recht gut beisammen. TagS draus ist er ungeduldig: „Pressiert S denn gar so, Herr?" Wieder «inen Tag später läßt er sagen, einen Tag no<v wvcht' ich märten, oder zwei. Ich bab' nicht m-rrten können. Ich heb' eine Wanderung ohne Rucksack angetr»ten, frei und lelcht, ganz unbeschwert. Zn der hat mir der Fcierabend-Hanneg verholsen. W°nn Ich denk'. waS ich nc'.r sonst in meinem Rucksack alles auf- gepackt bab' — die Ncservesocken nock. das ErtrahcckStuch noch, die Bücher und die Avoth-'e — ha. eS war noch einmal so schön ohne die N-servesockcn, ohne Buch und Apotheke. — „Seh n Sie." sagte der Feierabend-HanncS. „wozu ein nichtgeflickter Nnckiack gut ist - aber nächste Woche, wenn Sic wieder herschau'n möchten . . . Ich Hab' noch mehr alS einmal herschau'n müssen. Zum letztenmal am letzten Ferientgac vor der Rückkehr in die Stadt. ..So." hat mir der Feierabend-Hannes den sauber geflickten Rucksack feierlich überreicht, „und wenn S' ihn im nächst'» Sommer wieder Feierabend bei mir macken lasten wollen —" „Sagen Sic. warum helft« man Sie den Feierabend- Hannes?" „Weil ick Mr den Feierabend bin." „Alic weniger für die Arbeit?" „Here es wird viel zn viel gcarbeit't in der West. Kein Mensch gibt a Muh. Ooner tritt dem andern aus die Hühner- a„g'n. Dir Menschen atmen nimmer, nur noch dampfen rönnen s Jede Arbeit Ist immer nur ein Vorwand, ein hinterlistiger, für zwei neue CS wird immer schlimmer. Anstatt dab s' amal verschnaufen tät'n. eine ordentliche Weil', die arme» Teufel. Keine Ahnung hnb'n mehr von der alten Wahrheit, daft sich die allermeisten ganz von selber ausarbeii n wenn wan s' unnerarbeltt lieg'n laftt. Sollt mich wundern, ob die Menschen noch einmal so g'schcit werd'n. -ab Ne die Sach'n für sich arbeit'n lasten, anstatt sich leider z„ zerreib'»" „Und meinen Sie, dab das den Sachen aut tut, Feier abend-Hanne» ?" „Ausgezeichnet. Herr. Bevor bte Menschen auf der Welt war'n, haben eS die Sachen schon Millionen Jahr' so a halten. Tann erst IN der Mensch mit seiner Unrast zwischen sie gcfahr'n. AnS war'S. Ich sag' Ihnen, z' Tob froh sein werd'n die Sacken, wenn die Menschen öfter Feierabend machen wollten." „Ta nehmen Sie sa eine sonderbare Stellung zu der Arbeit ein." „ES ist nicht nur weg'« der Arbeit, daft wir öfter Feier- abend machen sollten, Herr." „Weswegen noch?" „Ich Hab' krt' Zeit mehr, ich mutz Feierabend mache« — zwei Mark drelßge macht der Rucksack." „Und wenn ich letzt im Zahlen Feierabend machte?" „O met' Herr, bdS können Sie ja gar net mehr — Sie hab'n viel zu viel schon zahlt auf bera Welt — da kann man schlieftlich nimmer ander» — alleweil zahl'n und zahl n und zahl'n — daS Fetcrabendmachen will auch erst g'ierni setn in alle Sachen." „Wort" zum Beispiel noch, aufter im Arbeiten und im Zahlen?" „Im Med'n — rin« Mark — zwei Mark — dreiftge — stimmt — psüat God, Herr." Ta sah ich nun im Feierabend mit der Neugier. Aber manches Hab' ich doch tm Dorfe noch erfragt vom Feier- abend-HanneS. Sie haben beileibe nicht nur über ihn ge lacht. Sic haben ihn gesegnet. Nicht feierlich und ölig, sondern nebenbei, mit einem Zucken um dir -lugen, einem scheuen Blick oft, manchmal auch mit verstecktem Tonfall in der Stimme — so wie man » eben seicrabends mach«, wenn man vor seinem Hause geruhig aus der grünen Bank sitzt und Wörter elnstrent zwischen Pfeisenzllgen, die sich Zeit ge'assen haben, die Pseifenzüge und dir Wörter: „Also, waS der Felerabend-HanneS ist, dös war a so: Sitz' ich da einmal im Wirtshaus. Spät war's. Z' wenig Hab' ich auch net g'trunk'n g'habt und hübsch hitzig war die Rederei. Einer hat mich 'trotzt. Ich fahr' auf. Er trotzt mich noch mehr. Ich krieg' eine blinde Wut, greis' nach einer Axt — kommt einer durch die Tür, pflanz« sich dicht vor meiner Nas'n aus. schaut mich lang und g'spahig an und sagt weiter nichts alS: „Feierabend" — der Fcierabend- HanneS war'S —. später Hab' ich mir'S einmal von einem Rechtsanwalt berechnen lassen: mindesten» achtzehn Monat" hat er mir derspart, der Feierabend-HanneS" „Mir vielleicht noch mehr," fährt ein anderer fort, „ihr wtbt'S ta selber, wie mich d' Schwermut 'packt hat. als ie mei' Frau begrab'» hab'n und drei Wochen braus mci' Kind, und wie ich dann hinctng'rutscht bin in die Sinnirrcrei, wir mir alles gleich war und wie ich alles Hab' verkommen lassen. BIS auf einmal, wie ich wieder auf mei'm Traucrschemel sitz' und in die Welt 'neinstier', einer durch die Tür kommt, mir die Hand auf d' Schulter legt und nur „Feierabend!" sagt. Nlx weiter. Aber wie döS n'sagt war! Ich Habs heut' noch net vcrgess'n, und ist doch schon gut a Stuckcr zwölf Iahrl'n her. daft der Feierabend-Hannes Feierabend g'mackt hat mit mei'm Trübsinn." „Und bei mir," erzählt ein dritter, „ist eS doppelt länger, dab mich doS iunge Blut gezwickt hat. hin und her, und daft ich'S kurz sag': Kein Madel war vor mir net sicher. G rad nmtricb'n hat'S mich. Damals Hab' ich'S freilich nicht io g'wutzt, was ich heut' weift: 'nunlcrg'schwommcn war' ich. wenn nicht an einem Abend, wo ich aus ein Madel g'wari't Hab', plötzlich einer anS der Finsternis hcranSgrkommen war. Er ist net steh'n 'blieb'n. Rur im Vorübergch'n hat er mir a Wort hing'worf'n: „Feierabend!" und nerschwi'ndon war er." „Und da» Mädel?" ,Fkst gleich nach seiner 'kommen." „Und Sie?" -Fsch hob'S in Ehren gstsasten, meine Frau is e worb'n, -er Feierabend-HanncS hat unfern ersten Paten g'macht." Still ist eS geworden in der WirtSstub'n. Jeder hat für sich waS ouözudenkeu g'habt. Einer schaiU durch» Fenster: ..Da aeht er vorbei". Wieder Schweigen. Ich schultere meinen Rucksack. „Da war' also Euer Feierabend-HanncS," sage ich im Abschied, „so etwas wie Euer zweiter Pfarrer?" „Der zweit'? Ich weift net recht, man kann die Menschen net gut numerier'»." „Nun. unterscheiden miUst Ihr doch die beiden." ..Io, der eine predigt ihn, den Feierabend, und der andre macht ihn." Die Geschichte vom Plagiat. Von Richard Rieft. Es war einmal eine Idee. DaS heiftt, eigentlich war die Idee noch gar nicht da. ES war nur ein Mensch da, der eine -Gegebenheit erzählte, das heiftt. eigentlich auch keine Begebenheit, denn dieser Mensch war ein Prahlhans und rühmte sich gern tniercssantcr Erlebniste. Und diese» Erlebnis, da» nur im Kern ein Erlebnis war. wäre al» wirkliches Erlebnis höchst interessant gewesen. Der Herr beginnt also: Sitze ich neulich in der Eisen bahn. da . - . Und er erzählt doS sogenannte Erlebnis. s» «SV <S Zs o » -L Zs «» Woher, wohin-7 Fühlst du. daß dir au» geheimen «Duellen Wellen steigen, dir dich heben. Die dich tragen, di« dich führen» — Zrage nicht: woher, wohin? Denn du weiht, die Wellen all«. Dle dich tragen durch da» leben, Zreuden wogend. Leiden spülend» — Stetten alle tn da» Meer. En da, Meer, da» ebbt und flutet. In da» Meer, da» wogend wandert. Seine» Wüster» Wellen wendet, Dah e» wieder sich erhebe. Nebelnd wandelt zu der chuelle, Dah «« steig«, heb«, trag«. Daß e» führ« Sn da« Meer der Ewigkeit. Srnst RSHl«r--«ußen (Au»: M«kn Das dunkle Tor. Episode auö dem Leben der Frau über Vierzig. ' Von Paula Gnra-Ewald, München. Sie sab vor dem Spiegel in der kleinen, vom übrigen Laden abgctrennlen Kote dcS FrilcnrgcschüiteS. um sich den Kops waschen zu lasten. Der Friseur löste ihr reiches Haar, daö ihr bis zu den Knien fiel und wundervolle, natürliche Wellen hatte. Sie konnte eS nicht hindern, daft sie sich wohlgefällig im Spiegel betrachtete: daS pikante Gesichtchcn mit den klugen Augen und dem fein aebogenen Naeisten macht« sich gar zu hübsch in der Umrahmung der gelösten, braunen Wellen „Gnädige Fra,, haben wirklich noch wundervolle» Haar" sagte der Friseur, indem er mit dem Kamm seine Arbeit begann. Das war dock eigentlich eine ScbmelcheletI Warum empfand sie denn aber mehr Aerger al» Freude darüber. Sonderbar. Den ganzen Weg nach Hause konnte sie Uber die Aeuberung dcS iungen Gehilfen nicht wcgkvmmen- Sie klang ihr wie etwa» unendlich Pein liches in den Ohren, wie etwas, daö man gern nicht gehört haben möchte und da» einem nun die ganze Laune verdirbt. Mao wetb eigentlich olchi, warum^ aber da auf dem Unter- bcwubtsein bohrt und gräbt etwa» AcrgerllcheS daraufloS, wie ein geschäftiger Maulwurs. Sir ging in ihr Zimmer »nd legte Hut und Jacke ab. WaS war nur an der Aeuberung? Endlich hatte sie'». Da» Wörtchen „noch" machte die selbe lo »chmerzhast. Bei ihrem Alter „noch" so schönes Haar, sollte doch eigentlich Heiken, bab . . . Zum ersten Male kam e» ihr zum Bewufttsein. daft ihr Kranz am Verblühen war, daft eS hieb: Ittnaere vorlasten, au» den Reihen der Begehrten auSfcheiden. Einzelne Episoden sielen Ihr ein. Da neulich ln der Straftenbahn, al» die iunge Fra» auiiprana, um ihr Platz zu machen . . . sie war anch damals schon rot geworden und hatte ein ge wisses Besremden innerlich gespürt. ES tat weh. Man war e» noch nicht gewöhnt. Echt fraulich nahm sie den kleinen Handspiegel vom Tisch. Eingehend studiert« sie ihr Gesicht. Zug für Zug. Wahrhaftig: Ta und da und da Fältchen — vorwitzige . . . kecke . - . Sic legte den Aufrichtigen lächelnd beiseite. ES tat gar nicht« mehr weh. Ia denn, in GotteLnamen, der Berg war erstiegen, die Rosen im Verblühen. ES zeigten sich auch hier und da etliche graue Haare - . . Aber was ist'S denn? Hauptsache war doch, daft man sich jung fühlte und waS man zu leisten vermochte und dann .... Dem Gewesene» nicht nachsenfzen, dem Gebliebenen die schönsten Seiten abgeivinnen- Seinen Platz nach besten Kräften anSfüllcn, den unabünderllch.n Kreislauf der Natur nicht kopfhängerisch ablengnen wollen — das hieb, ' hinter dem dunklen Tor einen Garten mit bnntbllthenden Astern grüben. Dann mochte der Friseur da» nächste Mal ruhig wieder sein „noch" etnflieben lasten. Auf -er Orchideenjagd. Sine englische Expedition ist vor kurzem nach den Tropen ausgebrochcn. um dort neue Orchideen zu entdecken, und so beginnt die Romantik der Orchidrensagd. die vor dem Kriege ko manchen Abenteurer anzog, von neuem zn blühen. Von dieser Romantik erzählt Victor Ottmann in spannender Welse tn seinem Buche „Der Orchideenläger". Er bebt her vor. daft sich unter diesen Blumensammlern Net» viele Deutsche befunden haben, bte zu be« erfolgreichsten Ver- tretcr» ihre» Berufe» gehörten. So manche von ihnen haben dabei ihr Leben verloren, alkcnbcra starb in Panama. Klavoch in Mexiko, EnbreS tn vlumbten, Braun tn Madagaskar, Schroeder in Sierra- Leone und Mrnold am Orinoko, vor einige» Jahre» träfe» .sich acht Orchideensäger in Tamatawe auf Madagaskar, und nachdem Ne einige Stunden zusammcngcmcscn waren, zer- streuten sie sich nach den verschiedensten Richtungen. Ein Jahr später waren sieben von ihnen tot: einer war von den Zauberern der Eingeborenen mit Ocl begosicn und dann verbrannt worden. Die Orchideen gelten nämlich vielfach bei den Eingeborenen als heilige Blumen, und ibr Raub wird alS daS grösste Verbrechen angesehen. Der Orchideensäger ist durchaus kein gewöhnlicher Abenteurer, sonder» er muft über eine bedeutende natur wissenschaftliche Bildung verfügen, mit Land und Volk der betreffenden Gegenden genau vertraut sein, muft über oie beste Gesundheit, hoben Wagemut und Unerschrockenheit ver fügen. Dringt er doch, von seinem eigentümlichen Spürsinn geleitet, in unerforschten Gebieten vor. wo sich ihm tausend Hindernisse entgcgcnstcllcn. DaS tückische Klima der tro- pischen Wälder und Sümpfe erfordert eine ungewöhnliche Widerstandskraft: unbarmherziger Sonnenbrand versengt seine Haut: uncrmeftliche Regenslutcn burchnäsien ihn. bös artige Insekten peinigen Ihn Tag und Nacht: reihende Tiere und giftige Schlangen umlauern ihn, und am ge fährlichsten ist das Zusammentreffen mit den wilden Ein geborenen. die in ihrer abergläubischen Wut in ibm den gröbten Feind sehen. Tie Suche nach den Orchideen im tro pischen Urwald ist lehr schwierig. Diese Tropenwäldcr sind ja keineswegs Blütenhaine, sondern man kann sie stunden lang dnrchstreisen, ohne ein besonders ausfallendes Gewächs zn Gesicht zu bekomme». Die Blumen verschwinden in dein dickten Buschwerk dcS üppig wuchernden Unterholzes und der zahllosen Blattpflanzen, oder Ne ziehen sich auf die Bäume zurück, wo sie hoch oben zwischen Erde und Himmel die nöt-ae EntwlcklungSsreihcit finden. Zn diesen Epiphisten — wie man die auf anderen Pflanzen lebenden Gewächse nennt — gehören auch die schönsten tropischen Orchidee». Sie lind keineswegs Schmarotzer, sondern sog. Ueberpflanzcn, d. h. Gewächse, bte ihren Wirt nicht berauben, sondern mir als llnterlagc benutzen, um mehr Licht »nd Luft zu acnlcften. als da« dunkle Urwaldgesirsivv bietet. So sind die Orchideen ans die Bäume geflüchtet, lassen ihre zahlreichen Luftwurzeln lang bergl'hängcn. leben non Tnu und Regen und sonnen die nährende Flüssigkeit aus. Leider wird die Orchideensagd meist ln barbarischer Meise betrieben, denn da eS den Samm ler» zu viel Umstände macht, die hohen Bäume zn erklim men, so fällen sie die Baumrlesen, auf denen sie die hetb begehrten Pflanzen vermuten, oder hauen mcnigsicnS grell»' Aeste ab. Go kommt eS. dab manche Waldbeztrkc. die reich an Orchideen waren, geradezu verwüstet sind. Entdeckt ein Orchideenjäger eine Stelle, an der er gute Beute findet, io hütet er da» Geheimnis mit Sorgfalt »nd beutet de» gg»z«» Vestrt rücksichtslos au».
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)