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Dresdner Nachrichten : 16.10.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192610162
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19261016
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19261016
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-10
- Tag 1926-10-16
-
Monat
1926-10
-
Jahr
1926
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 16.10.1926
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Nr. 4-7 Seile 4 — »Dresdner Nachrichten* — Sonnabend. IS. Oktober 192- OerMches und Sächsisches. Wahlbarlelen — einsehen! Dt« Wahlkarteien der Stadt Dresden liegen nur noch bis mit Sonntag. am heutigen Sonnabend von mittags 13 Uhr bis abends 8 UHr und am« Sonntag von vormittags 10 Uhr dis nachmittags 6 Uhr, aus. Die nnSlegestellen befinden sich in -er Hauptsache in den Wachen der StadtbezirkStnspek- tionen. Bei gröberer Ausdehnung der letzteren sind mehrere AuSiiegcstellen eingerichtet. Die Stelle, ivo jeder Wähler seine Wahlkartet einsehen kann, ist aus den Bekanntmachungen zu ersehen, die an den öffentlichen Anschlagtafeln innerbalb der Auslagestellen angebracht sind. SS empfiehlt sich, dringend von dem Rechte der Einsichtnahme nidglichst allseitig Gebrauch zu machen, da die Karteien sonwhl als Unterlage sitr die Landtagsu.»al>Ien >rm 81. Oktober als auch für dir Stadtver» ordnetenwahleu am 11. November Gültigkeit haben. Iver bann aus Wahlschein stimmen? Nach 8 10 der Lan-eSwahlordnnng vom 6. Oktober 1V36 kann auf Antrag einen Wahlschein erhalten: l. ein Stzahlberechtigter. der tn eine Wählerliste oder Wahlkartei eingetragen ist. 1. ivcnn er sich am LEahltage nährend der Wahlzeit aus zwingenden Gründen außerhalb seines Wahl bezirks aushält: 2. wenn er nach Ablauf der Einspruchsfrist (17. Oktober 1926! seine Wohnung in einen anderen Wahlbezirk verlegt: 3. wenn er infolge eines körperlichen Leidens oder Gebrechens in seiner Bewegungsfreiheit behindert ist und durch den Wahlschein die Möglichkeit erhält, einen für ihn günstiger gelegenen Wahlraum auf zusuchen: II. ein Wahlberechtigter, der nicht in eine Wählerliste oder Wahlkartei eingetragen oder darin gestrichen ist. 1. wenn er nachweist. dass er ohne sein Berschulden die Einspruchsfrist jvom 10. bis mit 17. Oktober 1926) versäumt hat: 2. wenn er wegen Rubens des Wahlrechts nicht ein getragen oder gestrichen mar. der Grund aber nach Ablauf der Einspruchsfrist >17. Oktober 1926> iveg- gesallcn ist: 3. men» er nach Ablauf der Einspruchsfrist >17. Oktober IO.'«i> seine» Wohnort nach Sachsen verlegt hat. Den Grund zur Ausstellung eines Wahlscheines hat der Antragsteller auf Erfordern glaubhaft zu machen, lieber seine Berechtigung, den Antrag zu stellen und den Wahlschein in Empfang zu nehmen, must er sich gehörig auSweisen. Anträge auf Ausstellung von Wahlscheinen für die in der Stadt Dresden wohnhaften Wähler können in der Beit vom 20. bis mit 29. Oktober 1026. an den Wochentagen von vor mittags bis nachmittags 2 Uhr bei dem Wahl- und L i st e n a m t e, Neues Nathans, Ringstraße 10, im Lichthof, schriftlich oder mündlich angebracht werden. Der Dezirksausschuh des Kleinhandels von Dresden und Umg. Nahm in seiner unter dem Vorsitz des Stadtverordneten Ab mann abgehaltenen Vertretervcrsanimlung zur Frage des städtischen Zuschlags znr Gewerbesteuer Stellung. Gerade für die mittleren und kleineren Gewerbe treibenden enthält das neue Gcwerbesteuergesetz eine härtere Belastung als die bisherige Gewerbesteuer: deshalb hat sich der Bezirksausschuß entschieden siegen Erhöhung des städtischen Zuschlags über 100 Prozent ausgesprochen. Es must eben, wie der ReichSnnauzminister kürzlich in Dresden auS- gesührt hat, auch in den Gemeindeverwaltungen allersparsamste Wirtschaft gehandhabt werden, so daß die übermäßigen Steuer- zuschläge entbehrlich werde». Die Steuerbescheide für die Einkommensteuer bringen vielfach unliebsame lleberraschungcn insofern, als die Einkommensteuer-Erklärungen durch die Schätzungen erheblich überschritte» sind. Als bestes Mittel gegen falsche Steuer einschätzung empfiehlt der Bezirksausschuß allen Kleinhänd lern. auch den kleinsten Betrieben, die Einführung einer ord nungsmäßigen, wenn auch noch so einfachen Buchführung, die zugleich die beste Kontrolle darüber ist, ob der Betrieb rationell ist und den Inhaber ernährt. Um den Betrieben, welche entweder aus Mangel an Zeit oder aus andere» Gründen nicht in der Lage sind, eine richtige Buchführung sich anzulegen, hierzu behilflich zu sein, hat der Bezirksausschuß beschlossen, ähnlich wie dies im Handwerk und an anderen Stelle» sich bereits gut bewährt hat, eine Buchstellc einzurichten. Der Bezirksausschuß, der für freie Wirtschaft und eine ge sunde Konkurrenz eiutritt, bekämpft anderseits ebenso scharf alle unlauteren Auswüchse der Konkurrenz. Zur Prüfung von Maßnahmen zur Bekämpfung der PreiS- schleuderei in Markenartikeln wurde eine Kommission eingesetzt^ Schließlich beschäftigte sich di« Sitzung noch mit dem Ueber- handnehmen der I a b r t k f t l t a l e n, eine Erscheinung, welch« die ernste Aufiuerksamkeit de» selbständige» Kleinhandel» er» fordert. — Rückkehr Dr«»d«er Sinder. Die tn Bad Tölz zur Erholung untergebrachten Dresdner Kinder treffen am lS. vk- tober, avendg 11H0 Uhr, auf dem Dresdner Hauptbahnhof ein. Dt« Angehörigen der Kinder werbe» ersucht, btefe zur genannten Zeit auf dem Hauptbahnhofe abzuholen. — Reu« Briefmarke». Die RetchSdruckeret wird tn den allernächsten Tagen mit der Liefern,rg der seit geraumer Zeit angrkündigten neuen Postwertzeichen beginnen, die bekannt- ltch Bildnisse berühmter deutscher Männer tragen. Für die niederen Werte bi« zu 30 Pf. wurden Bild- ntsse Goethes. Schiller», Friedrichs de» Großen, KantS und Beethovens bestimmt. — Personcnschissahrt. Am Montag beginnt ein neuer Fahrplan, der trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit immer noch sehr geeignete Verbindungen auf der ganzen Strecke aufwetst. Der LuxuSdampfer „Dresden* verkehrt täglich bi» aus weiteres um 11 Uhr vormittags von Dresden nach Rathen und znrück. Frachtgüter werden an allen Stationen zur schnellsten vesörde- rung übernommen. Aus di« angenehm gehetzten Kajüten sowie aus die billige Verpflegung sei noch besonder» htngewiesen. — Vom städtische» Planetarium. Der vergangene Sonn tag bracht« dem städtischen Planetarium den bisher stärksten Besuch. Neuerdings kommen auch ganze Schulen von auS- loürts zu Sonderoorfübrungen. DaS Programm,^er Himmel der Heimat* findet nach wie vor ungeteilten Beifall und soll deshalb einstweilen noch bestehen bleiben. Nach Schluß der diesjährigen Jahreöschau ist daö Planetarium nur noch von der Stttbelallee ans zugänglich. — Milchkonservierungsmittel „Milchsreund*. Seit einiger Zeit wird tn Handzetteln und anderen Druckschriften ein alS „Mi Ich freund* bezeichnet«» chemische» KonservterungS- mittel zur Verhinderung -es Sauerwerdens der Milch rmp- fohlen. Das Wohlfahrtspolizeiamt weist darauf hin. baß nach der Bekanntmachung über den Verkehr mit Milch vom ö De- zcnnber 1912 jede Milch, der ein chemisches KonservlernngS- mittel zugesetzt worden ist, nicht verkauft werden bars. — Das Praktikum des Verbandes für Jngendhilfe mit seinen bahnbrechenden Formen für gegenseitige Aufklärung und Belehrung aus dem Gebiete der Jugendfürsorge findet erfreulicherweise wieder allseittges Interesse. Die Teilnahme an diesem hochschulmäßigen Kursus ist jedem zwanglos und unentgcltltch gestattet. Die Vorträge mit anschließender un- kurzer Aussprache finden jeden Dienstag ö Uhr im alten Stadtvervrdnetensaal, Landhausstr. 7/0, statt iHoseingangj. In der Eröffnungssitzung am Dienstag, dem lü. d. M., werden sprechen: Präsident Dr. Becker Uber „Die elterliche Gewalt während der Sh« und nach erfolgter Scheidung* und Amts- gerichtsdircktor Dr. Neumann Uber „Wenn der Vater ge- storben ist*. Anmeldungen zur Teilnahme werden erbten an die Geschäftsstelle. ZirkuSstr. 8, 1.. Fernsprecher 18274. — Unterstütz,,ngscinrichtungen im Deutschen Bank» beamten-Verein. Aufsichtsrat und Hauptverwaltung beS Deutschen Bankbeamien-VereinS haben kürzlich beschlossen, für die ordentlichen Milglieder der Vereinigung ein H i n l e r b l i e b e n e n g e l d einzuführen. Die bedeutsame Erweiterung der Unlerstützungseinrichtumg soll mit dem l, Januar 1927 in Kraft treten und wird sämtliche ordentlichen Mitglieder obligatorisch einsch>licßen. DaS beschlossene Sterbe- geld ist höher bemessen, als es bei ähnlichen Organisationen üblich ist: cS ist in sieben Klassen gestuft, beträgt nach drei Jahren 200 Mk. und steigert sich nach dreißig Jahren auf >000 Mk, Mit der Neuerung ist ad 1. Dezember eine Bei- tragserhöhung von öO Pf. verknüpft. — Dienftsubiläam. Heute sind e» SO Fahre, baß der Einkäufer Johannes Schulze Im Maarcn-Einkaufö-Bercln zu Görlitz, Zwelg- ntedcrtassulia Dresden, tüttg ist. — Dresdner Volksbühne. Opernhaus: Sonnrag >17.1 2989 bi« «11». Montag 80,4 bi« 8101. Mittwoch 8102 bis 8211, Sonnabend 8213 bi« 8821. Sonntag ,24.1 8822 bis 8387. MonMg >250 8888 bi» 3482. — Schauspielhaus: Sonntag >170 778 bis 878, Montag 874 bi» 9:16. Dienstag S37 bis S84, Mittwoch 6821 bis 8883. Donners- lag 982 bi» 1404. Sonntag >340 1405 bis 1284, Montag «220 1282 bi» 1847. — Tie Komödie: Sonntag N70 5941 bis 2080, Montag El bis 8020, Dienstag 6021 bi» 80«i0. Mittwoch 8081 bis 8100, Donnerstag 6101 bis 8140, Freitag 8141 bi» 6180, Sonnabend 8181 bis 8220, Sonntag «240 »221 bi» 6260, Montag >250 8281 bis 680«. — A l b e r t - T h c a t c r : Montag, den 12. Oktober, )48 Uhr Vollvor» stcllung. Ansgcrufen« Nummern: 821 bis >000 und 688t bis 6250. — DaS nächst« Stnsontekonzert findet Mittiooch, den 20. Oktober, 7!4 Uhr, im Gcwerbebau» statt. Leitung: Generalmusikdirektor Mürike. Mitwirkung: Ros« Walter lverlinl, Stefan Frenkel, Timon Goldberg. — T-ie Mitglieder werben dringend ersucht, ihre Pflichtveranstaltungen z» besuchen, Freier Kartenverkauf für Mit glieder in der Geschäftsstelle. Schioststratze 34/86, 11 bis 8 Nhr, sowie an der Abendkasse. Für Nichtniitglieder mir bei Ries, Seestratz« 21, sowie an der Abendkaste. Ausgerusene Mitglieder: Nr. 2001 bis 2200 und Anrecht tz. — StühnenoolkSbund. OvernhanS: Dienstag Gr. 2 Nr. 101 bi» 280, Donnerstag Gr. 3 Nr. 2«l bis 800, Gr. I Nr. 2126 bis 2190 und 4701 bis 4872. — Schauspielhau»: Freitag Gr. 1 Nr. 4176 bis 4700. Sonnabend Gr. 1 Nr. 4801 bi» 4472. — Albert-Theater: Montag «180 Gr. 1 Nr. 2281 bis 2200, DienStag Gr. 1 Nr. 1421 bi« 1200 und 8221 bi» 8800, Mittwoch Mr. 1 Nr. 4801 bi» 4900 und 1 bi» 800, Donnerstag Gr. 1 Nr. 8301 bis 3600. Freitag Gr. 1 Nr. 8601 bis 4000, Sonnabend Gr. 1 Nr. 601 bis 1000, Sonntag abend >240 «r. 1 Sir. SOI bl» «00. Für Nestdenz-Tveater und «om»dte g», »« «»«ötztgte Karten gegen vorherig« Lösung eine» Gutscheine« t» »er Geschäftsstelle Marichallstr. ». Donnerstag, de« «. Oktober, vegiiw der Kutzschbach-Adend« i« Köntg-Deora-AymelaNum, g-iedlerplatz, 7 Uhr. Für Sonnabend und Sonntag stehen den MttgNedern Karte« für da« «lbert-Theater zur Verfügung. Im Vorübergehen. Die Hemmungslose«. Jeder Mensch, der etwa» aus sich hält, hat seine Hemmun. gen. Sie verhindern ihn tm gegebenen Moment, da» zu tun, was er vielleicht gerne möchte. Manchmal hängen Hemmungen eng zusammen mit dem »Genieren* und dem »Peinlichen*, Was etwa tust du, verehrter Leser, wen« dir tn Gesellschaft eine Suppe mit delikaten Gchwemmklößchen oder Nockerln vor- gesetzt wird, von der du. nachdem du den ersten Lössel voll zum Munde geführt hast, zu deinem Entsetzen fcststellen mußt, daß sie siedend heiß ist? Aller Wahrscheinlichkeit nach wirst du einen hochroten Kopf bekommen, wirst die Suvpe nebst Slöß. ch«n verzweifelt tn deinem Munde herumwälzen und deine Zunge zu Wellfleisch werden lassen, aber du wirst da» Obiekt deiner Qual nicht kurzerhand auf den Teller zurttcksallen lassen. Du hast eben Hemmungen, die sich im Genieren au», wirken. Nur ei« bekannter englischer Gelehrter soll darin eine Ausnahme gemacht haben. Bei einem großen und hoch, offiziellen Festessen hatte er da» Pech, auch so einen höllisch beißen Lössel Suppe in den Mund zu bekommen. Statt aber, wie daö andere, weniger große Geister getan haben wllrdkn, sich Zunge und Gaumen zu verbrennen, ließ er die Suppe ohne weiteres aus seinen Teller zurücksprudeln und sagte: kool vvonick Ix»ve svallovvcä it aock kuinl tri» tliroot.* jEjn Narr würde eS heruniergeschlnckt und seinen HalS verbrannt haben.! Unter unS gesagt: wenn du ein Mann von weltbekanntem Namen bist, kannst du dir solche Hemmungslosigkeit leisten: man wird dich ob dieser Ungenicrtheit bewundern, sich darüber freuen und sie als Geistesgegenwart anSlegen. Versuche e» aber um Gottes willen nicht, wenn du et» gewöhnlicher Sterb licher bist! In diesem Falle wird man dich einfach für eine» geseUschaftSunsähige» Mensche» halten. Angesicht» der zahlreichen Hemmungen, die unS täglich und stündlich in ihrem Banne halte», ist eö beinahe erfreulich, «u sehen, daß es auch Hemmungslose gibt. In einem gut bürge» lichen Restaurant sitzt neulich in meiner Nähe ein Mann, dem man schon von weitem ansieht, daß er keine Hemmungen kennt. Er trägt einen viel zu weiten Kragen, sicht sich aber trotzdem so selbstsicher im Kreise um, als sei er ein kleiner Mussolini. Am Schlüsse seiner Mahlzeit, die er mit vielem Geräusch zu sich genomme» hat, zieht er mit der harmlosesten Miene von der Welt ein durchseileies Papier aus der Tasche und packt c» vor aller Augen aus. ES enthält Käse — seinen Nachtisch. Ebenso harmlos zieht er ein umfangreiches Messer aus der Tasche, iwahrscheinUch eine Reliquie auö dem Völkermorden), klapp! eS mit hörbarem Knacken auf und säbelt ein Stück seines Käses ab. Dabei wieder dieses selbstsichere Umsichbllcken. Wie ich de» Mann um seine schöne Selbstsicherheit beneide! Nur — Ich kann sie nicht nachmachen. Weil ich Hemmungen habe. Aber es kommt besser! Nachdem mein Mann seinen Käse zermalmt hat. schneidet er sich aus einem Streichholz einen Zahnstocher und stellt damit ausgedehnte Bohrungen in seinen Kauwerk zeugen an. In der breitesten Oeffentlichkeit . . . Nun muß ich aber doch weggucken Am Gebrauch des Zahnstocher- tn der Oeffentlichkeit also erkennt man die Hemmungslosen. Man trtsst sie heute überall an. Besonders in den Speisewagen der Eisenbahn. Gewiß ist eS peinlich, wenn so ein Stückchen faseriges Fleisch zwischen die Zähne fährt sbesonderS wenn sie vom Zahnarzt stammen!!, darf man ihm aber sofort mit der Waffe des Zahnstocher» zu Leibe gehe»? Nein, man darf eö nicht: man muß warten - wenn man Hemmungen hat — bis zum Moment dev Allein- seins. Manche der heutigen Gäste der Speisewagen haben so- gar die freundliche Gewohnheit, ihren Zahnstocher halbe Stirn- den lang wie einen Spieß aus ihrem Munde ragen zu lassen, oder sie schieben ihn behaglich ans einem Mundwinkel in den anderen. Und wenn sie dann endlich, mit der Miene eines Mannes, der sich seines Wertes bewußt ist, ihren Platz ver- lasse», behalten sie daö fürchterliche Instrument noch im Scitengange im Munde, damit man auch sehe, baß sie gut ge gessen haben. In einer Berliner Zeitung fauch ein Zeichen der Zeit!! erschien vor einiger Zeit ein spaltenlanger Artikel, der sich lediglich mit dem Zahnstocher befaßte. Der ästhetisch an scheinend sehr feinfühlige Verfasser hat eine Reihe Berliner Lokale durchwandert, »m sestzustcllen, ob sie mit Zahnstochern auSgcstattet seien. Tadelnd bemerkt er, daß sie tn verschiedenen gefehlt hätten. Ich werde mir die Adressen dieser Lokale geben lassen. ^ X- vie pr»88enäe Krille r»»lcke äugenunterauchung. tzneiter »Iler Systeme Vipiom-Opliker 0DS9HIH ^ tztzlluckruttvr Sir. 4». gegenüd. (len ls»mmer-l.icht»plel«n. Daniel Chodowieeki. Zu seinem 260. Geburtstage — 16. Oktober. Der „wackere" Ehodowiecki heißt er bet Goethe — ein äußerst treffendes Werturteil: er ist ein sehr wackerer, sehr tüchtiger Zeichner und Maler gewesen, aber kein Genie, kein Titane. Und dennoch ragt er ans seiner Zeit hervor und hat für seine Zeit Bedeutendes geleistet. Deutschland war damals nicht reich an Künstlern: eS fing überhaupt erst wieder an. sich langsam von den furcht baren Wunden zu erholen, die ihm der Dreißigjährige Krieg und andere Kriege mehr geschlagen hatten, materiell, geistig Unkulturen. Es batte ja schon eine Blütezeit deutscher Kunst gegeben — das waren die großen Tage DnrerS und HolbcinS gewesen: damals hatte auch Peter Bischer, der Bild hauer und Gießer, gelebt, und ein bedeutender Dichter war der Schuhmacher Hans Sachs gewesen. Aber das allez war dann verschwunden. Nun erholte man sich langsam, und Wissenschaft und Kunst begannen wieder ihre Rechte zu for dern. Friedrich l. hatte sogar eine Akademie der Künste ge schaffen i1694!, wer aber waren ihre Leiter? Nur Ausländer: der Holländer Terwesten. die Franzosen Pesne und Lesneur, und der erste Deutsche Christian Bernhard Rode war in seiner Malwctse auch durchaus Franzose, ein bedeutender Rokoko künstler. Der erste wirklich deutsche Akadcmiedirektor, der deutsch empfand und deutsch malte, wurde Daniel Ehodowiecki. Als er zum Akadenttedircktor berufen wurde, war er schon 70 Jahre alt. In Berlin und an der Akademie tätig war er indessen schon seit langem gewesen: denn schon tn jungen Jahren war er von Danzig, wo er am 16. Oktober 1726 geboren wurde, in die preußische Hauptstadt gekommen, als Kaufmann: er hatte bereits beim Vater die Miniaturmalerei erlernt und hierin ganz Niedliches geleistet. In Berlin hat er sich dann weitcrgebildet und sich nach Aufgabe des Ka»f- mannSberuscs ganz der Kunst, besonders der des Zeichnens und Nadierens. gewidmet, und zwar mit solchem Geschick, daß er die Aufmerksamkeit der Akademie erregte. In ihrem Auf trag fertigte er die Bilder zu dem von ihr hcrauSgcgebcnen Kalender i1736j an, und damit wurde er nun sehr bekannt. Er ist außerordentlich fleißig gewesen — die Zahl seiner Blätter wird ans 3666 geschätzt —, und es erschien, kann man sagen, kein besseres Druckwerk, zu dem er nicht die Vignetten geliefert hätte. Kein deutscher Dichter von damals von irgend- welcher Bedeutung fehlt unter seinen Illustrationen: Lessing, Wieland, Schiller. Boß. Bürger sind nicht minder vertreten wie Geliert, Kotzcbue, Koscgartcn und Friedrich der Große. Und selbstverständltch fehlen auch nicht die Großen deö Aus- landcs: Shakespeare. Goldsmtth. Sterne. Voltaire. Cervantes. Chodowieckis Zeichnungen — und sie überragen seine Oel- bilder, deren er auch nur wenige geschaffen hat — zeigen im Gegensatz zur herrschenden Modo durchweg deutsche Auf fassung. deutsches Lebe». Watteaus und Bouchers Rokoko kunst, die bis dahin auch in Deutschland die allein maßgebende »mr. hat er nur tn ganz jungen Jahren gepflegt. Dann ver. läßt er diese Bahn und wählt deutsche Stoffe, wählt eine eigene DarstellungSwetse, die realistische. Er nimmt vor wiegend daö kleinbürgerliche deutsche Familienleben zum Borwurf. In dies kann er am besten sein Herz hinetnlegen, sein weiches, sinniges Empfinden, hier kann er seinen Humor walten lassen und ihn öfter gar mit Spott »nd Satire ver mischen, die aber stets etwas Gutmütiges in sich bergen. Er ist ein treffender Sittenmaler seiner Zeit gewesen, ein wahrer, scharfen Beobachter, dem nichts vom phantastischen Rokoko an- haftet, der die Welt mit realistischem Auge anschaut und das Augcschaute realistisch treu und wahr wiederzugeben versteht. Und da er am liebsten beim Einfachen, Alltäglichen verweilt, so kann man ihn mit Recht als den ersten deutschen realistischen Geiiremaler jener Zeit bezeichnen. ES seien cniS dem großen Schatz seiner Schöpfungen nur ein paar der köstlichsten hcranSgegriffen. wie „Die Wacht- parade in Potsdam". „Die Kinderstube", „Lebenslauf einer Nuhlschwcster", „Leben eines Liederlichen*. „Hciratsantrcigc". „Totentänze". Man gehe auch nicht ganz an seinen Oclbildern vorüber: das Berliner Katscr-Friedrich-Musenm besitzt deren mehrere, die vollste Beachtung verdienen. Deutsches Familien leben, und zwar da, wo es sich am innigsten und zartesten enthüllt, spiegelt seine „Familtenszcne" wider, die die junge Mutter an der Wiege zeigt. Das sind Szenen, bei denen er gerne weilt: denn ganz AchnltcheS sehen wir auch tn seiner .LLochenstube* und seiner „Wöchnerin". Sehr sprechen» und dramatisch wirksam ist sein „Abschied deS CaiaS", dav ist jener angesehene französische Bürger, der ans rein reli- giösem Fanatismus des Mordes an seinem Sohn — dieser hatte Selbstmord verübt — angeklagt und aufs Schafott ge bracht wurde: erst auf Betreiben BoltatreS wurde der Prozeß noch einmal ausgenommen, und nun stellte sich seine völlige Unschuld heraus, für ihn sa zu spät, aber seiner Familie wur den wenigstens die konftSzterten Güter znrückgegcben Cbo- dowiecki ist auch ein guter Porträttst mit feiner Charakteristik gewesen, das zetgt z. B. das Porträt de» VaderS non Nahes von Barnhagen. Wenn jetzt zu seinem 266. Geburtstage das Märkische Museum in Berlin eine Gedächtnisausstellung ver anstaltet, -er andere Museen und der PrivaiVcsitz Zeichnungen und Radierungen tn großem Maße zur Berfügnnq gestellt haben, so entspricht dieses durchaus dem Werte deS Künstler». Dr. Leonhard Hutten. Kunst unß Wissenschaft. PaMei as Derkragsadschlich mit Berlin. Kammersänger Pattiera hat nunmehr, wie er selbst unS telephonisch mittcilt, gestern. Freitag, nachmittags um 2 Uhr im preußischen BolksbildungSministerium seinen neuen Ver trag mit der Berliner Oper unterzeichnet. Dieser Vertrag bindet ihn für drei Jahre jeweils acht Monate <66 Abende! an die Berliner Oper. Zwei Monate bleiben für auswärtige Gastspiele frei. Pattiera ersucht unS, besonders zum Ausdruck zu bringen, daß er der Erfolge, die ihm Publikum und Kritik in Dresden bereitet haben, dankbar gedenke: ebenso der an- genehmen Zusammenarbeit mit Generalmusikdirektor Busch und Generalintendant Nenckcr. Diese hätten getan, was in ihrer Macht stand, um ihn in Dresden zu halten. Nein private Gründe aber seien für ihn so zwingend gewesen, seinen Wohn» sitz nach Berlin zu verlegen, daß er sich unter keinen Umstünden ihnen länger habe verschließen können. * Soweit Pattiera. Damit ist für die Dresdner Oper der bedauerliche Zustand eingctrcten, den wir im vorgestrigen Abendblatt in -cm Artikel „Tenordämmcrung in der DreS- dener Oper" besprochen haben. Er hat sich sogar noch etwas verschärft, denn wenn Pattiera nur zwei Monate lang für auswärtige Gastspiele vcrfügbgr ist. werden für Dresden bestenfalls kaum zwanzig Vorstellungen abfallen. Daß Pat- tiera nicht aus künstlerischen Gründen von Dresden wcggehl, »nd daß anscheinend alle» geschehen ist, ihn hier zu halten, ist bet diesem negativen Resultat ein schwacher Trost. Man kann nun mir wünschen, daß wenigstens Innerhalb der ver fügbaren Gastspielzett Pattiera nach Möglichkeit für Dres dener Abende gewonnen wird. Fm übrigen sind ja drei Jahre keine Ewigkeit: vielleicht findet Pattiera doch später wieder den Weg bauernd nach Dresden znrück, das er al» die eigentliche Gcburtsstätte seines Ruhme» nicht vergessen wird. s Dresdner Theaterspiclpla« für heute. Opernhaus: „Die Hochzeit de« Figaro* s?!. S ch a n s p > c l H a n » : „DaS Grabmal des »nbekannien Soldaten" s^»!. Albert- theaIcr: „Die Glatze und der Bubilops" ssl»!. Residenz- theater: »Die lustig« Witwe" Die Komö-ter
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