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71. Jahrgang. ^ 487 Sonnabend, II. Oktober 1128 DradlenIchrM- »achrtchi», Lre,»«. F«nI^»ch«r-Samm»Inumm»r! 2S 2X1. Nar Mr «achl,»sprich»: SO Oll. vom IS. dt, 3I.VKIod»r 1826 bei liigllch,w«im»Itger tzustelluna Ire! üau» 1.60 Mk. ^"a»19->'''21LVUl1k P,ftd»zug»pre>» IUr Monal Oktober r Mark okn« PosIzust«lIunk,»gedUhr. tklnjrlp»««er IO Vlrnntp. Dl« Anzeiaen w»rd«n nach «oldmar» derechnel; die etnlpaltlg» 30 mm dreil» Anzelgen-Preise: aukerdalb! l„ IUr auswärls 36 PIg. Familienanzeigen und Slellrnaeluchs ohne Isg.. auherhaid 20 Psg„ die AI mm dreil« Reklame,eile ISO Psg., 3 PIg. Offertengedükr lO Pfg. Au»w. Auliriige geg. Vorausbezahlung SchrillieUunq und KaupIgelchLIIsslelle: warlr»ltr«b» 3S »2. Druch u. Verlag von Uleplch » Relchardl In Dresden. Poftlchech-Konlo 1OSS Dre»»«». Nachdruch nur mil d«ullich»r Quellenangabe 1,Dresdner Nachr.-> zulällig. Unoeriangle Schriullurke werden nirhl auibewahrl. .>UN.I,I,.U.IIttUIUIIIUIII.11I»M»„MIIIIIIIII,N»Ii.INIIIIN»IIM» In «>«n n«u »u«S«»»aNnIvn Mlumvn ! r > »I I I o «H ri»orrre,iree»sM l^»n»-l^»» MM»«EzNM«»ee«NENeEieMM>IliIIIUIIIiIiit»M»Mt«N«e«»«NMN>«IMMII»^i-iNit«>tttEINNIiiiiW«iAIiI,I ilirNIIMMMitii^^ Annahme des Hohenzollerv-Bergleiches. Das kommunistische Mißtrauensvotum gegen die preußische Regierung abgelehnk. Formelles Dementi -er Desahungsvermmderung. — Das Wiener Kabinett zuriickgelrelen. - Verschärfung -es Streikes in England. Das Abslimmungsergebnls. <D u r ih F u n k s p r u ch.s verlj«, 1b. Oktober. Nach fast vierstündigem Ab- stimmnngskampse wurde am späten Nachmittag im Preußischen Landtag die Hohen, ollernvorlage in der Schlnß- abstlmmnng mit großer Mehrheit angenommen. Die Abstimmung ergab 258 Ja- gegen 81 Nein-Stimmen bei IS Stimmenthaltungen. Das kommunistische Mißtrauensvotum gegen das Gcsamt- ministerium wurde mit 2l>2 gegen 44 Stimmen bei 1l8 Stimm enthaltungen der Dcutschnationale« Bolkspartei, der Deutschen NolkSpartei ««- des größten Teiles der WirtlchaftSpartci ab- gclehnt. Kan-gemenge un- Fauslkämpse. Das vom Vizepräsidenten Garnich verkiindete zahlen mäßige Abstimmungsergebnis war im einzelnen nicht zu ver stehen, weil der ohrenbetäubende Lärm der Kom mun Ist en alles tibcrtönte. Die Tribtinenbcsncher mischten sich setzt in de« allgemeinen Radau rin und senertcn durch Zurufe die Kommunisten zu immer erneuter Schrciaktivität an. Schließlich kam eS vor dem Rednerpult z« einem Handgemenge zwischen kommunistischen, volkspartcilichcn und dcntschnatio- nalen Abgeordneten. Man sah jedoch weiter nichts als einen wirren Knäuel sich balgender Männcrge st al ten, die wie wild mit den Fäusten auseinander einhiebcn. Obwohl losort eine große Anzahl von Abge ordneten aller Parteien nach dem Kampfplatz stürzte, ge lang eS nur sehr schwer, die Kämpfenden auSeinandcrzu- bringcn. Einige Kommnnistcn, die ihren Freunden zu Hilfe kommen wollten, sprangen auf die Ränke und rannten aus diesen znm Schauplatz der Faustkämpsc. Der Vizepräsident Karn ich war vollkommen machtlos und kündigte durch Ver lassen seines Präsidentenstuhles an. daß die Sitzung unter brochen sei. Sofort sprang der kommunistische Abgeordnete Pieck aus das Rednerpult «ud richtete an die Tribüncn- bcsucher und au das Haus eine Ansprache, in der er von einem Schmach- und Lchandvcrtrag sprach. Aber auch seine Ausführungen gingen in dem tobenden Lärm verloren. Run versuchte der kommnnistischc Abgeordnete Eaiper, seinem Freunde Pieck Hilfe und Ruhe für seine Ausführungen zn schassen, indem er die große P r ä s i d c n t c n g l o ck c vom Präsidententisch hernntcrriß und mit ihr ein minutenlanges Klingelkonzert veranstaltete. Der sozialdemokratische Präsident Vartcls, dem dieses Treiben denn doch zu bunt wurde, schickte einen Diener gegen den Abg. Easpcr vor, der diesem die Glocke abnchmen sollte. Gleichzeitig mit dem kommunistischen Glockcnschnnnger schwang der Präsiden« die Er satzg locke, jedoch konnte er mit dieser nicht viel ansrichtcn, da sic im Klange weit schwächer ist als die Originalglockc. Er verkündete nun mit dem Auf gebot aller Stimmkräfte, baß der Abg. Easper ausgeschlossen sei. Die Kommnnistcn nahmen nunmehr sofort Front gegen den Präsidenten VartclS und drohten ihm mit Zurufen und erhobenen Fäusten. Auf ihre Offensivlust deuteten bereits Aktenbünbel, die nach dem Präsidenten flogen. I« dem alles iibcrtönendcn Radau, den die Kommunisten veranstalteten, war kein Wort von dem zu verstehen, waö der Präsident von seinem Tisch a»S sprach, nm so weniger, als sich nun auch die Tribüne mit der vollen Kraft ihrer Lunge in das allgemeine Radaukonzcrt cinmischtc. Kriminalbeamte versuchten, kommunistische Tribüncnbesnchcr hinanszusühren, die vcrsnchtcu, Ansprachen an das Hans zu halten. ES ge lang den Kriminalbeamten schließlich, sic von den Tribünen hcruntcrzndrängc». Die kommunistischen Abgeordneten begleiteten die Räumung der Tribünen mit einem wahrhaft trommclsell- sprengcnocn Lärm. Auch ans dem Flur kam eS noch zu stürmischen Anftriltcn zwischen den Kriminalbeamten und den von den Tribünen entfernten Vesnchern. Erst nach langer Mühe gelang cs. die sich ständig widersetzcndcn kommunistischen Tribüncnbesnchcr aus dem Landtagsgcbäudc hcrans- znschasfcn. Nach dem Nadankonzcrt, daö in der Krakcclgcschichtc des Preußischen Landtages bisher unerreicht dasteht, und das etwa 15 bis 20 Minuten in Anspruch nahm, gelang cs dann all mählich. die sachliche Arbeit wieder in Fluß zn bringen. Nachdem die Sitzung längst geschlossen war, tobten einige ganz besonders wilde Kommunisten im SitznngSsaalc herum und brüllten ihr „Nieder gegen den Vergieichsvorschlag mit dem HohcnzvNernhanse!" <Dcr Sitzungsbericht befindet sich auf Seite 3.) Die grotze Preutzenkoalilion erleöigt. Ein Beschluß -er Dolksparlel. Berlin, 15. Oktober. Die Landtagsfraktion der Deutschen Volkspartei in Preußen hat heute de« Beschluß gefaßt, die Verhandlungen über die Bildung der Großen Koalition in Prcnßen alö abgeschlossen zn betrachten, von parteioffiziöser Seite erfahren wir hierzu folgendes: In erster Linie ist für diesen Beschluß maßgebend gewesen, die Behandlung des F a l l e S A b e g g. Ein der Volkspanei befreundeter Staatssekretär wird entlassen, eine ans das schärfste umkämpftc Persönlichkeit wird ernannt, beides, wäh rend schon Verhandlungen schwebten und nachdem die Volks- partci zu erkennen gegeben hatte, daß eine Bereinigung des Falles Abcgg erforderlich scheine und daß ihr in irgendeiner Weise erkennbar gemacht werden müsse, daß Grundlage» siir eine Einigung vorhanden seien. Man hat die Volkspartci nicht einmal einer Antwort über das Ergebnis der Be sprechung des Ministerpräsidenten mit den Führern der Re gierungsparteien gctvürdigt. Rach alledem erscheinen Zweifel berechtigt, ob ans der anderen Seite wirklich ein so starker Wille zu einer Einigung vorhanden ist, daß die zutage tretenden Schwierigkeiten einer Einigung überwunden werden können. Des näheren wir- hierzu initgeteilt: Ministerpräsident Braun teilte am Freitag in einer V-Grcchung mit dem Abg. Dr. W t c m e r Über das bereits bekannte Ergebnis seiner Besprechung mit den Führern der NcgicrunaSpartetcn mit. es habe sich ergeben, daß all« Par te' n grundsätzlich zn Verhandlungen bereit seien, daß aber der gegenwärtige Zeitpunkt dafür nicht geeignet fei. sondern erst der 8. November abgewartct «erden solle — Abg. Dr. Wiemer sprach sein Bedauern auö, daß diese Mitteilungen nicht bereits am Donnerstag erfolgt seien- — Minister präsident Brann erwiderte, daß er infolge Arbeitsüberlastung vorher eine Mitteilung nicht hätte machen können. Das Echo in -er Berliner Presse. Berlin, 15. Oktober. Die Verlautbarung der Frak tion der Deutschen Volkspartci im Preußischen Landtage, wo nach die Fraktion die Verhandlungen über eine Erweiterung der Negierung als abgebrochen ansebe. wird von der dcntschnationalcn Presse begrüßt. Die „Deutsche Tageö- zettu » g" führt den Entschluß der Deutschen Bolkspartei aus die Mahnungen und warnenden Stimmen von rechts zurück, deren gewichtigste die gestern veröffentlichte Entschließung des N c i ch S l a n d b n n d c s gewesen ist. In der „D eutschen A l l g. Z t g." heißt es: Die Be deutung dcS Beschlusses liegt in dem zeitlichen, wohl nicht zn- sälligen Zttsammcntrcsscn mit der Stellungnahme des Reich s- verbandcS der Deutschen Industrie zur Rede Silvcrbergs. Nachdem der NeichSvcrband eS abgclchnt hat, sich irgendwie ans Partcipolitik scstzulegcn. nachdem aber auch bekanntgcworden ist. daß an sich materiell der Gedanke der Großen Koalition von der Mehrheit des erweiterten Vor standes verworfen worden sei, wenn auch in der bekannt- gegebenen Entschließung dem nicht Ausdruck gegeben werden sollte, ist die Große Koalition als reale Möglichkeit der poli tischen Entwicklung im Winter stark verblaßt. In der „T ä g l. N n n d s ch a u" wird bemerkt: Die BasiS, aus der die Fraktion der Deutschen Bolkspartei sich zu Verhand lungen bcreitcrklärt hatte, besteht gegenwärtig nicht mehr. Wie sich die Dinge im November weiter entwickeln werden, muß man abwarten. Tie „Germania" glaubt, daß sich ans die Volkspartei Einflüsse von außen geltend machten. Sicher sei die Ent schließung des N c i ch s l a n d b n n d e s gegen die Große Koalition nicht ohne Eindruck ans die Volkspartci geblieben. Im übrigen könnten die abgebrochenen Verhandlungen jede» Tag wieder neu ausgenommen werden. Der „V o r w ä r t S" schreibt: Mit dem Beschluß der Deut schen VylkSpartei wird unsere Auffassung bestätigt, daß die Volkßpartci mit ihrer Wiederanmeldung nur deshalb cs so eilig hatte, weil sie die Ernennung dcS zuverlässigen Republi kancrS Abegg zum Staatssekretär verhindern wollte. 'I Der Kamps um die Macht im Staate. Die weimaranischen Regierungsparteien itt Preußen, voran die dort allmächtige Sozialdemokratie, haben der be- scheiden an der Koalitionspsorte pochenden Deutschen Volks partci recht grob die Tür vor der Nase zugoworfcn. DaS Problem der Regierungsumbildung im größten deutschen Lande ist damit zum mindesten bis zur Wiedereröffnung dcS Reichstages vertagt und kann erst mit parallel gehenden Bestre bungen im Reiche wieder ausgenommen werden. Es wird wenig Leute geben, die sagen können, daß sic diese Taktik der volks partcilichcn Prcnßcnfraktioii verstehen, lieber anderthalb Jahr hat sic in Opposition zum System Braun—Dcvering gestanden, nm nun auf einmal unter äußeren Vorzeichen, die viel un günstiger sind als alles, was seinerzeit die Deutsche Volks- Partei zum Austritt veranlaßt hat, wieder in die preußische Regierung cinzutrctcn. Trotz der volksparteilichcn Bcreit- schaslscrklärung zu neuen Verhandlungen hatte der zunächst maßgebende Ministerpräsident Braun die kalte Schulter ge- zeigt. Da platzte der Rücktritt Scverings in die endlich zuwege gebrachten Vorarbeiten und schien allen Interessierten einen günstigen Anknüpfungspunkt zn bieten. Aber statt mit de« volkspartcilichcn Führern ins Benehmen zu treten, stellte« die preußischen Machthaber diese plötzlich vor vollendete Tat sachen und verstärkten noch schnell ihre Stellung durch die Ernennung Grzcsinskis zum Innenminister und durch die Ersetzung der einzig übriggcbliebcncn volkspartctlichen Säule im Prcnßenkabinctt. des Staatssekretärs Meister, durch einen ZentrumSmann. Dazu kam eine schnöde Behandlung in der Linkspresse, die vom „Vorwärts" bis zur „Germania" in Kübeln Hohn und Spott über die „Deutsche Bolkspartei als Bettlerin" anSgoß. Trotzdem gingen die Vcrhandlunge» weiter und die Organe der Ncgicrungsparlcien quittierten das mit der Feststellung, daß alle diese Nackcnschläge und Fuß tritte die „Deutsche Sphinx-Partei" ans ihrem Marsch zur Großen Koalition nicht beirrt hätten. Es folgte schließlich die verschleierte Absage der Sozialdemokratie, die überdies» weit entfernt, der Volkspartci acbührcnden Einfluß ans die RcgicrnngSführniia cinznränmcn, von ihr Wohlverhaltcns- garaniicn im preußischen Bund forderte. Nicht nur ernst zu nehmende volksparteiliche Organe waren befremdet über die Schwäche der Parteisührnng in Preußen: auch eine so ge wichtige wirtschaftliche Organisation wie der Reichslandbund hatte ihr bereits offen seine Mißbilligung znm Ausdruck ge bracht. Es ist deshalb anzunchmen, daß die bitteren Lehren der letzten Wochen und die jetzige Stockung in den Verhand lungen zn einem -Halt in dem volksparteilichcn Linksabmarsch in Preußen, vielleicht auch im weiteren Verlauf der nunmehr latenten Krise zn einem Wiederaufbau der voreilig ab gebrochenen Brücken nach rechts führen werden. Nm den rechten Weg zu finden, gilt es vor allem, sich darüber klar zn werden, was ans beiden Seiten mit den jetzt abgebrochenen Manövcrbcwcgnngen bdzweckt wurde. Daß das stark nach links tendierende preußische Zentrum und auch die dortige Demokratie den Eintritt der Bolkspartei als Kulisse für ihre Weimarer Politik gern sehen würden, liegt ans der -Hand. Anders die Sozialdemokratie. Sie fürchtet, in ihrer rücksichtslosen Partei- und Pcrsonalpolitik durch den volkspartcilichcn Anhang doch erheblich gehemmt zu werden, und möchte, je länger, desto lieber, das -Heft allein in der -Hand behalten. Zivar können infolge der Schwäche der preußischen Regicriingskoalition wirklich große Aufgaben ohne Mitlirbeit der Rechten, znm mindesten der Deutschen Volkspartei, nicht erledigt werden. Man denke nur an die dringende Notwendigkeit der Verwaltnngsreform, der Reform der Selbstverwaltung und der Finanzresvrm, an deren Durchführung die Regierung Brnun immer vorsichtig vorbci- gcschlichcn ist. Aber solche staatSpvlitischc Bedenken scheren einen sozialdemokratischen Staatsmann wenig, wenn eS gilt» sich und die Partei an der Macht zn erhalte». Und die Macht in Preußen ist, das wissen die Genossen nur zu gut, der Angel punkt zur Ausübung der Macht im Reiche. Daher kam eS ihnen in den jetzigen Verhandlungen vor allem darauf an, die Bolkspartei trotz aller Unfreundlichkeiten an ihre Adresse mit einem Zukunstswcchsel von der Zustimmung zu dem Miß- traucnsantrag abzuhaltcn, der Im Landtag von den Kom munisten gegen den neuen Innenminister eingebracht ist. Denn wenn der „Pickbube", das heißt die kommunistische Manlvpposition. eine vollwuchtige Unterstützung durch bte racle Unterstützung der Volkspartei erhalten hätte, bann wäre die Prcuftcnregicrnng in arge Bedrängnis gerate«». War aber diese Klippe glücklich umschifft, bann konnten