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an unseren zerstörten Sammlungen hingen, sie rirbtet ihn aber auch an die Gelebrten aller Länder, welche stets so zahlreich und unbehindert an dieser reichen Quelle geschöpft haben, an alle Akademien und gelebrten Gesell- schasten, an die Buchhändler und Verleger wie an die Privatpersonen, an alle Diejenigen, welche unseren tiefen Schmerz getheilt haben, in einem Augenblick alle unsere unschätzbaren, langsam angebäuften Kleinodien ver nichtet zu sehen. Sollten wir nicht fest darauf bauen dürsttz, daß dieser Aufruf einen allseitigen Mederhall, auch in dct Ferste' finden wird? Denn gehörte eine Bibliothek, wie die unsere es war, nicht zum Erbtheil der ganzen civilisirtcn Menschheit? Wir hofsen daher zuversichtlich, daß Jeder uns in unserem neu begonnenen Werke nach Kräften unterstützen und uns helfen wird, den Verlust unserer Stadtbibliothek zu ersetzen, soweit es eben heute noch möglich ist, einen solchen Verlust zu ersetzen. Die Mitglieder der Commission: Ernst Lautb. Maire der Stadt Straßburg, Präsident; — Brücker, Ober-Archivar der Stadt; — Conrath, Stadtbaumeister; — kr. zur. I. Flach, Advocat; — kr. Goguel, Adjunct der Stadt Straßburg; — Professor kr. me«I. Hecht; — Kable, Eemeinde-Rath; — Petiti, Ge- meinde-Rath; — Prof. kr. Rudolph Reuß; — Kr. k. Ristelhuber; — Prof. kr. Schimper; — Prof. kr. tsieol. C. Schmidt. Wenn man sich an alles Dasjenige erinnert, was seit der durch das Straßburger Bombardement veranlaßten Zerstörung der dorti gen literarischen Schätze ,,zur Neubegründung der Straßburger Bibliothek" von deutscher Seite sowohl als auch auf deutsche An regung hin vom Auslande gethan worden ist, so kann man nicht anders als mit der äußersten Befremdung das vorstehende Rund schreiben durchlesen. Denn da es sich bei den von deutscher Seite aus für Straßburg angestellten literarischen Sammlungen nicht darum gehandelt hat, die ohnehin verschont gebliebene akademische Bibliothek zu vergrößern, sondern vielmehr für die zerstörten litera rischen Schätze der Stadt Straßburg überhaupt so gut als möglich einen Ersah zu schaffen, und diese Sammlungen von dem günstigsten Erfolge gewesen sind, so muß man sich eben mit der höchsten Be fremdung die Frage vorlegen: was der in vorstehendem Rundschrei ben erlassene neue Aufruf zu literarischen Sammlungen für Straß burg denn eigentlich wohl zu bedeuten habe. Denn da der Umstand, daß die bei dem Bombardement unversehrt gebliebene akademische Bibliothek zur Grundlage der neu errichteten Straßburger Biblio thek genommen, und Liese neu begründete Bibliothek zunächst der neu errichteten Hochschule als dem einer solchen literarischen Sub vention am dringendsten bedürftigen Institute nominell zugewiesen worden ist, keinen Grund dazu abgebcn kann, anzuuehmen, daß die neue Bibliothek der Stadt Straßburg als Stadt entfremdet bleiben solle*), so müßte eigentlich der neue Aufruf zu literarischen Spen den für die Stadt Straßburg als gegenstandlos bezeichnet werden, wenn man anders nicht der Vermuthung Raum geben wollte, daß durch den neuen Aufruf von Seiten französischgesinnter Straßbur ger eine Demonstration gegen die Bestrebungen der Deutschen, wel chen man nun einmal so gern und mit aller Gewalt die Schuld muthwilligcr und fahrlässiger Zerstörung der Straßburger literari schen Schätze aufbürden möchte, in Scene gesetzt werden solle. Gegen eine solche Demonstration würde aber von deutscher Seite ein entschiedener Protest einzulegcn sein; eine solche Demonstration würde nicht bloß als ein durchaus ungerechtfertigtes Jgnoriren dex auf die Wiederherstellung der Straßburger Bibliothek deutscherseits gerichteten Bestrebungen und ihrer glänzenden Erfolge gekennzeich net, sondern auch als der schnödeste Undank gegen die so große deut scherseits gezeigte Bereitwilligkeit, der Stadt Straßburg den erlitte nen literarischen Schaden nach Kräften zu ersetzen, gebraudmarkt werden müssen. I. Petzholdt. ») Durch Verfügung des Fürsten Reichskanzlers ist bekanntlich vor kurzem der Name „Kaiserliche Universitätsbibliothek" ausdrücklich in „Kai serliche llniversitäts- und Landesbibliolhek" umgewandclt worden, so daß also über die Bestimmung der Bibliothek kein Zweifel mehr zulässig ist. Anm. d. Red. Aus der Erfahrung. IV. Gratisexemplare.*) Wenn der Verleger so einen neuen Verlagsartikel vor sich liegen sieht, schmuck und frisch soeben vom Buchbinder gekommen, so meint er vergnügt, es könne gar nicht fehlen, das Buch müsse gehen. Und wenn er nun vollends an einflußreiche Leute, z. B. an Behör den, Directoren, Lehrer rc. Gratisexemplare verschickt und um deren Empfehlung bittet, so steht er im Geist schon die Bestellungen heränstürmen und es beschleicht ihn die Befürchtung, daß er die Auf lage doch wohl zu niedrig gegriffen habe. Nun ist es zwar kein Unglück, wenn von einem Buche eine Anzahl verschenkt werden, und die nächste Ostermesse zeigt in der Regel, wie sehr entbehrlich sie dem Verleger waren. Aber dennoch muß es gesagt werden, daß diese Gratisexemplare meist mehr schaden als nützen. Die Herren Directoren rc. werden so überreichlich mit dergleichen beschickt, daß sie längst sich gewöhnt haben, sie mit Gleichgültigkeit, ja mit Mißtrauen zu betrachten, so daß so ein Buch also erst eine Voreingenommenheit überwinden muß. In der That, wie mit allem Geschenkten, so ist cs auch mit Büchern, sie haben in den Augen des Empfängers geringeren Werth als die gekauften. Namentlich viel verschenkt wird von Schulbüchern. Und wir wetten, nie ist ein Schulbuch durch Schenkeremplare zur Einführung gekommen, wenn nicht die innere Tüchtigkeit oder der persönliche Einfluß des Verfassers hinzutrat. Beide Factoren wirken aber auch ohne jenes leidige Verschleudern, ja um so kräftiger. Man ver schenke also nur da, wo persönliche Beziehungen dies unzweifelhaft indiziren und bedingen. Im Uebrigen vertraue man der Lebens kraft des Buches. Die Verbreitung eines Buches, namentlich eines Schulbuches, wird in der Regel von einem Punkte beginnen und sich von da langsam weiter bewegen, je nach dem Maß seiner Lebens kraft. Hat es keine oder nur geringe vitale Kraft, so wird es un rettbar in die Todcsarme der Maculatur fallen, und wenn du die halbe Auflage verschenktest. Also zurückhalten und ein wenig Respect haben vor seinem eigenen Verlag. A. K. Miscellen. Aus Berlin. Von den Vorlagen für die gegenwärtige Session des Reichstages, auf welche man mit einiger Sicherheit zählen zu können glaubte, fehlt zunächst das verheißene Preßgesetz. Die Beschlüsse, welche der Reichstag bezüglich der Preßgesetzgebung in der vorigen Frühjahrssession faßte, wurden von dem Bundes- rathe mit der Hinweisung auf die unmittelbar bevorstehende all gemeine gesetzliche Regulirung dieses Gegenstandes reponirt. Diese Zusage wird nicht eingelöst. Eine Reihe zufälliger Momente mag dabei mitgewirkt haben: die Krankheit des preußischen Justiz ministers. der Uebcrtritt Falk's in das Cultusministerium, die an gestrengte Thätigkeit aller anderen preußischen Kräfte, welche mit der Gesetzgebung zu thun haben, in den preußischen Kammern. Vielleicht hat auch im Reichskanzleramte und Bundesrathe der Wunsch mitgespielt, die brennenden Fragen, welche hier auftauchen müssen, noch etwas zu vertagen. Nichts desto weniger wäre cs wünschenswerth gewesen, diese Verhältnisse jetzt zu ordnen. Schwer lich wird der Reichstag den Antrag auf Erlaß einer Preßnovelle unterlassen. Die Vertröstungen des Bundesrathes auf ein all gemeines Preßgesetz haben, wenn sie sich wiederholen sollten, jeden falls den Reiz der Neuheit eingebüßt. Aus Berlin, 31. März schreibt man der Allgemeinen Zeitung: „Der Mittheilung einer hiesigen Correspondenz, daß der Finanz minister in einer Commissionssitzung des Abgeordnetenhauses den ») IU. S. Nr. 67.