Volltext Seite (XML)
194, 20. August. Nichtamtlicher Theil. 3763 „Theuerste Frau I trennte uns nicht ein so weiter Raum von einander oder gestatteten meine Geschäfte eine so weite Reise, ich würde gewiß so glücklich seyn, Sie in dieser höchsten Trübsal mög lichst zu beruhigen, wir hätten so manches zu sprechen. — Mit größtem Beileiden ic." Der Name dieses vortrefflichen Geistlichen, der mit so herzlicher Menschenliebe sich des unglücklichen Palm in dessen letzten Lebens augenblicken annahm, ist Thomas Pöschl, später Weltpriester zu Salzburg. Er darf das nicht geringe Verdienst in Anspruch nehmen, einem willenlos fremder Macht preisgegebenen Manne, der selbst einer anderen Glaubensrichtung augehörte, die wirkungs vollsten Trostsprüche der Religion gebracht und den Abschied aus dem Leben wesentlich erleichtert zu haben. Derselbe Geistliche hat dann später noch einige Schreiben an Frau Palm gerichtet und ihr auf geäußerten Wunsch verschiedene Einzelheiten über die letzten Lebensaugenblicke ihres Gatten mitgetheilt. Wir glauben eins der selben hier noch im Auszuge folgen lassen zu sollen: „Salzburg, den 27. Mai 1814. Beste Frau! Soeben erhalte ich Ihr Schreiben über Braunau und will Ihnen mit aller Bereit willigkeit mittheilen, was Sie in Ansehung der letzten Lebens umstände Ihres seligen Hrn. Gemahls zu wissen verlangen, so viel mir noch gegenwärtig im Andenken ist. . . . „Als um halb 11 Uhr Mittags sein Kerker eröffnet und er in den Hof des Gefängnisses ins Freye hinausgeführt wurde, ver meinte er, nian würde ihm seine Freiheit ankünden, wo ihm aber statt dessen das Todesurtheil vorgelesen wurde, welches auf Befehl der französischen Behörde von einem aus dem Canzlei-Personal des bürgerlichen Stadtmagistrats mit gebrochener Stimme geschah. — Wie sehr ihn das erschüttern mußte, läßt sich vorstellen. Darum rief er laut auf zu Gott und weinte. — Darauf wurde er wieder in den Kerker zurückgeführt. Nach einer kurzen Frist kamen zween Offiziere, deren Einer die Exekution zu besorgen hatte, zu mir ins Pfarrhaus, da ich eben damals Provisorischer Pfarrverweser war, und machte das Ansuchen dem Delinquenten beizustehen und ihn zum Tode zu disponiren. Ich nahm einen Collegen, Herrn Johann Michael Gropp, Beneficiatcn mit mir und eilte dahin. „Beim Eintritt in den Kerker fanden wir ihn im tiefen Nach denken begriffen. Wir bewillkommten uns freundlich, und er erzählte uns kürzlich sein höchst trauriges und unverschuldetes Unglück. Er faßte besondere Liebe und Zutrauen zu mir, versichernd, als ob er mich schon irgendwo gesehen hätte. Er wollte umständlich an Sie schreiben, aber cs ging nicht recht von der Hand; auch fehlte es an Zeit; wir kamen daher überein, daß ich Ihnen statt seiner alles umständlich berichten würde, welches ihm sehr lieb war. Er bekannte nns, daß er protestantischer Glaubensgenosse sei, und als wir nach manchen nöthigen Fragen von seiner gänzlichen und ungeheucheltcn Ueberzeugung seines Glaubens, den er von Jugend auf mit gehöriger Frömmigkeit verband und ausübte, versichert waren; wollten wir ihn auch hier in den letzten Stunden seines Lebens nicht beunruhigen und wiesen ihn auf die großen Erbarmungen Gottes und die unendlichen Verdienste Jesu Christi seines geliebten Sohnes, der für uns alle starb, und mit seinem Blute uns durch und durch reiniget von aller Sünde u. dgl. — Er wünschte auch das heilige Abendmahl zu empfangen; allein da in der ganzen Gegend kein Geistlicher seines Glaubens sich befindet, so trösteten wir ihn mit der sogenannten geistlichen Communion, wo bei dem Herrn jederzeit der Wille für das Werk gilt. Er sang dann herzlich und feierlich seine 2 Lieblingslieder, die ich schon in meinem damaligen Schreiben anführte. Er empfahl mir seine wenigen Mobilien und Geld, welches alles selbiger Zeit schon eingesandt worden. Ich und mein Herr College gingen noch zum Herrn Kommandanten und legten die dcmüthigste Fürsprache ein; allein wirerhielten zur Antwort: daß da keine Möglichkeit sei, Gnade zu erhalten, außer wenn der Kaiser selbst gegenwärtig wäre und begnadigte. „Indessen rückte der Augenblick heran, wo er zum Tode gehen sollte, welches ungefähr um halb zwei Uhr Nachmittags geschah. Es kam nämlich ein französischer Kriegsknecht und band ihm mit einem Strick die Hände rückwärts zusammen; er bat zwar mit uns vereinigt, daß man ihm die Hände frei lassen möchte, um sie zum Himmel emporheben zu können; allein es wurde uns bedeutet, daß alles schon so vorgeschrieben wäre, wovon sie nicht abgchen könnten. Ich tröstete ihn mit der Vorstellung: daß auch der Herr uns zu liebe sich binden ließ, und so wurde es ihm leichter. Wir giengen nun aus dem Gefängniß heraus auf die Gasse. Da stand vor der Thüre des Gebäudes ein Leiterwagen mit zween Ochsen bespannt, welcher uns erwartete. Oben war ein Brett in die Queere auf den Leitern befestiget zum Sitzen. Ich begab mich zuerst hinauf, um ihm Muth zu machen, nahm ihn auf meine rechte Seite und schlang meinen rechten Arm unter seinen gebundenen linken; mein College saß rechts, beide im schwarzen Talar, und so fuhren wir, unter einer sehr großen Menge Zuschauer von allen Gattungen Menschen, jung und alt, groß und klein, rings umgeben, in einer Seitengasse der Stadt, ohne auf den öffentlichen Platz zu kommen, langsam zur Stadt hinaus. Vor und nach dem Wagen war eine große Anzahl französischer Reiter mit gezückten Säbeln und Fußgeher mit auf gepflanzten Gewehren. — An alle Einwohner der Stadt, sowohl die seitwärts mitgingen als auch die von den Fenstern herab- schaueten, sah man die innigste Theilnahme, ja Todesangst auf ihren Angesichtern. Die wenigsten konnten selben Tag ein Mahl genießen. Der Festungs-Commandant St. Hilaire verreisete und so mehrere französische Offiziere, um diese traurige Scene nicht an- sehen zu müssen. „Im Hinausfahren beteten wir feyerlich und mit tiefer Andacht das Gebet des Herrn, sprachen auch von manchen andern, auf diese so wichtigen letzten Augenblicke geeigneten Wahrheiten des Christen- thumes, und so kamen wir auf dem Platze an, wo der gute Mann als ein Opfer fallen sollte, welcher gleich vor der Stadt, auf der sogenannten Glacis außer dem Salzburger Thore war. Hier er wartete uns das ganze garnisonirende französische Militär in Quarrü, außer der vierten Seite gegen die Stadt zu, wo die Schüsse sollten hingerichtet werden; diese war offen. Auf den Wällen der Festung waren die Kanonen zum Abfeuern gerichtet, wenn etwa eine Unruhe im Volke entstehen würde; weil jedermann schon im voraus höchst unzufrieden war, welches den Franzosen wohl bekannt war. „Nach einer wiederholten Aufmunterung zum seligen Hintritt in eine bessere Welt, die wir ihm da ans dem Richtplatz noch freundschaftlich machten, übergab er mir sein weißes Schnupftuch, worinn er seine letzten Thränen, die er im Kerker häufig vergoß, aufbewahrte, mit der Bitte, selbe Ihnen zum Angedenken der treuesten Liebe bis in den Tod sicher einzuhändigen, worauf wir uns freundschaftlich umarmten und uns für diese Welt auf immer beurlaubten. „Als sogleich darauf befohlen ward, daß ihm die Augen ver bunden würden und er das benannte Tuch nicht gerne dazu ge brauchen wollte, damit es nicht verlohren gienge, bot ich das mei- nige dar, und verband ihm selbst die Augen, worauf er sich auf Befehl mit vollem Bewußtseyn und ganzer Gegenwart des Geistes niederkniete und schweigend seinen Tod erwartete; worauf von 6 Soldaten mit zitternden Händen auf ihn gefeuert wurde, in einer Entfernung von ungefähr 10—12 Schritten. Da sank er auf das Angesicht zu Boden und ächzte laut. Auf dieß wurden die nächsten unter den ersten stehenden 6 Soldaten zu feuern befehliget, die sich aber ebenso zaghaft bezeugten. Darauf wurde er still. Ich wollte K28*