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2686 Nichtamtlicher Teil. 82. 11. 2lpril 1899. hintereinander Helds --Lokomotive«, Glaßbrenners »Freie Blätter«, Stechens »Ewige Lampe«, der »Berliner Krakehler« nnd noch einige andere auf periodisches Erscheinen angelegte Blätter, mit ihnen am 7. Mai 1848 auch der »Kladderadatsch«, ein Unternehmen von David Kalisch und dem Buchhändler Albert Hofmann. Kalisch war ein sprudelndes Talent, von Beruf Kauf mann, der nach mancher Wanderfahrt endlich in Berlin den Boden für seine unbesiegbare litterarische Leidenschaft gefunden »nd mit zwei witzigen Bühnenstücken schon damals glänzende Erfolge gehabt hatte. Albert Hofmann, der Sohn des Kunst- und Buchhändlers Johann Hofmann, hatte sein Verlags geschäft 1845 begründet. Er war gleichfalls ein lebhafter, hochbegabter Mann, voll von Unternehmungsgeist, dabei zum Segen seines Blattes mit ungewöhnlicher Zähigkeit im Ver folgen geschäftlicher Ziele ausgerüstet. Beide Männer hatten sich in der »Urania« zusammcugefunden, die damals eine Rolle in der Berliner Gesellschaft spielte und wo sich auch andere gleichgesinnte und begabte Freunde fanden, die dem snngen Unternehmen ihre Unterstützung liehen. Am Abend des 7. Mai waren von der eben erschienenen ersten Nummer schon 4000 Exemplare im Straßenhandel verkauft, gewiß ein ermutigender Anfang und ein Erfolg, den die späteren Nummern noch in den Schatten stellten, ob wohl der Inhalt dieser ersten Nummern dem heutigen Be trachter etwas dürftig nnd zum Teil auch unnötig derb er scheinen will. Seinen raschen und dauernden Aufschwung verdankt das Blatt vorwiegend Rudolf Löwenstein und Ernst Dohm, wvzu sich als vierter im Bunde der Redaktion der geniale Zeichner Wilhelm Scholz gesellte. Sie gaben dem übersprudelndeu Witz des Gründers des Blattes das erforder liche Gegengewicht durch die zum Teil klassische und immer geschmackvolle Form und damit den Halt, den auch das nugriffslustigstc Witzblatt nicht entbehren kau». Interessant ist die Mitteilung, daß der wohlbekannte Tilelkvpf kein Original ist, sondern bereits den 1847 er Jahr gang des »Anekdotenjägcrs« von Bartholf Senfs in Leipzig als Vignette geziert hatte, von wo er im Wege des Cliche- handels an Hofmann gelangt war. Auch die Figuren von Schultze und Müller stammen aus dieser Quelle. Der Name, so wird erzählt, entstand spontan aus einem Ausruf von Kalisch, als sich die Freunde zur Beratung über den Titel des Unternehmens in einer Weinstube versammelt hatten und der aufgescheuchte Jagdhund eines Gastes ihr Tischchen umriß, so daß das klirrend zu Boden fallende Geschirr den Ausruf nahelegte. Der sonderbare Titel gefiel und mag im Verein mit dem lustigen Charakterkopf zum ersten Erfolge beigetragen haben. Der Fortgang des munteren Blattes wurde durch die Wiederherstellung der Ordnung in Berlin natürlich erheblich gestört. Am 10. November waren die Truppen wieder in Berlin eingerückt, der Belagerungsstand war erklärt, und der Kladderadatsch wanderte auf vier Wochen nach Leipzig, wo er »unter Verantwortlichkeit von E. Keil L Comp., Druck von Alexander Wiede« erschien (Nr. 29 vom 19. No vember bis Nr. 32 vom 10. Dezember). Aber in Berlin wurde ihm das Leben doch zu sauer gemacht. Schon im Januar 1849 mußte er daher wieder zum Wanderstabe greifen und erschien bis 30. Juli 1849 in (Neustadt-) Ebers walde, natürlich unter bedeutender Abnahme der Abonnenten zahl, die freilich nach der Rückkehr und namentlich im Beginn der fünfziger Jahre schnell wieder heranwuchs. Der großartige Erfolg des Blattes ist unseren Lesern, die ja selber an seiner Verbreitung zum großen Teil Mitwirken, bekannt. Es hat im Laufe der Jahre natürlich noch mit mancherlei Verfolgungen zu thuu gehabt; aber seine Existenz konnte nach der glücklichen Ueberwindung der ersten Jugend nicht mehr gefährdet werden, auch nicht durch Konkurrenz- Unternehmungen, deren ihm manche erwachsen sind. Es hat viel freiwillige und noch mehr unfreiwillige Mitarbeiter ge habt, doch dürften auch viele der letzteren anerkennen, daß es seine Angriffe meist mit gutem Humor gewürzt und ihnen das ernstlich Verletzende durch maßvolle Form genommen hat. Von 1862 ab datiert die Mitarbeiterschaft Trojans, der 1865 dauernd in die Redaktton eintrat und gegenwärtig ihr Leiter ist. 1872 starb David Kalisch; ihm folgte 1880 Albert Hofmann, an dessen Platz als thatkräftiger Verleger sein Sohn Rudolf trat. 1883 schied auch Ernst Dohm aus dem Leben, und zur Ergänzung des Redaktiousstabes trat Wilhelm Polstvrff in diesen ein, 1890 auch noch Paul Roland. Von den alten bewährten Mitarbeitern starb 1891 Rudolf Löwenstein und 1893 Wilhelm Scholz, beide nach längerem Siechtum, das ihnen schon Jahre zuvor Feder und Stift aus der fleißigen Hand gezwungen hatte. Für Scholz waren damals Jüttner, Wanjura und Rctemeyer als Zeichner eingetreten; den gegenwärtigen Bilderschmuck liefern G. Brandt und L. Stutz, doch sind auch andere Künstler mit Beiträgen zu Gaste, wie denn zu den »Gelehrten« des Kladderadatsch auch mancher weit außerhalb der Redaktion stehende regel mäßige Mitarbeiter von Ruf seit jeher gehört hat und noch heute gehört. (Fortsetzung folgt.) Kleine Mitteilungen. Telepchon (Vgl. Nr. 43, 71). — Die Handelskammer in Hamburg hat an de» Reichstag folgende Eingabe gerichtet: »Der Reichstag wolle dem vorgelegten Entwurf einer Fern- sprechgebühren-Ordnung die Genehmigung versagen und einer Neubemessung der Fernsprechgebühren nur dann zustimmen, wenn solche auf dem bewährten Jahresabonnements-System — ohne Beschränkung in der Zahl der Gesprächsvcrbindungen — be gründet und im Ortsverkehr der bisherige Jahressatz von 150 ^ für die Fernsprechstelle nicht überschritten wird.» Firmierung der Geschäfte. — Die «Neue Berliner Korrespondenz- schreibt: Wie bereits erwähnt wurde, müssen vom 1. Januar 1900 an, dem Tag, an dem das neue Handelsgesetzbuch in Kraft tritt, sämtliche Inhaber öffentlicher Läden, ganz gleich, ob sie eingetragene Firmen besitzen oder nicht, ihren Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen an der Außenseite des Ladens in deutlich lesbarer Schrift an bringen. Es ist nun vielfach die Meinung verbreitet, daß im Sinn dieser Vorschrift Personen, für die eine Firma ohne ausgeschriebenen Vornamen, wie z. B. -A. Schulze-, schon vor dem 1. Januar 1900 eingetragen ist, genötigt seien, ihre Firma zu ändern und künftig etwa »Anton Schulze- zu firmieren. Das trifft aber nicht zu. Wenn auch 8 18 des neuen Handelsgesetzbuchs bestimmt, daß ein Kaufmann, der sein Geschäft ohne Gesellschafter oder nur mit einem stillen Gesellschafter be treibt, seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen als Firma zu führen hat, so findet dieser Paragraph doch im Artikel 22 des Einsührungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch seine Ergänzung dahin, daß die bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes eingetragenen Firmen beibehalten werden dürfen, auch wenn sie den Vorschriften des neuen Rechts nicht genügen, sofern sie nur dem alten Recht entsprechen, in dessen Geltungsperiode sie zur Eintragung gelangt sind. Haussuchungen. — Am 7. April sind in Wien in zwei BuchhandlungenHaussuchungen vorgenommen worden,um Schriften zu beschlagnahmen, die zu der gegenwärtigen -Los von Rom-- Bewegung in Beziehung stehen könnten. Die betroffenen Firmen sind FriedrichSchalk, IV. Mariahilferstr. Str. 97 und Stähelin L Laue nst ein , Buchhandlung für evangelische Litteratur, I. Tuch lauben 28. Folgende Sachen wurden weggenommen: Schriften: 2b Stück Bräunlich, »Befreiung vom Papsttum». — 108 Stück «Was trennt uns von Rom?» — 3 Stück »Oesterreichs Zusammenbruch». — 5 Stück Scholl, »Gegen Rom und römische Anmaßung». — 25 Stück »Die Sprengung des Dreibundes». — 7 Stück Der Kampf um's Deutschtum: «Deutschuationales Vereins- wescn». — 5 Stück Der Kampf um's Deutschtum: »Deutschtum und Madjarisierung». — 4 Stück »Der Kampf um's Deutschtum in Steiermark- vom Reichsratsabgeordneten Professor Ho mann von Wellcnhof. — 3 Stück Bley, «Weltstellung des Deutschtums». - 35 Stück Schönerer, »Aufgaben und Ziele». — 8 Stück »Auf