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11764 Nichtamtlicher Teil. 288, 12. Dezember 1905. 2. Das Polizeiamt wird diese Verzeichnisse einer sorgsamen Prüfung unterwerfen und diejenigen Gegenstände darin streichen, welche nach seinem Ermessen zum Verleihen oder Lesen nicht geeignet sind. Erforderlichenfalls wird es die Verzeichnisse mit dem Bedeuten zurückgeben, unter Weglassung der darin ge strichenen Sachen und unter Berücksichtigung der sonst gemachten Bemerkungen die Verzeichnisse der Umarbeitung zu unterwerfen und dann wieder einzureichen. 3. Hinsichtlich der Prüfung dieser Nachträge wird in derselben Weise verfahren werden wie bei Prüfung der Hauptverzeichnisse. 4. legen haben, von dem Inhaber der Leihbibliothek oder des Lese- Instituts je ein Exemplar an das Polizeiamt abzugeben, ein zweites aber in der Leihbibliothek oder bezw. in dem Lese amt genehmigten und an dasselbe zur Aufbewahrung gegebenen Katalog, bezw. den Nachträgen wörtlich übereinstimmen. 5. Sämtliche zum Verleihen bestimmten Drucksachen und Schriften sind von demjenigen, der eine Leihbibliothek errichten will, mit dem Namen der Leihbibliothek oder ihres Besitzers oder wenigstens mit einer gleichmäßigen Chiffre zu bezeichnen, die dem Polizeiamt, bevor noch die Leihbibliothek zum Gebrauch des Publikums er öffnet wird, angezeigt werden muß. Dieses Zeichen ist in einer solchen Weise anzubringen, daß es ohne wesentliche Verletzung des Werkes nicht davon entfernt werden kann. 6. Das Polizeiamt hat bestehender Vorschrift gemäß von Zeit zu Zeit und alljährlich wenigstens einmal die in hiesiger Stadt bestehenden Leihbibliotheken und Lese-Institute einer genauen Revision zu unterwerfen. 7. Soweit die Besitzer hiesiger Leihbibliotheken und Lese-Institute die vorgeschriebenen Verzeichnisse bis jetzt überhaupt noch nicht und spätestens binnen einer Frist von acht Wochen von der Be- händigung dieser Mitteilung an nachzukommen. 8. Die Einreichung der Nachträge zu den Hauptverzeichnissen hat, soweit dieselbe bis jetzt unterblieben, spätestens binnen einer Frist von einem Monat von der Behändigung dieser Mitteilung an zu geschehen. 9. Die Vernachlässigung und Übertretung vorstehender Anord nungen unter 1, 3, 4, 5, 7 und 8 wird auf Grund des ß 8 der Verordnung vom 8. März 1854 mit Geldstrafe bis zu 150 ^ oder entsprechender Haflstrafe geahndet. Leipzig, den 7. Mai 1897. Das Polizeiamt der Stadt Leipzig, (gez.) Bretschneider. Autographen-Erwerbungen der Stadt-Bibliothek in Frankfurt a. Main. — Aus der berühmten Autographen- Sammlung Alexander Meyer Cohns in Berlin, deren Ver steigerung das öffentliche Interesse in den letzten Wochen in Anspruch genommen hat, hat auch die Stadtbibliothek in Frank furt a. M., wie uns ihr Direktor Herr Professor vr. Ebrard mitteilt, eine größere Anzahl erstklassiger Stücke erworben, wozu ihr die Mittel aus einem Spezialfonds zur Verfügung standen. geschichtlichen Schätze zu heben, mußte dem Freien Deutschen Hoch stift Vorbehalten bleiben. Zugleich wurde das Augenmerk auf inhaltlich möglichst bedeutsame Autographen gerichtet. So gelang es, eine ausgewählte und in sich abgerundete Kollektion wert voller, teilweise einzigartiger Stücke für die Stadtbibliothek zu erwerben. In der Serie der Fürsten stehen an der Spitze sämtliche preußischen Könige bis herab auf Kaiser Friedrich, denen sich aus dem preußischen Hause Friedrichs des Großen Lieblingsschwester, die Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Bayreuth, mit einem kostbaren Brief an ihren Bruder, die Königin Luise mit einem sehr schönen Brief an die Großfürstin Anna von Rußland, die Kaiserin Friedrich und endlich Prinz Friedrich Karl mit einem politisch und militärisch interessanten aus Orleans vom 30. Dezember 1870 datierten Brief an seine Mutter anreihen. Ganz hervorragend vertreten ist Kaiser Wilhelm I. mit sieben durchweg höchst charakteristischen Briefen an seinen Bruder Karl aus den Jahren 1807—1814. Der Zehnjährige berichtet über sein erstes Seebad; der Vierzehn jährige trifft Maßnahmen für eine große Parade in Potsdam; zwei Briefe von besonderm Wert für unsre Stadt schreibt der sechzehnjährige Prinz, im Begriff, sich zur großen Armee zu begeben, am 21. und am 24. November 1813 an seinen Bruder aus Frankfurt, während er ihm am 2. März 1814 meldet, daß er bei Bar sur Aube die Feuertaufe empfangen habe, und ihm am 4. April 1814 seine ersten Eindrücke von Paris mitteilt, »dem großen Sündenpfuhl, wo ich unter solchen Umständen nie hinzu kommen glaubte- und wo ihn »die himmlischen Balletts der großen Oper« entzücken. Von sonstigen Fürstlichkeiten seien die Pfalzgräfin Elisabeth Charlotte (die »Liselotte«), Schwägerin Ludwigs XIV., genannt, die mit einem neun Seiten langen Brief von 1719 voll drastischer Stellen und amüsanter Hofneuigkeiten vertreten ist, ferner unser Frankfurter Großherzog, der edle Fürst-Primas Karl von Dalberg, mit einer ganzen Reihe von Briefen aus den Jahren 1781—1809, der Reichsoerweser Erzherzog Johann von Österreich, Königin Viktoria von England, König Ludwig II. von Bayern mit einem innig gefühlvollen, acht Seiten langen Brief an Kainz, vor allem aber Kaiser Napoleon I. Dieses Prachtstück, um das sich ein heißer Kampf entspann, in dem die Stadt bibliothek Siegerin blieb, ist ein am 1. Frimaire 1796, drei Tage nach der Schlacht von Arcole, an seine junge Gattin Josephine — die »Citoyenne Bonaparte« — gerichteter und mit Napoleons Degenknopf gesiegelter Brief, in dem er über den blutigen Kampf berichtet und sie in schwärmerischen Ausdrücken, die sich zum Teil kaum wiedergeben lassen, seiner glühenden Liebe versichert. Eine weitere Gruppe von Briefen ist von Helden des Siebenjährigen Krieges und der Befreiungskriege geschrieben, von Seydlitz und Ziethen, von Blücher, Gneisenau, Scharnhorst, Nettelbeck, Schill u. a. Von ihnen sei als historisch besonders wertvoll heroorgehoben der Brief Scharnhorsts vom 16. April 1806 über die politische und militärische Lage Preußens: »Preußen kann sich* — so schreibt er — -mit einer der gegen- der König zu den Demütigungen, so würde er in der Armee und bei der ganzen Nation alle Achtung und alles Zutrauen ver lieren und den Geist der Armee vielleicht auf ewig verderben . . . folgt, wiedergekehrt«, die Armeeführung schärsstens kritisiert; vor allem aber Blüchers äußerst charakteristischer Brief vom 27. Fe bruar 1815 über den Wiener Kongreß. »Man hat-, schreibt er in seiner bekannten, von den Schulregeln unberührten Ortho graphie, »um das gericht verdaulig zu machen eine Sauce darüber gegossen die kein Menschen schmecken will, denn wenn der Friede guht ist sagen die leutte warum muß er so heraus gestochen werden, eine guhte Sache spricht vor sich selbst. . . o ihr Politiger ihr seid schlechte Menschen kenner, der große Wiener Congreß gleicht ein jahrmargt in eine kleine stadt wo ein jeder