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Nummer 90, 18. «pril 18SS Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Völkern angewiesen wird. Nicht die Botschafter in Galauniformen, die in den Salons geistreiche Gespräche führen, sondern Bücher und Buchhändler, ausgesandt in fremde Staaten, sind die wahren Mittler. Der Roman, bas Theaterstück usw., die die Grenzen des Landes über schreiten, werben für Vermittlung besser als mancher noch so hübsche AttachS. Der Export von Büchern wird uns im fremden Land Zu neigung verschossen, während der Import ihrer Bücher uns mit den Gedanken der Fremdvölker bekannt macht und sie besser verstehen lehrt. Die Übersetzungen historischer Werke spielen eine gleiche Nolle. Wir erhalten dadurch einen Überblick, wie bas Ausland sich zu den Fragen stellt, in manchem Falle eine grössere Unparteilichkeit zu Dingen, die wir nur in unserem Gesichtswinkel zu sehen gewöhnt sind. In einer Zeit der Spannungen wollen wir hossen, daß durch die gemeinsamen Aufgaben der verschiedenen Völker nichts unterlassen wird, um sich gegenseitig besser kennenzulernen und zum Fortschritt der Allgemein heit beizutragen und dazu sind Bücher die besten Boten. Dänemark In Kopenhagen hatte der Dänische Buchhändler-Gehilsen-Verband am ersten Sonntag des Dezembers eine Morgenfeier veranstaltet, bet der einige Verleger ihr neuen Autoren dem Buchhandel vorftellten. Es waren nicht weniger als 500 Buchhändler und Gehilfen versam melt, die im Laufe von vier Stunden mit fünfzehn Büchern des Herbstes Bekanntschaft machten. Entweder lasen die Verfasser aus ihren Werken vor oder Übersetzer und Schauspieler aus neuen Über setzungen. Etwas später wurde diese Feier für das Publikum wieder holt, und auch bei dieser Gelegenheit war die Beteiligung groß. Von Stockholm aus ist eine Wanderausstellung »Das österrelchi- sche Buch» nach Kopenhagen gelangt. Die Ausstellung umfaßte etwa 1200 österreichische Bücher in schönem Druck und schönen Einbänden. Von Kopenhagen wurde die Ausstellung nach Oslo weitergeschickt. Das Haus des Buchhandels in Kopenhagen ist nun Tatsache ge worben, man hat bereits mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen. Es ist geplant, das siebenstöckige Haus, das ln einem der neuen Ge schäftsviertel Kopenhagens liegen wird und das u. a. die Kommis- sionsanstalt des Dänischen Buchhandels beherbergen wird, bis zum 1. Oktober sertigzustellen. Im Februar war der flämische Dichter Felix Timmermans in Kopenhagen zu Gasts und im März hielt Professor H. Teske-Ham- burg einen interessanten und gut besuchten Vortrag im Verein »Freunde Deutscher Literatur« über »Die Wandlung des literarischen Geschmacks in Deutschland nach dem Kriege«. England Das National Book Oounvil beschäftigt sich zur Zeit mit der Frage der Herstellung eines Films über das Buch. Bisher scheiterte der Plan an den Kosten, die ungefähr L 1 Lüv betragen. Von den drei Werbefilm-Arten: indirekter Werbefilm, Kulturfilm und direkter Werbefilm würbe für bas Buch nur der erste in Betracht kommen. Im »IZoolcssIIsr« warnt ein Anonymus in humorvoller Art vor der Herstellung des Films, aus Sorge, es könnte noch Rückständige und Ouerköpfe geben, die den Plan zu Fall bringen werden. »Denn es gibt kein mächtigeres Mittel der Gegenwart als den Film. Wenn ein Film sllr eine Woche in dreihundert Kinos gezeigt wird, so sehen ihn mehr als zweieinhalb Millionen Menschen. Es würde der Film die Botschaft vom Buche auch an Leute heranbringen, die bisher dem Buch sernstchen. Die Macht der indirekten Werbung kann nicht hoch genug bewertet werben.« Auch die »Ulmes« hält einen Film vom Buch, wenn er künstlerisch hergestellt wird und ein getreues Abbild der Buch erzeugung und allem, was damit zusammenhängt, gibt, sür sehr ge eignet als Anschauungs- und Werbemittel zu Hause, in den Kolonien und in der ganzen Welt. Im Börsenblatt vom 23. Januar wurde bereits auf die Hundert- jahrseicr der Pickwickier hingewiesen. Ende März und Ansang April sanden in London große Feiern statt, die ihren Höhepunkt am 81. März erreichten, dem Tag, an dem vor hundert Jahren die erste Nummer der kieli«-iclc-?spers erschien. Sechshundert Mitglieder der Charles Dickens-Vereinigung aus aller Welt waren nach London gekommen. Bei einer vom Dickens-Verlag Chapman Sr Hall veranstalteten Nach mittagsfeier im Palladium wirkten berühmte Künstler mit. Eine Aus stellung im Victoria- und Albert-Museum zeigte wertvolle Gegen stände, di- auf Charles Dickens Bezug hatten, zum Teil stammten sie aus der Sammlung des Dickens-Biographen Förster. Im »Loolcseller« wird der Ausflug beschrieben, den dreihundert Mitglieder der Dickens- Gesellschaft nach Nochester in Erinnerung an die Fahrt Pickwicks unter nahmen. Die Spitze der Autokolonne bildete eine Mil vier Pferden be- 352 spannte Kutsche, besetzt von Dickens und seinen Freunden im Kostüm der Zeit. Ein Empfang im Rathaus durch den Bürgermeister und den Bischof von Rochcster beendete die Feier. Die »üooüsellers' I'ceviäent Institution« hielt ihre 98. Jahres versammlung ab mit anschließendem Festessen. Der Jahresbericht zeigt, daß 1 2850 verteilt wurden, über 1 300 mehr als im Vorjahre. Nach dem geschäftlichen Teil sprach als Gast des Abends The Hon. Harold Nicolson M. P. In seiner mit Humor gewürzte» Rede bemerkte er, daß viele Buchhändler in ihren Schaufenstern die Bücher von B. Shaw und Lawrence ausstellte», aber seine eigenen Werke schlummerten aus den obersten Regalen. Aber er sei nicht nur Büchererzeuger, sondern auch Biicherkäufer. Verleger, Schriftsteller und Buchhändler hätten ein gemeinsames Ziel und die Pflicht, den geborenen Leser z» unter stützen. Der Leser muß in die Läden kommen können, ohne sofort »ach seinen Wünschen gefragt zu werden. In dieser Hinsicht sind die Buch läden in London nicht mit denen in Oxford, Cambridge oder Tun bridge zu vergleichen. In seiner Studentenzeit hielt er sich ost stunden lang in einem gewissen Laben auf und stöberte dort nach Herzenslust, kannte alle Angestellten und wurde sogar vom Publikum als Ange stellter angesprochen. Auf diese Weise wird die Liebe zum Buch erzogen und auch manches Buch verkauft. Zum 21. Male versammelten sich die Antiquare am 28. März im Casö Monico in London unter Vorsitz von Mr. CH. H. Barber. Unter den Ehrengästen befanden sich The Earl of Crawford and Balcarres, Besitzer einer der größten Privatbüchereien, die sich durch Generatio nen vererbt hat und die unter anderen die vier Folioausgaben von Shakespeare enthält. Die üblichen Trinksprllche waren teils mit viel Humor gewürzt. Herr B. Blackwell dankte dem scheidenden Vorsitzen den für seine Mühe und Arbeit und bemerkte, daß weder durch Natio nalisieren noch Mechanisieren das Wissen und die Erfahrung des Antiquars ersetzt werden könnte. I. H. Stonehouse übernahm den Vorsitz für das neue Jahr. Im Alter von 82 Jahren starb am 30. März Maurice C. Macmillan, einer der Direktoren des bekannten Verlags- Hauses Macmillan in London. Er war der zweite Sohn des Gründers der Firma und der jüngere Bruder des gegenwärtigen Leiters der Firma Sir Frederick Macmillan. Nach erfolgreichen Universitäts- studien widmete er sich der Lehrtätigkeit an höheren Schulen und unterrichtete fünf Jahre an der berühmten 8t. ?sul's Scbool in London. Im Jahre 1883 trat er in die Firma ein und war so durch seine frühere Tätigkeit recht berufen, die Schulbücherabteilung mit Ersolg zu betreuen und auszubauen. Indien Über den Buchhandel in Britisch-Jndien berichtet C. F. Hooper im kudlisbevs' Oircular. Der Pionier des Buchhandels in Indien war vr. W. Thacker. Der Hauptsitz seiner Firma war Calcutta und Zweigstellen bestanden in Bombay und Lucknow. Als Lord Macaulay das Erziehungswesen organisierte, begann der Bedarf an englische» Büchern zu steigen und brachte dem englischen Buchhandel guten Ge winn. Rach und nach ging der Handel an indische Firmen über. Es wurden zwar noch Schulbücher aus englischen Verlagen benutzt, aber der Einzelhandel gelangte ausschließlich in den Besitz der indischen Firmen. Anfang des Jahrhunderts belebte sich der Handel mit all gemeiner und schöner Literatur, nahm aber nach dem Kriege merklich ab. Wer cs nicht eilig hat, bestellt die Bücher direkt in England und spart dadurch eine Kleinigkeit. Ein anderer Grund der Abnahme des Absatzes liegt in der Nationalisierung der Behörden, die Anzahl der Europäer in der Beamtenschaft nimmt mehr und mehr ab und der Inder selbst liest keine Romane. Sie kaufen philosophische, theo logische oder sexualwissenschaftliche Werke, auch Biographien und Ncise- werke, jedoch findet man selten gute Blicherkäufer unter ihnen. Dann fehlt es an kritischen Zeitschriften und Zeitungen, und die indischen Zeitungen sind bei Anzeigen mit größter Vorsicht zu benutzen, da ihre angegebene Auflagenzahl selten der Wahrheit entspricht. Einer auf- gedruckten Auflagenzahl von 50 000 Exemplaren entspricht nach Meinung des Verfassers eine wirkliche Auflage von 1500 Stück. Nur wenn ein Werk besonderes Aussehen in England erregt, bann erst setzt die Nachfrage auch in Indien ein. Italien Die amtliche italienische Fachzeitschrift der Buchhändler »Nero su binnen« hat eine wirksame Art gewählt, die Nichtbesolgung der Vor schriften der italienischen Bnchhandelsordnung zu geißeln. In ihrer dritten diesjährigen Nummer veröffentlicht sie sechs Schreiben von Buchhändlern an Verlagshäuser, vou denen das kennzeichnendste fol- gepdermaßen la»tet: «Wenn ich auch noch nicht in die Liste der Buch händler eingetragen bin, so bin ich doch seit einem Jahr Buchhändler