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Redaktioneller Teil. X° 159, 9. Juli 1924. Einzelheiten aus der Fülle des behandelten Stoffes heranszu- greifcn, würde dem universellen Charakter des Werkes nicht gerecht werden. Tein gebildeten Staatsbürger und Steuerzahler, der dem Steucrweseu dasjenige Mas; von Interesse zuwendet, das ihm heutzu tage gebührt, soll ein umfassendes Gesamtbild des heutigen Steuerrechts geboten werden, das namentlich unter pädagogischen Ge sichtspunkten als trefflich gelungen bezeichnet werden muß. Dem be ruflich mit Steuerfragen Befaßten aber wird eine Grundlage für das Studium der Einzelsragcn vermittelt, die ihm im Drange des täg lichen Bielerlei den Blick für das große Ganze bewahrt. Dem Leitgedanken einer systematischen Darstellung unseres gesamten Steucrrechts unter gleichmäßiger Berücksichtigung von Ge setzgebung und Rechtsprechung getreu werden die einzelnen Stoffgebiete je nach ihrer Bedeutung mehr oder minder ausführlich behandelt. Trotzdem kommen alle Steuerarten zu ihrem Recht, da aus jeder Zeile die überragende Sach- und Fachkunde der Verfasser spricht. Er freulicherweise ist auch das im Notverordnungswege geschaffene Steuer recht bereits berücksichtigt worden, das uns einschneidende Änderungen des bisherigen Steuersystems beschert hat und vereinzelte Ansätze einer Reform aufweift^ deren baldige Durchführung Lebensnotwendig- keit ist, wenn es Zutrisft, daß Steuerfragen heutzutage Existenzfragen sind. Alles in allein kann man Herausgeber und Verlag zu dieser wert vollen Bereicherung der Skeuerliteratnr nur beglückwünschen und muß dem trefflichen Werk weiteste Verbreitung wünschen, damit endlich die augenblicklich bei Behörden ebenso wie im Publikum bestehende Ncchts- unsicherhcit ans steuerlichem Gebiete verschwindet und der Steuerzahler über seine Pflichten und der Finanzbcamtc über seine und die Rechte des Staats unterrichtet ist. Perthes, Friedrich: Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deut schen Literatur. Unveränderter Neudruck mir Vorwort. Kl. 8". 44 S. Gotha-Stuttgart 1924. Friedrich Andreas Perthes A.-G. Kart. Mk. l.-. Menz, Gerhard: Was weiht Du vom Buch? I.-lvO. Taus. Kl. 8°. 7l S. Prien, Obb. 1924, Anthro- Pos-Verlag. Geheftet Mk. —.20. Es könnte befremdend erscheinen, diese beiden Schriften einer ge meinsamen Besprechung zu unterwerfen. Nicht nur ein weiter zeit licher Abstand trennt sie voneinander. Person und Stellung der Ver fasser, ja die behandelten Gegenstände sind grundverschieden. Scheinbar haben sie nichts miteinander gemein. Scheinbar! Die Zusammenhänge liegen nur nicht so offen zutage. Man muß sie suchen. Sie bieten dann mancherlei Bemerkenswertes. Beide Schriften haben in ihrer Zweckbestimmung das Gemeinsame, daß sie für den Buchhandel und für das Bu ch durch Aufklärung wer - b e n wollen. Sie stellen gleichsam den Anfang und das Ende einer Entwicklungskctte dar. Nicht lediglich, was sich am Gemeinsamen zeigt, bietet Stoff zu reizvollen Betrachtungen, sondern ganz besonders auch das Trennende, der Abstand, der dazwischen liegt, die Perspektive der ganzen Entwicklung des Buchhandels von seiner ersten inneren und äußeren Festigung an bis zu seinem heutigen großen und machtvollen organischen Gebilde. Das Büchlein von Friedrich Perthes erschien 1816 anonym und ohne Angabe des Verlagsortes nur mit der genauen Bezeichnung des Erscheinnngstermins (»July«). Es ist die einzige schriftliche Äuße rung des großen deutschen Buchhändlers, die er von sich selber in Druck gegeben hat. Interessant ist die Einteilung in vier Abschnitte, von denen der erste ansgeführt ist, während von den drei anderen nur die Überschriften vorhanden sind. Naturgemäß richtet sich das Haupt interesse des Lesers auf den ersten Abschnitt »Die deutsche Literatur in ihrem Verhältnis; zum deutschen Buchhandel«. In sorgfältiger Paragraphiernng wird, von der Muttersprache ausgehend, der Wert einer Nationalliteratur in das rechte Licht gestellt und die Notwendig keit des Daseins der Buchhändler bewiesen. »Der eigentlichste Beruf des deutschen Buchhändlers ist, die E i n h e i t der deutschen Literatur zu erhalten und zu befördern«. Dazu ist nötig »ein Stapelort (Leipzig), wo eine jährliche Zusammenkunft aller Buchhändler gehalten wird«, ferner gehören dazu Bücherverzeichnisse nsw. All dies sei »von selbst, wie durch einen nationellen Natnrsinn entstanden«. Sei so der Buch handel zum »National-Gut und -Institut« geworden, müsse er als sol ches auch geachtet, gehegt, geschirmt und beschützt werden. An sich be dürfe er, wie jeder andere Handel, keiner weiteren Vergünstigung, »als . Freyheit«, wohl aber zur Aufrechterhaltung derselben und Auseinan dersetzung der dabei in Berührung kommenden Interessen gesetzgeberi schen Schutzes des Eigentumsrechtes der Autoren und Verleger. Im weiteren werden die damaligen Mißstände auf dem Gebiet des Nach drucks erörtert und die Wege zur Abhilfe gezeigt. Es wird nachge wiesen, daß bei der damaligen buchhändlerischen Kalkulation (keine Auflage über 1000 Ex.) wohl von einem angemessenen Gewinn, nicht aber von einer Übervorteilung der Autoren und des Publikums die Rede sein könne. Also auch schon damals das Mißtrauen! Schließlich münden die Darlegungen in dein Verlangen nach dem aus, was wir heute nicht nur als nationale, sondern als internationale Errungen schaft besitzen: einem Urheber- und Verlagsrecht. Der zweite Abschnitt »Das Eigenthums-Necht der Autoren an ihren Schriften und ihr Recht dasselbe zu übertragen in verschiedenen Ländern und bey ver schiedenen Völkern«, der dritte Abschnitt »Gesetzes-Vorschlag über das Eigenthums-Necht der Autoren in der deutschen Literatur« und der vierte Abschnitt »Ausbildung der Organisation des deutschen Buchhan dels, wodurch ohne die Freyheit des Handels zu beschränken, Garantie geleistet wird gegen Beeinträchtigungen des Publikums und der Lite ratur durch eigennützige Autoren und betrügerische Buchhändler«, sind deshalb nicht ausgeführt, weil cs dem Verfasser tunlich erschien, damit zu warten, bis auf dem Bundestag die Verhandlungen über »diesen Gegenstand« begonnen hätten und darüber Gutachten und Berichte ge fordert würden. Schließlich ist die Ausführung ganz unterblieben. Die Schrift von vr. Menz verbreitet sich in dem ersten Kapitel A propos, ein Buch« über das Buch als Geschenkwerk. Dann kom men »Ein paar Zahlen aus der Bücherwelt«, interessante Statistiken über Umfang, Arbeit und Leistung des Buchhandels, wobei der Hin weis auf die Deutsche Bücherei in Leipzig nicht vergessen ist. In dem Kapitel »Was alles zum Buche gehört« wird dieser Faden weiterge sponnen. Die Entwicklung der Technik der letzten Jahrzehnte wird aufgezeigt, der ungeheure Aufschwung, den das Buchgewerbe genom men hat. Verlag, Sortiment und buchhändlerisches Organisations wesen finden in dem Kapitel »Etwas vom Buchhandel« eine gemein verständlich gehaltene, aber fesselnd geschriebene Darstellung. In dem Kapitel »Das Buch auf allen Lebenswegen« wird gezeigt, wie untrenn bar alles menschliche Leben mit dem im Buche inkarnierten Geist ver bunden ist, viel mehr, als cs dem Einzelnen bewußt wird. Das Kapitel »Das Buch und seine Leser« bietet eine Darstellung aller jener Er fordernisse, die sich auf die Kultur der Lektüre und deren Auswahl er strecken. Das Verhältnis des Lesers zum Autor wird in dem Kapitel »Bücher und ihre Verfasser« behandelt und mit Aussprüchen berühmter Persönlichkeiten belegt. In dem Schlnßkapitel »Gesamtexistenz« wird rückschauend das Gesagte zum Ganzen zusammengefaßt. »Was weißt Du vom Buch?« »Bücher sind kein geringer Teil des Glücks« (Fried rich ö. Gr.). Man merkt, daß die Schrift nicht nur mit großer Sach kenntnis, sondern mich mit unendlicher Liebe zur Sache geschrieben ist. Hierin möchte ich eines der stärksten werbenden Merkmale erblicken von allen, die ihr eigen sind. Bei der Behandlung des oftmals spröden Stoffes ist es stets gelungen, eine Darstellung zu geben, die das Interesse des Lesers wachhält, die unweigerlich ein bestimmtes Maß der Empfindungen des Verfassers auf ihn übertragen muß. Aus dieser Vergegenwärtigung des Inhalts beider Schriften kön nen wir ihre Zweckbestimmung erkennen. Als Friedrich Perthes seine Broschüre schrieb, gab es wohl schon eine büchhändlerische Organisation, aber es fehlte ihr der staatliche Schutz, es fehlte offenbar auch das An sehen, das der Buchhandel in der Öffentlichkeit für sich verlangen durfte. Der Nachdruck blühte und schädigte das ehrliche Geschäft. Im Publikum war man offenbar von der Notwendigkeit der Buchhändler noch nicht überzeugt. Jedenfalls kannte man ihr Wesen zn wenig und empfand daher nur geringe Anteilnahme für sie. Sehr deutlich merkt man ans Perthes' Schrift, wie sehr ihm daran gelegen ist, Vorurteile zu zerstreuen und Bestimmung und Bedeutung des Buchhandels in das rechte Licht zu rücken. Hieraus erhellt deutlich der Charakter der Ver öffentlichung als Werbeschrift, wenn auch nicht allein dieser eine Zweck zn ihrer Herausgabe geführt haben mag, sondern vornehmlich die Ab sicht, gesetzgeberische Maßnahmen gegen den Nachdruck herbeizufiihren. Aber auch hierfür war es wohl vorerst nötig, die Werbetrommel zu rühren. Zwischen der Schrift von Perthes und vr. Menz liegt jener be deutende Aufschwung des Buchgewerbes, seine Entwicklung vom Hand werk zur Industrie. Aus den kleinen Anfängen des von Perthes mitge- grünüeten Börsenvereins ist eine große, einflußreiche und komplizierte Organisation geworden, deren Arbeitsfeld sich fast von Jahr zu Jahr erweitert hat. Längst ist der gesetzgeberische Schutz des Urhebers und Verlegers erreicht, wie ihn Perthes erstrebte. Ein gewaltiges Biblio theksunternehmen, die Deutsche Bücherei, ist durch den Buchhandel ins Leben getreten. In jeder Beziehung hat er seine Existenzberechtigung > erwiesen und unzweifelhaft sein öffentliches Ansehen erheblich gestärkt.