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6446 s. d. Dtsqn. vuchh»ntcl. Amtlicher Teil. 120, 25. Mai 1912. sprechen möchte. Meine Herren, Sie erinnern sich des ballon ä'Wsai, der Anfang Januar dieses Jahres im Börsenblatt ausstieg, und der bezweckte vder den Wunsch aussprach, daß das gesamte Leipziger Kommissionsgeschäft sich zu einer großen Aktiengesellschaft zusammcnschließen möge. Sie entsinnen sich auch der Antwort, die ich mir erlaubt habe, im Börsenblatt aus diesen Plan zu geben, und in der ich nachgewiesen zu haben glaube, daß es sür uns alle, ob wir Verleger oder Sorti menter sind, etwas Schlimmeres und Gefährlicheres als einen solchen Zusammenschluß gar nicht geben könnte. Wir haben die Ansängc dieses Zusammenschlusses im Barsortiment erlebt. Ich gebe gern zu, daß diese Anfänge nicht sehr erheblich, nicht sehr einschneidend sür uns gewesen sind, aber sie waren uns jedcnsalls ein Nemoato, wie es kommen könnte, wen» cinmal im Leipziger Kommissionsgeschäft ein allgemeiner Zusammenschluß stattfindcn sollte. Meine Herren, Sie werden sich entsinnen, daß vor einigen Jahren ein großer Äussaugnugsprozeß der kleineren Leipziger Kommissionsgeschäfte stattsand, Sic werden das alle schmerzlich empfunden und die Gefahr erkannt haben, die in diesem Aussaugungsprozeß lag. Es ist in jener Zeit eine ganze Anzahl ehemals blühender und gesunder Leipziger Kvmmissionsbetriebc eingegangcn und von zwei großen Konzernen ausgcsogcn worden. Es ist das derart geschehen, daß die ansgcsogcnen Firmen eine Zeitlang unter der alten Firma weiter bestanden, daß aber tatsächlich die Oberleitung in der Hand der beiden großen Leipziger Geschäfte lag. Meine Herren, die Gefahr haben Sie sicher alle erkannt, aber cs ist seiner Zeit nicht genügend aus diese Gefahr hingewiesen worden. Jetzt ist eine Stagnation im Aufsangungsprozeß cingetrctcn, aber ich muß befürchten, daß durch die Anregung im Anfänge dieses Jahres der Aufsangungsprozeß fortgesetzt werden soll. Meine Herren, ich möchte Sie alle warnen, einen solchen Aussaugungsprozeß zu unterstützen und möchte Sie bitten, mit aller Energie dagegen auszutreten. Es kann nichts Gefährlicheres für uns alle geben, als wenn wir einmal ein einziges großes Kommissionsgeschäft haben, das uns die Be dingungen vorschreiben kann und zweifellos vorschreibcn wird. Ob dafür die Form einer Aktiengesellschaft gewählt wird oder die Form einer G. m. b. H., das ist gleichgültig, jedenfalls werden alle heute noch kapitalkräftigen selbständigen Kommissionäre aufgcsogen oder das Leben wird ihnen dermaßen schwer gemacht, daß sie uns nicht mehr in der zufriedenstellenden Art, wie wir das bis jetzt gewohnt sind und die sich seit Jahrzehnten bewährt hat, vertreten können. Ich möchte Sie bitten, streben Sie mit allen Mitteln dagegen an; und Sie haben ja ein prächtiges Mittel in der Hand. Wenn Ihnen Ihr Kommissionär mittcilt, daß er seinen Umzug bewerkstelligen will, sagen wir mal nach der Kaiserstraße oder nach dem Hühnchenwcg (Heiter keit), so haben Sie das probate Mittel, daß Sie dem Herrn einen Brief schreiben und Ihre Kommission kündigen; Sic werden sehen, daß der Aussaugungseiser mit einemmal aufhört. Wir haben ein großes Interesse daran, den selbständigen kapitalkräftigen Leipziger Kommissionär zu erhalten. Der Leipziger Kommissionär und sein Komittcnt haben ein eigenartiges Verhältnis zueinander, das im ganzen Handel nicht wieder existiert. Mehr ein freundschaftliches, ein Vertrauensverhältnis. Das wollen wir uns erhalten; wir wollen nach wie vor von unserem Freund und Kommissionär sprechen dürfen und nicht von dem zuständigen Herrn Direktor Nummer 27 der Allgemeinen Leipziger Kommissions- und Barsortiments-Aktiengesell- schaft. (Große Heiterkeit und lebhaftes Bravo!) Vorsitzender Herr Kommerzienrat Karl Sicgismund-Berlin: Es wünscht weiter niemand dazu das Wort; wir fahren fort. Neice Satzungen des Börsenvereins, — Reform des Börsenblatts. Diese Angelegenheit bitte ich vorläufig zurllckstcllen zu dürfen; wir haben dafür einen besonderen Punkt der Tagesordnung. Außerordentlicher Ausschuß zur Revision der Verkaussordnung, — Internationale Vcrkaufsord- nung,- Maßregeln wegen geflissentlicher Verlctzung der Satzungen, — Verbandsbnchhandlungen, — Ver- mittlcrdicnsic sür nicht angeschlossene Warenhäuser, — Warenhäuser als reguläre buchhändlcrischc Be triebe, — Besprechung mit den Vorsitzenden der Kreis- und Ortsvereine, — Besprechung mit dem Vor stand des Deutschen Verlegervcrcins, — Zentralverci» deutscher Buch- und Zeitschriften Händler, — Gründung von Ortsgruppen, — Vcrkehrsvercine, — Schmutz- und Schundliteratur. Herr Paul Nitschmann-Berlin: Meine Herren, ganz wenige Worte zu diesem Thema. Ich möchte nur die Anregung an den Vorstand des Börscnvereins geben, uns die konfisziertcu bzw. rechtsgültig verbotenen Bücher in irgend einer Form von Zeit zu Zeit gesammelt vorzuführen, aber nicht, wie es heute ja schon geschieht, vermischt mit den verän derten und erloschenen Firmen »nd de» Ladenpreisänderungcn, Es besteht namentlich in Berlin die Gefahr, wenn auch nicht verurteilt, so doch in umständliche peinliche Vernehmungen und in Unkosten verwickelt zu werde». Die Kousiskations- wut sicht augenblicklich wieder in Flor. Es kommt alle Augenblicke vor, daß ein Buchhändler wegen einer solchen Sache vor das Polizeipräsidium oder die Staatsanwaltschaft zitiert wird. Es wird dort immer der Einwand erhoben: Sie müssen das Börsenblatt lesen, dann wissen Sie, was verboten ist! Das ist aber sehr schwer. Das Börsenblatt übernimmt ja aus dem Fahndnngsblatt die Verbote, aber es sammelt sic nicht in geeigneter Form, und wir sind oft nicht in der Lage festzustcllen, was noch verboten bzw. was rechtsgültig verboten ist. Ich möchte Vorschlägen, daß der Vorstand des Börsenvcrcins versuchsweise eine Liste herausgibt, in der cinmal die beschlag nahmten Bücher aufgcführt werden, und getrennt davon die rechtskräftig verbotenen Bücher, und daß er die wieder frei- gegebenen Bücher in der nächsten oder übernächsten Liste namhaft macht. Es wäre damit dem ganzen Sortiment ein großer Dienst erwiesen und uns ein Mittel gegeben, der Staatsanwaltschaft die Auskunft geben zu können: das Buch hat nicht im Börsenblatt gestanden. Vorsitzender Herr Kommerzienrat Karl Siegismund-Berlin: Den Wünschen des Herrn Vorredners ist bereits seit langer Zeit entsprochen. Wir geben monatlich als Beilage zum Börsenblatt ein Verzeichnis der Vorzugspreise, Subskrip tionspreise, Serien, Verlags- und Prcisänderungen und Verbote von Büchern, wir sind also weiter gegangen als der Herr Vorredner es wünscht; er regt ja nur ein dreimonatliches Verzeichnis an. Im übrigen steht der Börsenvereinsvorstand gegenwärtig in Verhandlungen mit dem Leiter der Zentralstelle im Polizeipräsidium zu Berlin, um die Liste der verbotenen Bücher, die bisher nach dem vorliegenden Material im Börsenblatt veröffentlicht werden, außer dem monatlichen Verzeichnis in einer übersichtlicheren Form im Börsenblatt zur Veröffentlichung bringen zu können. Herr.R. L. Prager-Berlin: Meine Herren, die Versuche des Börsenvcrcins, den Mitgliedern davon Kenntnis zu geben, was verboten ist und was konfisziert ist, sind sehr dankenswert. Es wäre aber viel besser oder vielmehr wünschens-