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6442 SSrs-Matt f, b. Dtlchn. Buchr,<mdcl. Amtlicher Teil. ^ 120, 25. Mai IS12. Vorsitzender, Erster Vorsteher des Börsenverems, Herr Kommerzienrat Karl Siegismund-Berlin: Meine Herren, ich eröffne die ordentliche Hauptversammlung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler und stelle zunächst fest, daß die Versammlung ordnungsgemäß einberufen worden ist durch Bekanntmachung im Börsenblatt vom 12. April und vom 25. April des Jahres. Dann begrüße ich namens des Vorstandes die erschienenen Mitglieder des Börsenvereins, heiße sie herzlich will kommen und wünsche, daß unsere heutige Tagung zum Segen des Buchhandels gereichen möge. Als Stimmzähler bitte ich zu fungieren die Herren Toechc-Kiel und Feddersen-Berlin. Herr Krehenberg wird die Rednerliste führen. Ich frage dann, ob sämtliche Stimmzettel abgegeben sind. — Ein Widerspruch erhebt sich nicht, — es sind demnach sämtliche Stimmzettel abgegeben. Ich schließe die Wahl. Wir treten in die Tagesordnung ein. I. Geschäftsbericht über das Vereinsjahr 1911/12. Meine Herren, wir haben seit Jahren die Gepflogenheit geübt, daß der Jahresbericht, der im Börsenblatt vom 13 April veröffentlicht worden ist, nicht zur Verlesung kam, sondern daß wir die einzelnen Stichworte aufriesen; ich werde auch heute so verfahren und bitte diejenigen Herren, die zu einzelnen Punkten des Geschäftsberichts das Wort ergreifen wollen, sich zum Wort zu melden. Ich ruse also aus: Der wirtschaftliche Aufschwung, — Urheberrechtliche Gesetzgebung, — Rcichsversichcrungsordnung und Versicherungsgesetz für Angestellte, — Unfallversicherung der Lagereiberufsgenossenschast, — Zoll behandlung, — Zolltarif für das Königreich der Niederlande, — Postscheckvcrkehr, — Verlegerkongreß, — Entwurf eines Gesetzes gegen Mißstände im Heilgcwerbe, — Zeitnngsprämienunwesen, — Erschließung des chinesischen Marktes für deutsche Lehrmittel, — Förderung der Ausfuhr deutscher Bücher nach de:, Vereinigten Staaten von Amerika, — Verein für das Deutschtum im Ausland, — Verein zur Förderung zeitgemäßer Rechtspflege und Verwaltung »Recht und Wirtschaft«. — Ernennung der Mitglieder des Börsenvereins Kommerzienrat Otto Klasing zum Mitglied des Herrenhauses und Albert Brockhaus zum Mitglied der Ersten Ständckammer des Sächsischen Landtags. — Internationale Ausstellung sür Buch gewerbe und Graphik. — Errichtung einer Zentral-Bibliothek mit dem Sitz in Leipzig. Meine Herren, ich möchte in Ergänzung des Jahresberichts noch folgendes Ihnen mittcilen. — Es hat die Sächsische Regierung in das Budget sür das Jahr 1912 einen Betrag von 150000 Mark eingesetzt als erste Rate zur Er richtung eines Gebäudes für die beabsichtigte Zentralbibliothek. Dabei ist gedacht worden, daß die Bestände sür diese Zcntral- bibliothek aufgebracht werden sollen durch eine zwangsweise Lieferung des Deutschen Buchhandels und des Buchdruckerei- gewcrbcs sür den Fall, daß die Sachen nicht im Buchhandel erschienen sind, — gegen Zahlung von 50 Prozent des Ladenpreises. Mit der Gründung dieser Zentralbibliothek in Leipzig hofft der Börscnverein unter anderin auch dem Miß- stande abzuhelsen, der sich in den letzten Jahren bei der Vervollständigung unserer Bibliographie herausgcstcllt hat, und der darin besteht, daß cs immer schwieriger wird, alle Erscheinungen im Original zur Bearbeitung der Bibliographie zur Vor lage zu bringen. Meine Herren, der Börsenvereinsvorstand glaubt, daß die Zentralbibliothek in Leipzig in enger Ver bindung mit der Redaktion unserer Bibliographie Mittel und Wege finden werde, die es ermöglichen, unsere Bibliographie auf der alten Höhe zu erhalten. Herr Robert Voigtländer-Leipzig: Meine Herren, der Gedanke einer Zentralbibliothek ist im deutschen Buch handel mit derselben Befriedigung ausgenommen worden, wie außerhalb des Buchhandels, namentlich in Sachsen. Ich glaube, daß der Buchhandel mit dem Grundgedanken sich durchaus einverstanden erklären kann, auch mit dem Gedanken, nötigenfalls an diese Zentralbibliothek ein Pflichtexemplar abzugcben. Denn ohne ein gesetzliches Pflichtexemplar würde der Gedanke der Zentralbibliothek nicht durchführbar sein. — Aber, meine Herren, damit Hand in Hand muß meiner Meinung nach gehen, daß im übrigen alle und jede Pflichtexemplare abgeschafft werden. Das ist es, was ich an den bisherigen Verhandlungen über diese Zentralbibliothek vermisse: die bestimmte, feste Forderung des Buchhandels: Weg mit den Pflichtexemplaren! Die Angelegenheit der Pflichtexemplare ist zu bekannt, als daß ich mich hier noch lange darüber verbreiten dürste; ich hebe nur eins hervor. Der Hauptgrund, der von der Bibliothekarpariei immer angeführt wird, es sei das Pflicht exemplar nötig, um die Bibliotheken vollständig zu erhalten, ist durchaus hinfällig. Jedes im Buchhandel erschienene Buch kan» im Wege des Kaufes besorgt werden, cs bedarf nur der durch die Bibliographie geschaffenen Kontrolle, um den Biblio theken zu ermöglichen, jedes Buch, das sie haben wollen, zu beschaffen. Also eine vollständige Anschaffung der im Buch handel erschienenen Bücher ist unbedingt möglich im Wege des Kaufes. Auf die nicht im Buchhandel erschienenen gehe ich in diesem Zusammenhang nicht ein; die Verhältnisse liegen dort etwas verwickelter, berühren aber ja den Buchhandel nicht. Also die Beschaffung im Wege des Kaufes ist möglich, und wenn dagegen gesagt wird: wir haben dafür kein Geld, so dars dieser Grund in einem Rechtsstaat keine Rolle spielen. Enteignet der Staat aus irgend einem Gebiet, so zahlt er dafür, und es ist kein Grund einzusehen, warum er nicht dem Buchhandel diejenigen Bücher, die er haben will, die er ihm enteignet, ebenfalls bezahlen soll. Daß geschenktnehmen billiger ist als kaufen, das ist im Rechtsstaat kein Grund. Ich möchte also bitten, es möge in den weiteren Verhandlungen dahin gewirkt werden, daß das Pflichtexemplar in den einzelnen Staaten wo es noch besteht, fällt. (Bravo!) Vorsitzender Herr Kommerzienrat Karl Siegismund-Berlin: Meine Herren, soweit die Pflichtexemplarfrage für Preußen in Betracht kommt, kann ich nur erklären, daß die Lieferung der Pflichtexemplare auf gesetzmäßiger Unterlage ruht, und daß das Gesetz nach wie vor besteht; besonders wir vom Börsenverein können und werden gegen das geltende preußische Gesetz nichts unternehmen. Der Börsenvercin hat im Jahre 1905 mit dem Preußischen Kultusministerium einen Vertrag über die Höhe des Ladenpreis-Rabatts geschlossen. Bei diesen Vertragsverhandlungen hat der Börsenverein dem Kultusministerium die Zusicherung gegeben, daß er während der Vertragsdauer irgendwelche Schritte gegen die Pflicht exemplare in Preußen nicht tun werde. Infolge dieser bestehenden Verpflichtung des Börsenvereins sieht sich der Vorstand