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-Nicht gegen den Buchhandel-. Zu den neuesten Absichten des Dürerbundes. Soweit gemeinnützige Vereine und Gesellschaften den Ver trieb guter und billiger volkstümlicher Schriften ans ihre Fahne geschrieben haben und jene Volksschichten dem guten Buche er obern wollen, die dem Buchhandel gar nicht oder doch nur schwer erreichbar sind, ergibt sich als natürliche Grundlage ein Zusam menarbeiten mit dem Buchhandel schon darum, weil dieser in seiner Produktion den größten und wichtigsten Teil der benötig ten Schriften zu liefern hat und weil andrerseits angesichts seiner nicht wegzuleugnenden Verdienste um die Entwicklung unseres Geisteslebens und um die allgemeine Volksbildung kein Grund vorhanden ist, ihn auszuschaltcn oder ihn wirtschaftlich zu schä digen. Vielmehr kann hier ganze Arbeit nur mit ihm, ohne ihn nur halbe geleistet werden. Wenn es in letzter Zeit den Anschein hatte, als ob dieser Gedanke in den beteiligten Kreisen immer mehr a» Boden gewänne, so beginnt diese Ent wicklung sich doch neuerdings in Formen zu vollziehen, die schein bar der einzuschlagendcn Bahn entsprechen, in Wirklichkeit aber darauf ansgchen, die Selbständigkeit des Buchhändlers zugunsten bestimmter Sondcrinteressen zu untergraben und auf den Wegen, ans denen er schon aus reinem Selbsterhaltungstriebe nicht mit gehen kann, einfach über ihn hinwegzuschreiten. Das letzterschienene Heft des »Kunstworts« enthält eine aus der Feder des Herrn vr. Ferdinand Avenarius stammende An kündigung einer neuen »Mittelstelle für Volksschristen«. Wir wollen den Kunstwartherausgeber und Vater des Dürerbundes selbst zu unfern Lesern sprechen lassen und ihnen, die wir zum großen Teile als Freunde des Kunstworts und Dürerbundes ken nen, Gelegenheit geben, zu prüfen, ob unsere an dem neuen Un ternehmen geübte Kritik, die nur eine dringende Warnung vor schwerer, den ganzen Buchhandel treffender Gefahr sein tann, als berechtigt anzuerkennen ist oder nicht. Herr Avenarius schreibt: »Wiederum können wir aus ein neues großes Unternehmen des Dürerbundes Hinweisen — möge es so glücklich gedeihen, wie die übrigen! Wir haben unterm fachmännischen Betriebe der in solcher Arbeit längst bewährten Firma I. Bettenhausen in Dresden eine Mittelstelle für Volksschristen' gegründet, und wir meinen: sie ist geeignet, den Kampf gegen die Schund literatur auf der ganzen Linie unter den denkbar günstigsten Bedingungen zu fördern. Die Aufgabe hat jetzt ein anderes Gesicht als früher. Als der Kampf begann, war an guten billigen Büchern und Heften Mangel*), jetzt ist von ihnen Vorrat da, und von Jahr zu Jahr vergrößert er sich. Die Arbeit geht nun in der Hauptsache aus zweierlei. Erstens: auf eine Auslese der Volkslite ratur derart, daß man tatsächlich dem Guten dient. Zweitens: auf eine Verbreitung an sovielen Stellen, wie nur möglich. Hinsichtlich der .Auslese': Die neue .Mittelstelle für Volks- schriften' stellt sich unter die Auswahl-Bedingungen des Dürer- *> Diese Behauptung entspricht nicht den Tatsachen. Ich glaube den Nachweis des Gegenteils in meiner Broschüre »Das billige Buch« lBerlag non Hermann Zieger, Leipzig; 3t> ^ ord.) erbracht zu haben. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 80. Jahrgang. bundes und versieht alle von diesem zugelasse - neu Schriften mit einem Stempel, der das gesetzlich geschützte DUrcrbundzeicheu um geben von den Worten bringt: .Empfohlen vom Dllrcrbund e'. Dadurch hat die große alle und junge Leserschaft, auch wenn sie nicht näher Bescheid weiß, die Gewähr, nur anstän dige Sachen zu erhalten. Der Stempel des Dürerbundes wirkt an Ort und Stelle als auszeichnende sogenannte Qualitäts- markc, sagen wir deutsch: als W e r 1 m a r k e. Alle guten Volksbüchereien sind zugelasscu, soweit das geschäftlich eben möglich ist. Aber auszuschliehen sind alle Unternehmungen, welche sich dem Kampf gegen die Schund literatur nur scheinbar anschlietzen, oder gar Bücher der Nick- Carter- und sonstigen Schundliteratur selbst. Dem Arbeits ausschuß des Dürerbundes steht für das neue Unternehmen die Vorlese und ein Vetorecht zu. Bücher, die mehr als eine Mark kosten, kommen für diese Zwecke kaum in Be tracht, unter den übrigen soll bei strittigen Fällen so weitherzig wie möglich verfahren werden, denn wo Schlechtes verdrängt werden soll, kann man ja zum Besten sehr oft erst allmählich heranziehen. Die Auswahl der ausgestellten Sachen wird an sehr vielen Stellen wechseln, wird sich dem Publikum, dem Orte, der Zeit anpassen müssen. Aber überall darf, wie be merkt, nur aus jener selbstverständlich großen Reihe von Schriften gewählt werden, die vom Dürerbunde gutgeheitzen sind. Sprechen wir nun von der V e r b r e i t u n g. Die den örtlichen Verhältnissen, den Zeitumständen usw. angepaßte Auswahl aus guten Heften und Büchern wird aus besonderen gleichfalls gesetzlich geschützten und geschmackvoll hergerichteten Stasfeleien oder Automaten ausgestellt, welche die Aufschrift tragen: Guter billiger Lesestoff, empfohlen vom Dürerbunde. Wer sie auf stellt, verpflichtet sich, sie ausschließlich für Schriften mit der Dürerbundmarke zu benutzen. An Gelegenheiten, gute Schriften zu verbreiten, gibt es viel mehr, als man bisher benutzt hat. Die natürlichste, erfahrenste und, wo sie nur arbeiten kann, zweckmäßigste Organisation dafür ist selbstverständlich der Buchhandel. Einer unserer ersten Grundsätze ist deshalb: wir wollen nicht gegen den Buchhandel ar beiten, sondern, wo immer er sich mit uns Verbünden will, mit ihm.« Als ins Auge zu fassende Standorte für die Stasfeleien und Automaten werden genannt: der Laden des Sortimenters, die Bahnhöfe, die Gastwirtschaften, ferner Gerichtsgebäude, Ge meindeämter, Sparkassen, Kasernen, Schulen usw. Zunächst handelt es sich um die Frage, ob sich die deutschen Verleger zur Abstempelung ihrer Erzeugnisse bereit finden wer den. Der Versuch einer solchen Bevormundung ist bereits im Musikalienhandel aufgetaucht, als es sich darum handelte, sei tens des Musikpädagogischen Verbands bestimmte Musikalien durch Stempel zu qualifizieren. Ein diesbezüglicher Vorschlag ist damals gescheitert. Man fühlte wohl, daß die Abstempelung, so empfehlenswert sie im ersten Augenblicke erschien, schwere 5S8