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^5 99. 1. Mai 1909 Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 5265 samem Titel in numerierten Heften erschienen und in den Zeitungsverschleißstellen, namentlich in den Tabaktrafiken zum Verkauf gelangt. Nachträglich, und zwar veranlaßt durch verschiedene Zeitungs artikel, die die angeführten Druckschriften als Schundliteratur hinstcllten, der im Interesse des Volkes entgegenzutreten wäre, faßte die Sicherheitsbehörde im Jahre 1906 den Entschluß, diesen Druckschriften die Eigenschaft periodischer Druckschriften abzu erkennen, aus welcher Verfügung sich die Folge ergab, daß der Vertrieb derselben in den Zeitungsverschleißstellen fortan zu unterbleiben hatte. Die diesfällige Entscheidung vom 8. Oktober 1906, Z. 1109, lautet wörtlich dahin: »Mit Rücksicht auf die äußere Form und den Inhalt der bisher erschienenen Ausgaben der von Ihnen als periodische Druckschriften angemeldeten Druckschriften . . . . kann diesen die Eigenschaft einer periodischen Druckschrift im Sinne der 88 7 und 10 des Preßgesetzes .... nicht beigemessen werden. Es können sonach die für periodische Druckschriften geltenden gesetzlichen Vorschriften auf diese Preßerzeugnisse keine Anwendung finden, und es wird demnach bei Widerruf der mit dem hieramtlichen Dekrete vom ... im Sinne des § 10 des Preßgesetzes erfolgten Erledigung diese Druckschrift als eine nichtperiodische erklärt. Demgemäß erscheint auch der fernere Verkauf der in Rede stehenden Preßerzeugnisse in den nach § 3 des Preßgesetzes betriebenen Zeitungsverschleißstellen nicht mehr zulässig.« Gegen diese Entscheidung brachte I. F. den Rekurs ein, in dem er in erster Linie geltend machte, daß er durch die amtliche Kenntnisnahme der nach § 10 erstatteten Anzeigen ein unwider rufliches Recht, diese Druckschriften zu verbreiten, erlangt habe, zumal er nach § 17 spätestens 24 Stunden nach Vorlegung des Pflichtexemplars mit der Verbreitung beginnen durfte. Die Sicherheitsbehörde und der Staatsanwalt hätten nur das Recht, nach § 487, 490, 493 der Strafprozeßordnung vorzugehen, dagegen kenne die Strafprozeßordnung keine Ent- scheidung des vorliegenden Inhalts, weshalb sie unerlaubt und Auch in msrito sei die Entscheidung der Polizeidirektion unrichtig, weil es sich tatsächlich um periodische Druckschriften handle. Wenn auch das Gesetz eine Definition des Begriffes der periodischen Druckschrift nicht gebe, so gehe doch aus § 7, Absatz 2 hervor, daß jedenfalls die einzelnen Exemplare der periodischen Druckschrift ein in sich abgeschlossenes Ganzes darstellen können, wenn sie nur durch gemeinschaftlichen Titel, durch Numerierung usw. darauf Hinweisen, daß diese Druckschriften mindestens einmal im Monat erscheinen. Andere Voraussetzungen für den Begriff derselben existierten nicht. Diesem Rekurse wurde in zweiter Instanz und auch mit der nun in Beschwerde gezogenen Entscheidung des k. k. Mini steriums des Innern vom 2. Januar 1907, Z. 10326, aus den gerichtshof von folgenden Erwägungen ausgegangen: I. In erster Linie mußte sich der Gerichtshof mit der Ein wendung der Beschwerde befassen, daß die Sicherheitsbehörde bereits über den Charakter der periodischen Druckschrift eine Entscheidung gefällt und diese Entscheidung von Amts wegen und ohne Grund aufgehoben habe, welcher Einwand füglich nur dahin verstanden werden kann, daß die Sicherheitsbehörde im Hinblick auf die Kenntnisnahme von den nach § 10 des Preßgesetzes erstatteten Anzeigen zu einem amtswegigen späteren Einschreiten und insbesondere zur angefochtenen Aberkennung der Eigenschaft periodischer Druckschriften nicht berechtigt gewesen sei, eine Ein wendung, womit sich zugleich die weitere Einwendung verknüpft daß die Sicherheitsbehörde hierbei die Grenzen ihrer Kompetenz überschritten habe. Hierauf ist folgendes zu erwidern: Die Anzeige einer Partei, daß sie eine periodische Druckschrift herauszugeben beabsichtige, ist die Befolgung einer Ordnungs vorschrift, und durch die behördliche Kenntnisnahme derselben erhält die Partei das Recht zur Herausgabe der Druckschrift, ein Recht, das ihr übrigens auch dann zusteht, wenn die Sicherheits behörde binnen acht Tagen nach Überreichung der Anzeige nichts verfügt, sich daher vollständig passiv verhält. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. Eine eigentliche Entscheidung über die Qualifikation der an gezeigten Druckschriften als periodischer Druckschriften ist demnach auch in der ausdrücklichen Kenntnisnahme noch nicht zu erblicken, zumal die Druckschrift selbst der Behörde noch nicht vorliegt und in den meisten Fällen erst durch Einsicht in dieselbe wird ent nommen werden können, ob tatsächlich eine periodische Druckschrift vorhanden sei oder nicht. Aber selbst wenn angenommen werden wollte, daß die ausdrückliche Kenntnisnahme der Sicherheits behörde, wie sie in dem vorliegenden Falle erfolgt ist, schon als eine Entscheidung über die rechtliche Qualifikation der Druckschrift als einer periodischen aufgefaßt werden könne, so würde daraus doch keineswegs folgen, daß die Behörde nicht berechtigt sei, dann, wenn sie nachträglich aus der betreffenden Druckschrift selbst entnimmt, daß es sich bei derselben um eine periodische Druck schrift nicht handelt, daß also die Voraussetzungen, unter denen die erste Verfügung erfolgte, nachträglich sich als nicht zutreffend oder als nicht mehr vorhanden Herausstellen, auch auszusprechen, daß derselben die Eigenschaft einer solchen abgesprochen wird. Daraus aber folgt, daß die Einwendung der Beschwerde über die Unzulässigkeit der nachträglich erfolgten Aberkennung der Eigen schaft periodischer Druckschriften unbegründet ist. Aber auch von einer Kompetenzüberschreitung und einem Eingriffe in die dem Strafgerichte nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung vorbehaltenen Tätigkeitsgebiete kann hier keine Rede sein, weil es sich überhaupt nicht um ein technisches handelt, zu welchem die Sicherheitsbehörde als Verwaltungs behörde berufen ist und als dessen Konsequenz sich nur die Entziehung der Verkäuflichkeit in den Zeitungsverschleiß- der Eigenschaft von periodischen Druckschriften ist es daher auch ganz unentscheidend, ob die Staatsanwaltschaft und das Gericht sich wegen des Inhalts der Druckschriften zu einem Einschreiten veranlaßt sahen oder nicht, und es kann daher aus dem Um stande, daß dies nicht geschah, kein Argument gegen die Zulässig keit einer Entscheidung der hiervon ganz unberührt bleibenden Verwaltungsbehörde abgeleitet werden. II. Der Gerichtshof hat sich nunmehr noch milder materiell rechtlichen Einwendung zu befassen, welche dahin geht, daß der Ausspruch, wonach den gegenständlichen Druckschriften der unrichtig sei. Der Gerichtshof vermochte auch in diesem Punkte die Be schwerde nicht für begründet zu erkennen. Durch die von dem Beschwerdeführer seinen Druckschriften gegebene äußere Form — Abteilung derselben in einzelne Hefte mit fortlaufenden Nummern unter gemeinsamem Titel — sowie durch die der Vorschrift des § 10 des Preßgesetzes entsprechende Anzeige, welche insbesondere ein Programm und die Angabe schriflen wohl der äußere Schein, keineswegs aber der wirkliche Charakter von periodischen Druckschriften ausgeprägt, und konnte hierdurch der letztere denselben auch nicht verliehen werden. Das Preßgesetz vom 17. Dezember 1862 gibt keine eigentliche Definition des Begriffes einer periodischen Druckschrift, setzt den selben vielmehr als bekannt voraus und grenzt diesen Begriff, soweit er für das Preßrecht in Betracht kommt, nur durch Aufstellung von zwei Erfordernissen ab. Das eine Erfordernis besteht lediglich in der Vorschrift, daß die betreffende Druck schrift, um auf die Qualifikation als periodische Druckschrift im Sinne des Preßgesetzes Anspruch machen zu können, wenigstens einmal im Monat erscheinen muß, § 7, Alinea 1; das zweite Erfordernis aber besteht nach § 7, Alinea 2, darin, daß die be treffende Druckschrift sich nicht als Teil eines Lieferungswerkes darstellen dürfe. Wenn nun auch im vorliegenden Falle den Erfordernissen des ersten Absatzes des § 7 entsprochen wurde, so kann doch nicht das gleiche hinsichtlich jenes Erfordernisses behauptet werden, mit welchem sich der zweite Absatz dieser Gesetzesstelle beschäftigt. Denn in diesem zweiten Absätze des tz 7 schließt das Preß gesetz aus dem Begriffe der periodischen Druckschrift jene Druck werke aus, welche — mögen sie auch in bestimmten Zeitabschnitten erscheinen — doch bestimmt sind, ein für sich abgeschlossenes 68Ü