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44, 23. Februar 1916. Redaktioneller Teil. mit Frenssen ins Gericht gegangen bin, der wird die gezeigte Mäßi gung in dem angeführten Satze anerkennen müssen. Im übrigen, was Dithmarscher Bauerntum ist, weiß ich als Dithmarscher, da kann man niich nicht eines Besseren belehren — und meine Landsleute stimmen mir im allgemeinen zu. Uber Molos Schiller-Noman habe ich nur bemerkt, daß ich mich (weil er mir nach Kurz und Scherr zu nervös erscheint) nicht a» ihn gewöhnen kann, im übrigen aber das Talent des Verfassers anerkannt. Milder kann man doch nicht sprechen. Mein Kritiker nennt das Polemik und meint, ein Führer müsse »voraus- setzungsloS« über ein bestimmtes Gebiet unterrichten. Diese Voraus setzungslosigkeit gibt eS aber natürlich nicht, sogar die Weihnachtskata loge der Buchhändler sind nicht vornnssetzungslos, da bei ihnen die Neuheit der Werke und weiterhin eine bestimmte Rücksichtnahme auf den wahren oder vermeinten Geschmack des Publikums entscheidet. Aber Streben nach Gerechtigkeit ist möglich und daun der höhere Stand punkt des VolkStumS. Ich bin weit entfernt, den weinigen einfach mit diesem zu identifizieren (mau verzeihe das Fremdwort!), aber die Überzeugung habe ich doch, daß eine so bündige und vollständige Ro manübersicht, wie ich sie zu den Listen geliefert, bisher noch nicht vor handen war. Die stilistischen Unebenheiten gebe ich mit Vergnügen zu das Büchlein sollte zuerst vor Weihnachten heraus, und ich mußte also wieder einmal, wie so oft, »Hetzen«. Da wird unschwer zu bessern sein. Was nun die Listen selber anlangt, so sind sie natürlich früher als die Einleitung geschaffen. Ich hätte vielleicht die Verantwortung sür sie übernehmen können, unterließ es aber daun doch, um eine bestimmte Wahrung des buchhändlerischcn Standpunktes zu ermöglichen. Eine Anzahl Modcbücher müssen in solchen Listen sein, sonst wird das Publikum geradezu mißtrauisch — nach einigen Jahren wird man sie ja in der Regel ausmerzen können. Der Kritiker tadelt, daß bei spielsweise Busse, Otto Erich Hartleben, Rudolf Huch, Anna Croissant- Rust, Richard Vvß, Julius Wolfs fehlen — einige von diesen habe ich, wie mir der Verlag bestätigen wird, bereits für die bevorstehende zweite Auflage in Vorschlag gebracht, Hartleben, N. Voß und I. Wolfs werde ich aber, wie ich hier ganz offen erkläre, nicht in Vorschlag bringen; denn meiner Ansicht nach sind die beiden ersten völkisch bedenklich, Julius Wolfs aber ist, obgleich seiu »Sülfmeister« kein schlechtes Werk ist, ini ganzen überwunden. Der Kritiker meint, wir hätten nicht so viele gute humoristische Schriften, daß wir Bierbaums »Stilpe« oder Hartlebens »Geschichte vom abgerissenen Knopf« missen könnten. Ich bin auch nicht so hnmorverlassen, daß ich nicht bei beiden lachen könnte (zumal ich ein Jugendbekannter Hartlebens bin), aber wie die Dinge mit uns Deutschen jetzt stehen, scheint es mir doch nötig, daß wir von der Kellnerinnen- und Ar tisten weit, in der sie spielen, einmal etwas ab lenken ; in Romanlisten, die völkisch erzieherisch wirken sollen, haben sie schwerlich etwas zu suchen. Übrigens brauchen die Verleger dieser Werke nicht ängstlich zu sein, sie behalten ihr Publikum schon; solche Werke werden allezeit ausgiebig mündlich weiter empfohlen. Doch Hai es natürlich keinen Zweck, hier über die einzelnen anfgenommcncu Werke zu streiten; ich nehme es dem Kritiker auch gar nicht übel, daß er von l'.erstäckers seichtem Erzählertalent spricht, obgleich ich, nachdem ich vor einigen Jahren »Unter dem Äquator« uud »Gold« gelesen, ganz anderer Ansicht über diesen Alten bin. Aber für wichtig halte ich es, mich mit ihm über die angebliche Schwäche der Gruppierung der Listen anseinanderzusetzen. Es sind in dem Büchlein die Listen in zwölf Gruppen gegeben worden, die der Kritiker auch alle ehrlich an führt. Ja, ich sehe keine andere Möglichkeit als diese Gruppierung, wenn das Büchlein für das große Publikum praktisch sein soll. Alpha betische Anordnung nach Dichternamen oder Nomantiteln eröffnete dem äußerlichsten Zufall Tor und Tür; der geschichtlichen Anordnung ginge das große Publikum schwerlich gründlich nach, im übrigen bietet sie ja meine Einleitung; eine Zusammenstellung nach der inneren Verwandt schaft der Dichter würde außerordentlich schwierig sein (bringen sie doch nicht einmal unsere Herren Literaturhistoriker immer fertig), sehr viele Unterabteilungen erfordern — und vom Publikum doch übersehen werden Nein, cs müssen schon Gruppen nach allgemeineren Gesichts punkten, selbst wenn sie nicht immer organisch sind, sein. Der Kritiker tadelt u. a. die Trennung in Geschichts- und Zeitromane — nun ich dächte, den Begriff des Zeitromans hätten wir doch seit Jmmermanu und Gutzkow von dem des historischen scharf abgegrcnzt — was geschicht liche Helden vorführt, ist Geschichtsroman, was auf Darstellung der eigenen Zeit mit erfundenen Personen ausgeht (und dadurch später manchmal Geschichtswert bekommt), Zeitroman, da ist keine Verwir rung möglich. Aber für die Eiruppe »Ausgesprochen moderne Romane« bin ich auch nicht sehr eingenommen, und ebenso sehe ich ein, daß bei der Gruppe »Frauenromane« Romane von Frauen und für Frauen, über das Frauenproblem dnrcheinandergehen, wenn' mir auch der letztere Gesichtspunkt ausschlaggebend erscheint. Es fragt sich nur, wie ^ soll man zu wirklich alles deckenden und dabei scharf unterscheidenden Begriffen uud Namen kommen. Vielleicht kann uns der Kritiker einige praktische Ratschläge geben. Wenn er sagt: »Auch der beste Kenner der Literatur wird mit einer so unorganischen Gruppierung nichts an- zusangcn wissen«, so verschiebt er übrigens die ganze Sache; es handelt sich nicht um Kenner der Literatur, sondern um das mit nicht ganz klaren Anschauungen und ohne größeres Wissen kommende Publikuni und etwa noch uni unerfahrene Bücherverkäuscr. Am entschiedensten stimme ich dem Kritiker zu, wenn er die Hiu- iveise ans die einzelnen Werke nicht alle auf der Höhe findet. Sie sollen ja nun freilich nicht geistreiche Etikettierungen (wie sie ein anderer Kritiker verlangte) werden, sie sollen auch nicht »Kritiken-, wie der Kritiker des Börsenblattes sie nennt, sein, sondern eben nur bündig Hinweisen, meinetwegen Neugier erwecken, und da kann unter Umständen eine Bemerkung über den sachlichen Gehalt ebenso zweckentsprechend sein wie eine über die künstlerische Wesenheit des Dichters, eine über das Milieu ebenso nützlich ivie eine über die Form des Werkes. Aber ich gebe zu, gerade hier läßt sich noch manches bessern, und es wird ja auch, da die Firma Koehler ausdrücklich die Mitwirkung der breitesten Kreise erbeten hat, nach und nach geschehen. Man ver lauge uur nicht gleich allzuviel! Es dürfte wenig Leute in Deutschland geben, die 3—400 Romane genau im Kopfe haben, selbst die Herren Literaturhistoriker schreiben oft einer dem andern nach wo aber guter Wille ist, da erkennt man auch schon bescheidenere Leistungen au, und ich glaube doch, Koehlers Nomanführer, auch wie er jetzt vorliegt, ist eine nicht untüchtige. Tie nächste Auflage, die, wie gesagt, bevor steht, wird schon einen Fortschritt zeigen, die dritte, an deren Er scheinen ich bestimmt glaube, diirfte so ziemlich alle berechtigten Wünsche erfüllen — und unser Volk de» Nutzen davon haben; denn eine allgemeine Hebung des Niveaus würde die stärkere Benützung der Listen, die wenigstens geschichtlichen Weitblick haben, die Deutschen aus sich selber stellen und, ohne eng zu werden, auch eine gesunde sittliche Tendenz verraten, ja doch wohl bedeuten, und darauf kommt cs in der gegen wärtigen Zeit an. Weimar. A. Bartels. Es entspricht zwar nicht den Gepflogenheiten des Börsenblattes, sich mit den Verfassern der in seinen Spalten besprochenen Bücher über die Berechtigung von Ausstellungen anseinanderzusetzen, da aber die Besprechung der Broschüre von Professor Bartels von der Re daktion herrührt und das Thema von besonderem Interesse für de» Buchhandel ist, so haben wir kein Bedenken getragen, die Auslassungen des Herrn Professor Bartels hier abzudrucken. Obwohl er anerkennt, daß die Besprechung unzweifelhaft wohlwollend ist und berechtigte Aus stellungen enthält, so ist er doch mit einzelnen Ausführungen der Re daktion nicht einverstanden. Hier steht indes dein guten Rechte des Verfassers, seine Ansichten vorzutragen, das Recht des Kritikers gegen über, anderer Meinung zu sein. Welche Bedeutung wir schon vor Fahren allen Bestrebungen zur Herbeiführung einer besseren und zweckmäßigeren Orientierung über den Büchermarkt besonders auf dem Gebiete der Romauliteratur beigemcssen haben, geht aus einer An regung hervor, die wir seinerzeit in der »Allgemeinen Buchhändler zeitung« 1910 Nr. 2 veröffentlichten. »Sache des tüchtigen Sorti menters«, schrieben wir dort gelegentlich der Veröffentlichung von Vor schlägen über Reformen im Buchhandel, »wird es immer sein, zu er kennen, welches einzelne Buch sich für den eiuzelueu seiner Kunden eignet, wie es Sache der Verleger uud Barsortimenter sein muß, ihm in der Kenntlichmachung und Charakterisierung der einzelnen Erschei nungen des Büchermarkts behilflich zu sein. In diesem Punkte fehlt es noch an der rechten Einteilung, besonders soweit es sich um das große Gebiet der Nomanlitcratur handelt. Wohl geben Autor und Ver lag einen gewissen Anhalt hinsichtlich der Güte eines Werkes, nicht aber in bezug auf den Abnehmerkreis, sodaß der Sortimenter ratlos vor der Fülle der Neuerscheinungen auf diesen« Gebiete steht. Hier könnten Zusammenstellungen nach dem stofflichen Gebiet bzw. nach rein praktischen Gesichtspunkten: historische bzw. kulturhistorische Romane, Landschafts-Romane (Heimatlitcratur, Großstadt-Noinane), Kauf manns-Dichtungen, Lehrer-, Pastoren-, Offiziers-, Handwerker-, The ater-Romane, geographische, alpine Romane nsw., dem Sortimenter wertvolle Dienste leisten, wenn sie ihn auch nicht zum Spezialisten erziehen sollen. Um den Berater seiner Kundschaft abgeben zu können, muß der Sortimenter selbst gut beraten sein und im Allgemeinen das Spezielle erkennen können. Denn er wird leichter Bücher und Men schen zusammenbringen, wenn er zwischen ihnen eine Brücke zu schla gen vermag, als wenn er ganz allein auf die Notwendigkeit des Bücher erwerbs hinweist, ohne sie sachlich in jedem speziellen Falle gewisser maßen beweisen zu können. Diese in der Kenntnis seiner Ware bc gründete Fähigkeit in Verbindung «nit der Ausgabe, vorhandene Be- 201