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ov 48, 21. Februar 1SII. Nichtamtlicher Teil. My-Nblatt s. d. Dtlchn. Duchzand-I. 2235 recht wenig vom Erfolg überzeugt, zum Teil auch nicht von der Notwendigkeit der Beteiligung in ähnlicher Form. 3. Auch in denHauptversammlungen verschiedener Kreisvereine, die sich eingehend mit der Frage der Be teiligung am Kampfe gegen Schmutz- und Schundliteratur beschäftigen, hat sich nicht allzuviel Neigung zu dieser Art des Kampfes gezeigt. 4. Beachtenswert sind einzelne Fälle und Formen buch händlerischer Tätigkeit, z. B. die Ausstellung des Vereins Erzgebirgischer Buch- und Zeitschriftenhändler in Chemnitz, die dem ungerechtfertigten Vorwurfe der Ver breitung von Schundliteratur begegnen soll. In einem Vortrage wird der Streit Lehmann oovtr» Schulze betreffend die Höhe des jährlichen Umsatzes an Schundliteratur er wähnt und der jährliche Umsatz auf 8 Millionen Mark ge schätzt. Hauptverbreiter wären Ramsch- und Kellergeschäfte sowie die »wilden- Kolporteure der Abzahlungsgeschäfte. Von 39 zur Ausstellung cingeladenen Kolportagefirmen fehlt allein der Verlag moderner Lektüre (M. Lehmann), Berlin Die buchhändlerischen Ortsvereine in Bremen und Hannover haben sich an der Wanderausstellung der Dichter- Gedächtnis-Stiftung beteiligt. Eine vollständig neue Beteiligungsart ist in Idstein i. T. geschaffen worden, bei der der Buchhandel leider eine wenig selbständige Rolle gespielt hat. Dort hat der Ausschuß für volkstümliche Kunst und Bildungspflege im Zentrum der Stadt für die Buchhändler eine gemeinschaftliche Verkaufs stelle eingerichtet: er hat von Mitte November bis Weih nachten einen Laden gemietet, mit Licht und Heizung ver sehen und den Buchhändlern unentgeltlich zur Verfügung gestellt. »Damit nur wirklich gute und billige Bücher zum Verkauf kommen, steht den Buchhändlern eine sachverständige Kommission des Ausschusses zur Seite.» Die Synode Idstein hat aus ihre Kolportage innerhalb der Stadt ver zichtet und arbeitet mit dem Ausschuß für Kunst und Bildungspflege gemeinsam. Der Kreisverein Ost- und Westpreußischer Buch händler konnte in der Hauptversammlung keinen Beitrag zur Bekämpfung der Schundliteratur bewilligen, weil statutenmäßig die Beiträge -nur zu eigenen Vereinszwecken» verwendet werden dürfen. In Hamburg leiten Buchhändler, die sich dazu frei willig erboten haben, die Auslagen und den Verkauf der Jugendschristen an den Elternabenden. Die Verteilung dieser Buchhändler erfolgte durch den Vorsitzenden des Ortsvereius unter Berücksichtigung ihrer zu den einzelnen Schulen bereits bestehenden Beziehungen. In Ansbach hat die Seyboldsche Buchhandlung unter Förderung des Jugendsürsorgeverbandes eine Ausstellung veranstaltet, der das Nürnberger Ausstellungsverzeichnis zu Grunde gelegt ist. Neu ist der im 3. Hefte der Hochwacht ausführlich be gründete Vorschlag, nach Art des Bahnhossbuchhandels in den Geschäftsstellen der Post Verkaufsstände guter billiger Bücher einzurichten. Aus wenigen Städten, erneut aus Straßburg, auch aus Worms wird vom ersprießlichen Zusammenarbeiten von Buchhändlern, Lehrern und Behörden berichtet. Der Verein der Buchhändler zu Leipzig hat sich zur Beseitigung von Mißständen in den Auslagen an den Rat gewendet, der »nach Lage der Gesetzgebung« nur geringes Entgegenkommen zeigen konnte. II. Tätigkeit der Behörden, soweit nicht bereits im allgemeinen Bericht für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1909 behandelt: Die Resolution Behrens und Genossen betreffend einen neuen Gesetzentwurf zum besseren Schutze der Jugend gegen Schmutz- und Schundliteratur hat nach der Cölhener Zeitung die Bundesstaaten bestimmt, Erhebungen anzustellen: 1. Uber die Beobachtungen, die hinsichtlich des Auf tretens und der Wirkungen: a) der Schmutzliteratur und der unsittlichen Darstellungen, b) der Schundliteratur, e) der beiden gleich wirkenden Darbietungen auf Jahr märkten, in minderwertigen Theatern,Kinematographen- Theatern, Mutoskopen usw. gemacht worden sind; 2. über die zur Bekämpfung erforderlich gewordenen bzw. gebrauchten Mittel und 3. die damit erreichten Wirkungen; 4. über die Notwendigkeit eines Vorgehens von Reichs wegen, namentlich auf dem Gebiete der Gesetzgebung und die in dieser Beziehung zu machenden Vorschläge. Die Überwachung des Handels mit unzüchtigen Schriften usw. vom Auslande her wird vom 1. Januar 1911 ab nur noch durch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht I Berlin stattfinden. Alle Polizeiverwaltungcn haben etwaige Wahrnehmungen unverzüglich dem Berliner Polizei präsidium mitzuteilen, das sie weitergibt, sofern ein Anhalt zum Einschreiten vorlicgt. III. Aus der Privattätigkeit wären neuerdings hervorzu heben: Die positive Arbeit der Landesorganisation zur Bekämpfung der Schundliteratur in Württemberg. Aus der Gründungsversammlung in Stuttgart werden als Hauptaufgaben unter anderen hingestellt: Gründung und Vermehrung von Volksbüchereien, kritische Durch sicht, Entfernung wertloser Bücher, Ergänzung durch neue billige Schriften, stetig zu ergänzender Muster katalog. Vorlesen guter Erzählungen und Gedichte. Sonstige Aufmunterung zum Ankäufe guter Schriften. Statistische Feststellung der meistgelesenen Bücher in Volksbibliotheken usw. und danach richtige Bücherauswahl für Stadt und Land unter Betonung des stofflichen Interesses für einfache Leser, die »merkwürdige» Ver wandtschaft in ihrem literarischen Geschmacks mit der Jugend haben. Starkes Hervortreten der Ausstellungen guter und schlechter Bücher als Kampfmittel. Neuerdings beteiligen sich auch die Volksbibliotheken in dieser Form am Kampfe. Die Wanderausstellungen, namentlich die der Dichter-Gedächtnis-Stiftung, verzeichnen starken Besuch, die mit ihnen verbundenen Aufforderungen an die Konfirmanden, Schundliteratur abzuliefern, haben in Bremen, Hamburg und Stettin — ca. 5800 Hefte nach wenigen Tagen — überraschende Erfolge gehabt. Die Gesellschaft der Bibliophilen in Berlin verwahrt sich wiederholt gegen Verwechselung mit sogenannten »Vereinen derBibliophilen«, die in Wahrheit Pornographen seien. Der Leiter eines großen Internats teilt mit, daß er schon seit einer Reihe von Jahren bei den Eltern anfragt, ob sie damit einverstanden sind, daß sür die Schüler ein Buch zu Weihnachten besorgt wird. Die Antwort laute meist zustimmend. IV. Ausland. Zu den im allgemeinen Berichte aufgesührten Staaten gesellt sich noch Italien. Die neue Gesetzesvorlage ist wesentlich verschärft. Der Verkauf oder Vertrieb von unsittlichen Werken ist bedroht mit einer Mindeststrafe von 3 Monaten Gefängnis und 1000 Lire Geldbuße, der an Minderjährige mit einer Mindeststrafe von 4V- Monaten (bis 1V> Jahre). Schon das Vorzeigen an Minderjährige (unter 18 Jahren) wird mit 30— 300 Lire gestraft. Präventivzensur für Kinos eingesührt, alle Delikte — auch die auf das Ausland zurückzu- 292»