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92, 23. April 1900. Nichtamtlicher Teilt 3125 Prehivesen und mit lebhaftem Handel und Verkehr. Gleich wohl muß sie ebenso wie die Quittungssteuer abgelehnt werden. Sie wirkt als eine Hemmung des Verkehrs, trifft die Be mittelten und Unbemittelten nicht in einem ihrer Leistungs fähigkeit entsprechendem Maße und steht insoweit auch mit dein Grundgedanken, der die moderne Steuergesetzgebung doch mehr oder minder beherrscht, nicht sin Einklang, nämlich mit dem Grundgedanken, daß die steuerliche Belastung sich dem finanziellen Leistungsvermögen der Censiten anzu passen habe. Allerdings ist es ja richtig, daß die steuertechnische Seite keine oder doch keine nennenswerten Schwierigkeiten macht Der Staat erhebt von dem Inserat eine Gebühr, diese Ge bühr hat der Zeitungsoerleger zu entrichten, dessen Sache es ist, ob er sie von dem Inserenten sich wiedererstatten läßt oder nicht. Ausfälle sind gerade bei dieser Steuer am wenigsten zu fürchte», und auch die Erhebungsart verursacht keine Kosten, die zum Ertrag in Mißverhältnis stehen würden; endlich ist auch nicht zu befürchten, daß Defraudationen und Hinterziehungen hierbei eine wesentliche Rolle spielen. Diesen steuertechnischen Vorzügen stehen aber Nachteile gewichtigster Art gegenüber. Daß durch das Inserat der Arme in gleichem Maße getroffen wird wie der Reiche, wurde schon gesagt; freilich ließe sich ja hiergegen bis zu einem ge wissen Grade Abhilfe schaffen, die Steuer könnte je nach Um fang und Größe des von dem Inserat eingenommenen Raumes eine verschiedene sein; dies würde aber die Einfach heit der Erhebung und Berechnung beeinträchtigen. Abgesehen hiervon würde die Steuer den Verkehr nach mancher Richtung erschweren. Das Inserat ist heute zu einem unentbehrlichen und unumgänglichen Verkehrsmittel geworden, der kleine Verkehr kann ebensowenig darauf verzichten, wie der große; für den letzteren würde die Belastung sicherlich kein Grund sein, in der Anwendung dieses Verkehrsmittels sparsam zu werden oder gar darauf zu verzichten; für den ersteren dagegen dürfte die Besteuerung im Verhältnis nicht selten zu diesem Entschluß führen. Der wenig bemittelte Unterbeamte oder Kleinhändler, der ein Zimmer zu ver mieten hat, wird sich wohl besinnen, ob er inserieren soll, wenn er für das Inserat auch noch eine Steuer zu zahlen hat; er wird es wahrscheinlich vorziehen, anderer Mittel sich zu bedienen, um seinen Zweck zu erreichen. Selbst dann, wenn die Jnseratenstener dem Preis des Inserats entsprechend progressiv gestaltet wird, fühlt der kleine Verkehr die Belastung in verhältnismäßig intensiverem Maße als der große, und es dürfte überhaupt uicht möglich sein, dies zu verhüten. Auf alle Fälle müßte daher als Folge der Ein führung der Jnseratenstener mit einem Rückgang der Inserate überhaupt gerechnet werden. Die Rücksicht auf den Einnahme ausfall, der hierdurch den Zeitungen erwächst, wird die Reichsgesetzgebung freilich nicht abhalten, diesem Steuerprojekt näher zu treten; wohl aber dürfte auch die Gesetzgebung sich nicht der Erwägung verschließen, daß, wenn der Jnseraten- umfang eine Einbuße erleidet, dann auch mit einem geringeren Steuererträgnis gerechnet werden muß, und daß alsdann doch wohl zu überlegen ist, ob nicht dieses Erträgnis mit der Erschwerung des Verkehrs zu teuer erkauft ist. Auch das ist nicht zu verkennen, daß die Jnseraten- steuer die monopolistische Entwickelung des Jnseratenwesens sehr begünstigen würde. Die großen Annoncenexpeditionen würden vielleicht bestrebt sein, die Steuer teilweise auf sich zu nehmen, um die Konkurrenz zu drücken; kleine Zeitungen und selbst mittlere würden hierzu außer stände sein; sie würden daher mit der Zeit das Jnseratenpublikum wohl überhaupt verlieren. Es liegt aber offenbar nicht im staat lichen Interesse, die Entwickelung des Jnseratenmonopols zu befördern. Siebenundsechzigster Jahrgang. Mit Rücksicht auf diese Bedenken sollte man das Projekt einer Jnseratensteuer fallen lassen. Es kann Zeiten geben, in denen die Staatsfinanzep so zerrüttet sind, daß auch auf die Erschließuug dieser Steuerquelle, aller Bedenken un geachtet, nicht verzichtet werden könnte; aber glücklicherweise sind die Finanzen des Reichs weit davon entfernt, sich in einer derartigen Verfassung zu befinden, und für dje Deckpng der Ausgaben, die durch die Flottenvermehrung entstehen, kann wohl gesorgt werden, auch ohne daß man zu diesem äußersten Mittel der Beschaffung von Einnahmen greift. Kleine Mitteilungen. Urheberrecht an Photographier». — Ein Gesetzentwurf zum Schutze von Photographieen gegen unbefugte Nachbildung, der von den interessierten Kreisen wiederholt gefordert worden ist, befindet sich der -Nat.-Ztg.- zufolge in der Ausarbeitung und soll demnächst Sachverständigen zur Begutachtung vorgelegt werden. Der gegenwärtige Rcchtsstand entspricht nicht mehr den Bedürf nissen der beteiligten Kreise und dem gegenwärtigen Stande der Technik. Gewünscht'wird u. a. eine Verlängerung der heute nur fünf Jahre währenden Schutzfrist, die Ausdehnung des Schutzes auf jede Art von Nachbildung und die Beseitigung solcher Bestim mungen deS geltenden Gesetzes von 1876, die beispielsweise bei der Herstellung illustrierter Postkarten den Nachdruck von Photo graphieen gestatten. Zur Protestbewegung gegen die -ttsx Heinze-. — Die Bremer Bürgerschaft beschloß auf den Antrag der Sozial demokraten, der von liberaler Seite unterstützt worden war, ein stimmig, den Senat um Ablehnung der sogenannten ttsx Heinze zu ersuchen, falls der Gesetzentwurf an den Bundesrat gelangen sollte. Sonderbesteuerung der Warenhäuser. — Der fünfte deutsche Handlungsgehilfentag, der in den Osterfeiertagen in Hannover versammelt war nnd von mehr als 600 Delegierten aus allen Teilen des Reichs besucht war, nahm folgende Er klärung an: -Der fünfte deutsche Handlungsgehilfentag erklärt, entgegen der Stellungnahme des deutschen Handelstages, die Besteuerung der Warenhäuser nach dem Umsatz als eine erforderliche und wirksame Maßnahme, um den Großbazaren die ungesunde Schleudcrei zu verleiden nnd auch de» produktiven, soliden Kleinhandel konkurrenzfähig zu erhalten, denn das Bazarsystem bedeutet keine gedeihliche Erhaltung wirtschaftlicher Kräfte, sondern eine Schädigung der erzeugenden Industrie und der verbrauchenden Bevölkerung. Auch die Handlungsgehilfen haben ein hervorragendes Interesse daran, daß dieser Entwickelung Einhalt gethan werde, da durch dsese Betriebe den Gehilfen die Aussicht auf spätere Selbständigkeit genommen wird nnd den dauernd abhängigen, namentlich älteren Angestellten in der Regel ganz unwürdige Arbeitsbedingungen zugemutet werden. Der fünfte deutsche Handlungsgehilfentag begrüßt deshalb die Kommissionsbeschlüsse des preußischen Abgeordnetenhauses und gicbt der Hoffnung Ausdruck, daß auch die Parlamente der änderen Bundesstaaten diesem Beispiel bald folgen werden.- Volkszählung. — Das Jahr 1900 wird, nach Ablauf von fünf Jahren seit der letzten Zählung, dem Deutschen Reich wieder eine Volkszählung bringen, und zwar wieder am 1. Dezember, wozu seit länger als Jahresfrist die Vorbereitungen im Gange sind. Mozart-Ausstellung. — Ucher esne Mozart-AuSstellung in Elberfeld wird in der Nationalztg. wie folgt berichtet: Eine Mozart-Ausstellung findet zur Zeit in Elberfeld statt, wo dessen städtischer Thcaterdircktor Hans Gregor diese außer ordentlich interessante Veranstaltung ins Werk gesetzt hat. Es war ein besonders glücklicher Gedanke, gewisse,rmaßer als geschicht,lrch- biographische Erläuterung zu Mozarts dramatischen Hauptwerken, die in dieser Woche in auserlesener Besetzung und neuer Aus stattung am Elberfelder Stadtthcater in Crepe gehen, diese? historische Mozart-Museum zusammenzubringen. Die ^Ausstellung ist in einem der Probesäle nntergcbracht und macht einen recht stattlichen und vielseitigen Eindruck. Mit Bereitwilligkeit hat der preußische Kultusminister vr. Studt die Schätze der königlichen Bibliothek in Berlin zur Verfügung gestellt. Die kostbarep Partituren zur «Zauberslöte-, zur Jupitersinfonie, zu -6osi kän tätig-, -Jdomeneo- befinden sich darunter. Auffallend ist die sorgsame, für jedermann leicht lesbare Niederschrift Wolsgqpg Mozarts; einzelne Partieen find wie gestochen. Nadiext hat er niemals; meist stand in seinem Geist das zu Schreibepde pn- 421