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3124 Nichtamtlicher Teil. 92, 23. April 1900. Nichtamtlicher Teil. Die RonkurrenMausel des neuen Handelsgesetzbuches. Die, eigentlich mit Unrecht so oft erörterte Frage, ob die in einen vor dem 1. Januar 1898 abgeschlossenen Ver trag des Prinzipals mit dem Gehilfen aufgenommene Be stimmung betreffend Konkurrenzklausel jetzt nach dem alten oder nach dem neuen Rechte zu beurteilen sei, ist mit dem 1. April dieses Jahres für fast alle Interessenten endgiltig aus der Welt geschafft. Es sei wiederholt: mit Unrecht ist sie so häufig besprochen worden; denn schon unter dem alten Recht hatte sich in den letzten Jahren eine Praxis bei den Gerichten herausgebildet, die ebenfalls die ungebührlich drückenden Verpflichtungen des Gehilfen aufhob. Um bei lange laufenden Verträgen, wie Engagements verträge es zu sein pflegen, eine Ueberleitung in die neuen Bestimmungen der Gesetzbücher zu erreichen, schreibt der Z 171 der Uebergangsbestimmungen im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. August 1896 vor, daß »ein zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetz buchs bestehendes Miets-, Pacht- oder Dienstverhältnis«, wenn nicht die Kündigung nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs für den ersten Termin erfolgt, für den sie nach den bisherigen Gesetzen zulässig ist, sich von diesem Termin an nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmt. Ein Handlungsgehilfe, der zum 1. April, als dem in den weitaus meisten Fällen ersten Kündigungstermin nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, nicht gekündigt hat, steht demgemäß nunmehr unter dem neuen Recht. Hat er freilich vertragsmäßig eine längere Kündigungsfrist ver einbart, so gilt das alte Recht noch bis zu dem Termin, zu dem er vertragsmäßig kündigen kann. Da nach dem alten Handelsgesetzbuch der Tag der Auf lösung des Dienstverhältnisses auf den ersten Tag des Kalender-Merteljahrs nach vorhergegangener sechswöchiger Kündigung festgesetzt war, so stehen nunmehr alle vor dem 1. Januar 1898, dem Tage des Inkrafttretens dieses Teiles des Handelsgesetzbuchs, abgeschlossenen Verträge, in denen die gesetzliche Kündigungsbestimmung nicht abgeändert worden ist, unter dem neuen Recht, natürlich erst recht das Vertrags verhältnis, das sich lediglich auf das Gesetzbuch ohne Ver trag stützte. Es ist demnach gemäß Z 74 des Handelsgesetzbuchs eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Hand lungsgehilfen, durch welche dieser für die Zeit nach der Be endigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Thätigkeit beschränkt wird, nur insoweit verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch die eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Handlungsgehilfen ausgeschlossen wird. Für die zeitliche Beschränkung setzt das Gesetz einen Maximal zeitraum von drei Jahren fest. Neu ist zudem die Be stimmung, daß der Prinzipal aus der Konkurrenzklausel gar keine Ansprüche erheben kann, wenn er ohne erheblichen Grund das Dienstverhältnis kündigt, oder wenn er durch vertragswidriges Verhalten dem Gehilfen Grund giebt zu kündigen. Gerade jetzt geht eine Mitteilung durch die Zeitungen, wonach das Reichsgericht sich auf den Standpunkt gestellt hat, daß vor dem 1. Januar 1898 abgeschlossene Konkurrenz klauseln noch nach dem alten Recht zu beurteilen seien. Das Urteil geht ohne Datum und Angabe des Senats durch die Presse; es ist aber selbstverständlich, daß es sich dabei um eine Kündigung handeln muß, die zwischen dem 1. Januar 1898 und dem 1. April 1900 liegt. Danach widerspricht das Urteil den dargelegten Ausführungen nicht. Immerhin sind in Anbettacht der früheren Erörterungen die Gründe des obersten Gerichtshofes interessant genug, um sie im Auszug wiederzugeben: Wenn der öffentlich-rechtliche Charakter des 8 74, heißt es dort, mit Bezug auf seine Geltungskraft angeführt wird, so kann damit richtigerweise nur gemeint sein, daß seine Bestim mungen zwingende seien. Nicht richtig aber ist es, daß alle zwingenden Nechtssätze rückwirkende Kraft haben. Es kommt vielmehr darauf an, »welche Wichtigkeit und Bedeutung der Urheber eines derartigen neuen Rechtssatzes ihm aus Gründen der Sittlichkeit und des Gemeinwohls beilegt,« und deshalb insbesondere auch darauf, in welchem Maße schon das bis herige Recht dem Bedürfnisse genügt, dem der neue Rechts satz zu dienen bestimmt ist. Es darf angenommen werden, daß bisher in allen Rechtsgebieten Deutschlands Verein barungen der hier in Bettacht kommenden Art dann als ungilttg angesehen wurden, wenn sie den guten Sitten widersprachen. Wenn anstatt dessen 8 74 des neuen Handels gesetzbuchs eine Konkurrenz - Ausschließungs - Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen nur insoweit für diesen für verbindlich erklärt, als die auferlegte Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch die eine unbillige Erschwerung des Fort kommens des Handlungsgehilfen ausgeschlossen wird, so soll nicht verkannt werden, daß damit in Bezug auf die Zulässig keit derartiger Vereinbarungen dem richterlichen Ermessen ein nicht unerheblich weiterer Spielraum gewährt wird . . . Immerhin ist aber der Abstand zwischen dem neuen und dem alten Recht kein so großer, daß aus ihm allein schon auf die Absicht des Gesetzgebers geschlossen werden müßte, eine vor dem 1. Januar 1898 auferlegte Konkurrenz beschränkung selbst dann dem neuen Recht zu unterwerfen, wenn das Dienstverhältnis, mit dem sie in Zusammenhänge stand, bereits vor diesem Zeitpunkt beendet war. Das Projekt einer Inserstensteuer. Wenn auch die Erörterungen über die Deckungsfrage bei der Annahme der Flottenvorlage infolge der Unter brechung der Sitzungen des Reichstags während der Oster ferien einen gewissen Stillstand erlitten haben, so wäre es doch vollständig unrichtig, aus dieser vorübergehenden Ab setzung derselben von der Tagesordnung den Schluß ziehen zu wollen, daß die betreffenden Vorschläge die Oeffentlichkeit und das politische Leben überhaupt nicht mehr beschäftigen werden. Die Deckungsfrage wird auch fernerhin ihre Rolle spielen und vielleicht in noch wesentlich erheblicherem Maße als bisher. Bekanntlich befindet sich unter den Steuerprojetten auch das Projekt einer Jnseratensteuer, und es dürfte im Interesse des Verlagsbuchhandels, vor allem des Zeitungsverlags liegen, den Fortgang der hierauf bezüglichen Verhandlungen auf merksamst zu verfolgen und sich bei Zeiten gegen die Ge fährdung seiner Interessen, die hiermit verbunden ist, ent schieden zur Wehr zu setzen, um nicht von den politischen Ereignissen überrascht zu werden, wenn es für eine erfolg reiche Abwehr vielleicht zu spät ist. Die Besteuerung des Zeitungsinserats ist in Deutsch land schon mehrfach erörtert und als Einnahmequelle für die Reichsfinanzen vorgeschlagen worden; sie ist auch in der Praxis der Steuergesetzgebung nicht unbekannt, und zu ihren Gunsten kann jedenfalls angeführt werden, daß sie ertrags fähig ist, insbesondere in einem Lande mit stark entwickeltem