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Nr. 117. NAMümLÄMrlAMrett§öeA Leipzig, Montag den 22. Mai 1916. 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil Die Bekämpfung der Warenhausschleuderei. Von vr. Orlh. Die Bekämpfung der Schleuderei mit Gegenständen des Buch handels hat durch die jüngste Rechtsprechung des Reichsgerichts eine wertvolle Förderung erfahren, obwohl dieses den unbe dingten Preisschutz auch weiterhin nicht anerkennt. Das Reichs gericht will von einer Verbindlichkeit des von dem Erzeuger einer Ware festgesetzten Kleinhandelspreises für jeden Dritten nichts wissen, es hält ihn vielmehr für berechtigt, die bezogenen Waren an die Konsumenten zu beliebigen Verkaufspreisen weiter ver äußern zu dürfen, es sei denn, daß er sich ihrem Erzeuger gegen über verpflichtet hat, beim Weiterverkauf bestimmte Preise ein« zuhalten. Solange der jetzige Rechtszustand besieht, wird das Reichsgericht von dieser Auffassung nicht abgehen können; es ist deshalb wiederholt der Erlaß eines besonderen Preisschutzgesetzes gefordert worden. Vgl. u. a. meinen Aufsatz im Bbl. 1915, Nr. 97 »Zum Schutze des Ladenpreises«, dem ich den Entwurf eines solchen Gesetzes, wie es mir vom Standpunkt des Buch handels erwünscht erscheint, beigegeben habe. Es läßt sich nicht verkennen, daß ein solches Gesetz die freie gewerbliche Betätigung beeinträchtigen muß. Dieser Eingriff in die Gcwerbefreiheit er hält aber seine innere Berechtigung durch die damit bezweckte Erhaltung und Förderung des ordentlichen Handels, der gegen unlautere Konkurrenz geschützt werden mutz. Wegen der obigen Folge sind die Aussichten für die Annahme eines solchen Gesetzes durch den Reichstag nicht sehr günstig, auch darf man wohl sagen, daß die Gestaltung der Verhältnisse im Laufe des Krieges die Voraussetzungen des Gesetzes nicht unwesentlich verändert hat. Zu den wenigen glücklichen Folgen des Krieges für den Bnchhandel gehört neben der Stärkung des Bargeschäfts mit dem Publikum auch die Einschränkung des Rabattgebens an dieses sowie die Preishaltung überhaupt, ja der Buchhandel ist sogar genötigt gewesen, Aufschläge auf die Ladenpreise zu erwägen; infolge der erhöhten und noch steigenden Geschäfts- und sonstigen Unkosten ist er einfach nicht mehr imstande, dem Publi kum noch Rabatt oder ähnliche Vergünstigungen zu gewähren. Die Bewilligung höherer Rabatte an das Sortiment durch den Verlag würde jenem voraussichtlich nur bedingt nützen. Abge sehen davon, daß der Verlag diese Erhöhung solange ablchncn wird, als das Sortiment dem Publikrim überharcht noch einen Rabatt einräumt, würde sic den Verlag zwingen, die Ladenpreise zu erhöhen, dadurch möglicherweise den Absatz ungünstig be einflussen und dadurch wiederum das Sortiment schädigen. Fer ner ist zu bedenken, daß die Erhöhung des Rabatts die direkten Lieferungen des Verlegers vermehren wird, und daß sich neue Konkurrenten auf den gewinnbringenden Buchhandel stürzen werden. Der wilde Buchhandel wird aufblühcn und das Sortiment schwer schädigen. Diesem K o n j u n kt u r b u ch - Handel gelten die Ideale des Berufs nichts, und das Ver dienen um jeden Preis bedeutet ihm alles, das Buch ist für ihn eine Ware wie jede andere, die er möglichst vorteilhaft cinkausen und nach dem Grundsätze »Großer Umsatz, kleiner Nutzen« durch Unterbietung der Preise möglichst bald wieder abzusetzen bestrebt ist. Diese Entwicklung gilt es vor allen Dingen hintanzuhalten, wir finden sie vornehmlich bei Warenhäusern, die sich beim Verkauf von Gegenständen des Buchhandels nicht an dessen Verkanfsbestim- inungen gebunden erachten. Dagegen wird die Schleudere! im Buchhandel, soweit sie noch hier und da geübt wird, unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse immer seltener werden, wenn in dem einen oder anderen Fall nicht geradezu durch die Schleuderet der Warenhäuser dazu verführt wird. Es ist des halb die Aufgabe des Verlags, die schleudernden Warenhäuser unschädlich zu machen, falls er im eigenen wohlverstandenen Interesse das Sortiment lebensfähig erhalten will; er wird auch diese Bahn mit Erfolg beschreiten können, wenn er aus der eingangs erwähnten Rechtsprechung des Reichsgerichts dierich - tige Nutzanwendung zieht. Diese Rechtsprechung ist erst durch das neue Reichsgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 möglich ge worden, dessen 8 I folgendermaßen lautet: »Wer im geschäft- lichcn Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vor nimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unter lassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden«. Der Z 826 des BGB. enthält bereits eine verwandte Vorschrift, die als Vorläuferin des ß I des Wettbewerbsgesetzes gelten kann. 8 826 des BGB. besagt bekanntlich: »Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Scha den zufügt, ist dem andern zum Ersätze des Schadens verpflich tet«. Die ans diesen Rechtssatz gestützten Klagen haben u. a. zur Voraussetzung, daß der klagenden Partei durch die beklagte Partei ein Schaden zugesttgt worden ist. Ten Nachweis dieses Schadens zu führen, ist oft mit Schwierigkeiten verknüpft, auch ist das Klage recht auf den Geschädigten beschränkt, sofern er nicht seinen Er satzanspruch abgetreten hat. Dagegen gewährt der 8 l des Wett- bewcrbsgcsetzcs ganz unabhängig von der Entstehung eines Schadens einen besonderen Unterlassungsan spruch, der nach A 13 Absatz 1 dieses Gesetzes von jedem Gewerbetreibenden, der Waren oder Leistun gen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäft lichen Verkehr bringt, oder von rechtsfähigen Verbänden znr Förderung gewerblicher Interessen durch Erhebung der Unter lassungsklage oder durch Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung (8 25 des Gesetzes) geltend gemacht werden kann. Beide Rechtsbehelfc wird man gegen die schleudernden Waren häuser mit Erfolg verwenden können. Bereits am >0. Dezember 1912 hat das Reichsgericht ausge sprochen — Band 8l Seite 91 der Entscheidungen des Reichsge richts in Zivilsachen , daß beim Vocliegen der sonstigen Vor aussetzungen des 8 1 des Wettbcwerbsgesetzes in dem ziclbcwnß- ien, planmäßigen Hiuwirken auf den Vertragsbruch eines vertrag lich gebundene» Dritten eine unlautere, gegen die guten Sitten verstoßende Handlung im Sinne von 8 i des Wettbewerbsgesetzes zu erblicken sei. Da mit war in das Geschäftsgebaren der schleudernden Warenhäuser Bresche geschossen und ihnen die Beschaffung des Schleudermaterials erschwert; sie konnten nu» nicht mehr selbst ans den Fang von Vertragsbrüchigen Vermittlern ausgehen, damit diese ihnen den Bedarf verschafften. In der Praxis war freilich damit noch kein bedeutsamer Erfolg erzielt, da sich den schleudernden Warenhäusern genug freiwillige Vermittler auboleu und sie reichlich versorgten. Hier hat nun die neueste Recht- «45