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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchharrdel. Redaktioneller Teil. IW, 21. Juli 1921. Der erwähnte Artikel lautet: Zur Auslandverkaufsordnung des Deutschen Buchhandels. Eine Erwiderung auf die Aufsätze Lujo Brentanos im Berliner Tageblatt vom 20. März und 15. Mai 1921 von vr. E. Ackermann, Syndikus des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Die obengenannten Aufsätze find geeignet, in weitesten Krei sen falsche Auffassungen über die Motive und Zwecke der Preis politik des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler hervorzn- rufen. Wer die Ausführungen ohne nähere Kenntnis des Sach verhalts liest, muß den Eindruck gewinnen, der Buchhandel ver folge allen schwerwiegenden Bedenken der Wirtschaftswissenschaft zum Trotz nur seine Sonderinteressen und schlage zum Schaden der deutschen Kultur den Rat ihrer bewährtesten Führer leicht fertig in den Wind. Demgegenüber muß festgestellt werden: Alle Bedenken, wie sie jetzt Brentano in polemischer Form der Öffentlichkeit mitteilt, sind vom Buchhandel schon bei den ersten Vorarbeiten für die »Verkaussordnung für Auslandlieferungen- gründlich erwogen worden. Da sie bereits im Börsenblatt für den Deutschen Buch handel mehrfach behandelt worden waren, bestand keine Veran lassung zu der bon Brentano vermißten erneuten Stellungnahme. So ist im Geschäftsbericht des Börsenvereins (Bbl. Nr. 84 vom 12. April 1921) ausgeführt: ». . . Zugegeben auch, daß die größt mögliche Verbreitung deutscher Geistescrzcugnisse wichtiger ist als der Sonderborteil des Buchhandels, so handelt es sich hier nicht um einen entbehrlichen Sondervorteil, sondern um die Erhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des deutschen Verlagsbuch- handcls. Entzieht man ihm die Mehreinnahmen aus dem Aus lande, damit die K u l t u r e l e m e n t e in größerem Umfange verbreitet werden, so zerschlägt man auf der anderen Seite einen größeren Teil, weil er in seiner wirtschaftlichen Entstehung auf die Mehrerlöse aus dem Auslande angewiesen ist. Es können mit anderen Worten nur solche Werke im Auslande verbreitet werden, deren Erscheinen sich im Inlands ermög lichen ließ...- Die für die Einführung besonderer Auslandpreise sprechen den Gründe werden von Brentano mit keiner Silbe berührt. Man müßte denn den Satz, daß »keine der vorgebrachten Ent schuldigungen haltbar sei-, als ein sachliches Eingehen auf Gegen argumente gelten lassen. Die Stimmen, die Brentano anführt, könnten den Börsenver- ein — dessen Politik einfach als »Produzentenpolitik bezeichnet und als solche wohl gerichtet sein soll — zu der Er widerung veranlassen, daß hier eine reine Konsument en- und Händler Politik vertreten werde. Denn daß die Ziele der Konsumenten und die des ausländischen Buchhandels unter allen Umständen richtig und der Förderung wert sind, wird auch Brentano nicht behaupten wollen. Jedenfalls wird er zu gestehen, daß der ausländische Buchhändler und in erhöhtem Matze der im Auslände ansässige Konsument bon vornherein die billigsten Bücherpreise für angemessen hält, und daß beide geneigt sind, jede Bestrebung zu verurteilen, die sie des Vorteils des denk bar günstigsten Einkaufs beraubt. Dem Börsenverein sind Klagen ausländischer Konsumenten über die Verkaussordnung für Aus landlieferungen aus Ländern zugegangen, in denen überhaupt keine Valutazuschläge zu erheben sind. Ebenso haben Beschwerden aus den valutastarken Ländern ergeben, daß nicht die Valuta ordnung, sondern ihre mißverständliche und teilweise sogar illoyale Anwendung an den Klagen der Ausländer schuld war. Selbstverständlich schieben auch diejenigen, die sich für das deutsche Buch nicht interessieren, jede Schuld an dem Absatzrückgang dem Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu. Daß vor Inkraft treten der Auslandvcrkaufsordnung außerordentlich stark gekauft worden ist, und daß diese Bewegung nach ihrem Inkrafttreten nachließ, versteht sich von selbst, weil sich jeder die Vorteile des zuschlagfreien Einkaufes noch zu sichern suchte, und weil es unmitelbar nach dem Kriege galt, baldigst das jahrelang unge stillte Bedürfnis nach deutschen Büchern zu befriedigen. Jeder Vergleich der Bbsatzziffern ist daher ein mißlich Ding, und wer 1072 ^ den Absatz des deutschen Buches mit der Zeit vor dem Kriege in ! Parallele setzen wollte, müßte billigerwcise auch berücksichtige», daß der verlorene Krieg von Grund auf andere Verhältnisse ge schaffen hat. Der Standpunkt, daß gerade dieser Veränderung wegen eine möglichst großzügige Propaganda für das deutsche Buch entfaltet werden müsse, ist gewiß der gründlichsten Beach tung wert. Nur dürfen hier nicht Ursachen verwechselt, darf nicht für jeden Absatzrückgang immer nur die Verkaufsordnung des Börscnvereins der Deutschen Buchhändler verantwortlich ge macht werden. Will man den Anspruch der Ausländer und der Ausland deutschen, ein Buch jetzt wesentlich billiger zu beziehen, als es je mals vor dem Kriege möglich gewesen wäre, ohne weiteres als ein »höchstes ethisches Interesse- anerkennen, so bedarf cs jeden- falls auch einer sachlichen Würdigung der »kartellierten Privat interessen« des deutschen Buchhändlers, zumal ihm aus unmittel barsten geschäftlichen Gründen daran gelegen sein muß, das Bindeglied, wie es das deutsche Buch zwischen der deutschen Heimat und dem Auslanddeutschen darsteüt, dem Auslanddeut schen zu erhalten. Überdies gibt es auch im Auslande deutsche Bücherkäufcr, dis dem Börsenverein die Richtigkeit eines sogenannten Valutaauf schlages aus freien Stücken bestätigt und der Meinung Ausdruck gegeben haben, jeder könne und solle hierdurch sein Schecflein zur Gesundung der deutschen Volkswirtschaft beitragen. Denn nicht allein darauf kommt es an, ob der Buchhändler Mehreinnahmen erzielt, die ihm mißgönnt werden, sondern auch darauf, ob der ausländische Käufer eine Gegenleistung übernimmt, die — bei Ausschaltung des trügerischen Wertmessers des deutschen Geldes — noch in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert des Kauf- gegenständes sieht, und ob das ihm angesonnene Vcrmögensopfer irgendwie unbillig oder gar unerträglich ist. Entscheidend ist also: Ist die Verteuerung angemessen und besteht wirklich für den Auslanddcutschen ein »ethischer« An spruch darauf, daß er das Buch fast geschenkt erhält, obwohl er selbst seine Einnahmen in fremder Währung bezieh! und daher einen mäßigen Mehrbetrag in der Regel auszubringen vermag? Es verbleibt dem ausländischen Käufer trotz der Valutazuschläge immer noch ein aus dem niedrigen Stande des Markkurses flie ßender Vorteil; warum ihm dieser aber allein Zufällen soll, ist nicht ersichtlich. Brentano scheint es fast als ein selbstverständliches Postulat zu betrachten, daß dem Ausländer und dem Auslanddeutschen alle Vorteile aus dem schlechten Stande des deutschen Markkurses zugute kommen müssen. Dann wäre es auch ein Unding, wenn sich ein deutscher Verkäufer bemüht, für seine Ware, die ins Aus land wandert, einen möglichst hohen Gegenwert hereinzubekom men. Damit wäre jedem vernünftigen Versuch, die verderblichen Folgen unserer Valutanot zu beseitigen und den Schaden abzu wenden, der der deutschen Volkswirtschaft aus dem Mißverhältnis zwischen inländischer und internationaler Kaufkraft seiner Zah lungsmittel erwächst, das Todesurteil gesprochen. Brentano wird dies selbst nicht ernstlich behaupten wollen. Es bleibt daher nur die Auslegung übrig, daß er das Buch wegen seiner Eigenart grundsätzlich anders lote jede sonstige Ware be handelt sehen will. Nun wird kein Buchhändler bestreiten, daß das Buch tat sächlich zugleich ein geistiges Gut ist und nicht ausschließlich den Bräuchen des sonstigen Warenhandels folgen kann noch darf. Aber ebenso unzweifelhaft ist das Buch als wirtschaftliches Gut in seiner technischen Herstellung und in seiner Verbreitung uner- bittlichen wirtschaftlichen Gesetzen unterworfen. Wer die Forderung aufstellt, das Buch müsse um seiner Be deutung für Kulturpropaganda willen — sei es auch zu niedrig sten Schleuderpreisen — in großen Mengen ins Ausland wan dern, setzt zunächst als selbstverständlich voraus, daß das Buch einen um so größeren Absatz erfährt, je niedriger sich sein Preis stellt. Aber selbst dies trifft für das innerlich wertvolle Buch nicht unter allen Umständen zu. Es bliebe jedenfalls immer zu prüfen, ob die durch erhöhten Umsatz aus dem Auslande zu erzie- lenden Gegenwerte auch nur annähernd die Höhe erreichen, die der deutsche Buchhandel bei erhöhten Auslandpreisen erlangt.