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Börsenblatt s. d. Llschn. Buchhandel. Nedanioneller TeU. Demgegenüber wurde vom Borstand des Börsenvereins und einem der Vertreter des Deutschen Verlegervereins aus die Rechtslage und die schwierige Stellung hingewiefen, in die das Sortiment durch eigene, den verschiedenen Verhältnissen der einzelnen Kreis, und Ortsvereine angcpaßte Preisfestsetzun gen mit Rücksicht auf den Auchbuchhandel geraten würde. Beide Körperschaften seien gar nicht in der Lage, auf die Festsetzung der Ladenpreise, ein ausschließliches Recht des Verlags, in anderer Weise als durch Empfehlung und Vorstellung einzuwirken, auch sei die Lage des Verlags keineswegs als glänzend zu bezeichnen. Außerdem müsse berücksichtigt werden, daß die Teuerungs- zuschläge eine Unsicherheit im Publikum Hervorrufen und nicht nur den guten Ruf des Buchhandels in der Öffentlichkeit schädigen, sondern auch die Zuverlässigkeit der bibliographischen Hilfsmittel in Frage stellen würden. Allen diesen Gründen, so schwerwiegend und bedeutungsvoll sie auch sind, wurde die Not des Sortiments cntgegengestellt, die größer sei als selbst die Furcht vor der Selbsthilfe des Ver- lags oder der Leipziger und Berliner Konkurrenz. Wenn einem Rabatt von 257°, wie er heute noch meist vom wissenschaftlichen Verlage gewährt werde, Spesen in gleicher Höhe, zumindest im Durchschnitt von 20—22 7°, gegenüberständen, so müsse die Verelendung des Sortiments immer weitere Fortschritte machen und in ihren Wirkungen gerade die Firmen am schwersten treffen, die sich nicht mit dem Verkaufe von Brotartikeln und gängigen Romanen begnügten, sondern ihre Aufgabe in einem möglichst umfassenden Vertriebe aller literarisch wertvollen Literatur er blickten. Vielfach handle es sich bei den vom Verlage festgesetz- ten Teuerungszuschlägen nur um eine Selbsthilfe des Verlegers, das Sortiment gehe dabei ganz leer aus oder werde so ungenü gend berücksichtigt, daß die Preiserhöhung in keinem Verhältnis zu den veränderten Umständen stehe. Ja in einzelnen Fällen sei sogar eine Verschlechterung des Rabatts eingetreten, so daß der Sortimenter ungünstiger gestellt sei als früher. Habe der Verlag das Recht der Preisfestsetzung, so habe er auch die Pflicht, für einen auskömmlichen, den Verhältnissen angepatzten Rabatt zu sorgen. Von anderer Seite wurde hervorgehoben, daß es dem Sorti ment an Stolz und Selbstbewutztsein fehle, seine berechtigten Forderungen energisch gegenüber dem Verlag zu vertreten. Das Publikum denke viel zu gerecht und billig und sei viel zu sehr mit der Not der Zeit und der Praxis des kaufmännischen Handels vertraut, um unter den gegenwärtigen Verhältnissen Preiszu schläge nicht auch im Buchhandel als notwendig und selbstver ständlich anzuerkennen. Den ständig steigenden Ansprüchen der Buchdruckereien und Buchbindereien müsse der Verlag ent sprechen, für die Not des Sortiments habe er kein Ohr. Mehr fach wurde auch auf den »volkswirtschaftlichen Widersinn« hinge wiesen, der darin liege, daß ein Buch in Königsberg i. Pr. zu dem gleichen Preise käuflich sei wie in Leipzig, ja daß deutsche Bücher im Auslande billiger zu haben seien als am Orte ihres Erscheinens. Angesichts dieser Stimmung, wie sie nur eine wirkliche Not lage erzeugt, kann es nicht wundernehmen, daß zwar die Be- rechtigung und Zweckmäßigkeit des Ladenpreises anerkannt, aber gleichzeitig betont wurde, daß er nur am Orte des Er scheinens gelte und eine nach den besonderen Ver hältnissen der Kreis- und Ortsvereine von diesen sestzusetzende Besorgungsgebühr dem Sortiment die notwendige Bewegungs freiheit geben müsse. »Der Ladenpreis ist der Mindestpreis«: in diesem Satze verdichtete sich die Anschauung der Mehrheit der Versammlung, die sich schließlich auf die einstimmige Annahme der folgenden, von Herrn Geheimrat Siegismund eingebrachten Resolution einigte: Die in Goslar am 22. Oktober 1916 tagende Versammlung der Abgeordneten der Kreis- und Ortsvereinc im Deutschen Buchhandel faßt nachstehende Entschließung: 1. Die Versammlung stellt fest, daß die wirtschaftliche Lage der Deutschen Sortimentsbuchhandels sich dauernd ver- schlechten und daß auch nach dem Kriege eine Besserung dieser Verhältnisse nicht zu erwarten ist. 1382 2. Die Versammlung nimmt Kenntnis, daß vom Sortiment festgesetzte Teuerungszuschläge durch den Börsenverein nicht geschützt werden können. 3. Die Versammlung ersucht den Börsenvereins-Vorstand, zur Ostermesse 1917 Anträge für die Hauptversammlung vorzubereiten, zwecks Abänderung der Satzungen oder Ordnungen des Börsenvereins, durch welche allgemein gültige Bestimmungen für Besorgungsgebühren als Zu schläge zu den Ladenpreisen schutzberechtigt werden. Es ist klar, daß eine Entschließung, die in einem Anträge auf Abänderung der Satzungen gipfelt und zudem mit einer ganzen Reihe von Vorbehalten umgeben ist, günstigstenfalls erst in langer Zeit einen greifbaren Erfolg zeitigen kann, wenn er i» der in Absatz 3 angedeuteten Richtung erzielt werden soll. Hieraus kam es indes Wohl auch dem Antragsteller weniger an, als vielmehr auf die unmittelbare Wirkung, die in der einstimmigen Fest stellung der Notlage des Sortiments liegt, ergänzt durch die weitergehendc Erklärung, daß der Börsenverein Teuerungszu schläge nicht schützen könne. Denn daraus kann nur di e Folge rung hergeleitet werden, daß der Verlag — oder richtiger noch der einzelne Verleger — jetzt helsend eingreifen muß, wenn ihm an der einheitlichen Ausrechterhaltung seiner Ladenpreise gelegen ist. Der Zwang der Verhältnisse hat sich noch immer stärker erwiesen als alle gesetzgeberischen Maßnahmen, und es würde wenig Zweck haben, sich darauf zu stützen, daß die »Be sorgungsgebühr« rechtlich nicht anders zu beurteilen ist als der Teuerungszuschlag, da unter diesen Gebühren ja nicht die Be rechnung besonderer Auslagen oder Aufwendungen zu ver- stehen ist, sondern ein allgemeiner, nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse festzusetzender Zuschlag zum Ladenpreis. Alles hängt hier eben in erster Linie von der Frage ab, ob diese Besorgungsgebllhr eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist oder nicht. Was der Kundenrabatt früherer Zeilen für das Sortiment war, nämlich Mittel zu größerer Bewegungsfreiheit, das würde, nachdem er jetzt fast allgemein gefallen ist, gemäß der wirt schaftlichen Lage des Sortiments in Zukunft die Besorgungs gebllhr sein. Von diesem Standpunkte aus gesehen wird auch der über Nacht aufgetauchte und zu einer Heilswahrheit erhobene Satz: »Der Ladenpreis ist der Mindestpreis« verständlich, obwohl man sich noch vor gar nicht langer Zeit, unter der Herrschaft des Kundenrabatts, darüber einig war, daß der Ladenpreis ein Preismaximum darstelle. Da der Verlag den Kunden rabatt nicht beanstandet hat, sofern er sich in den von den Kreis« und Ortsvereinen festgesetzten Grenzen bewegte, so ist — wenn man sich nur an das Äußere der Dinge hält — nicht einzusehen, welche Einwendungen gegen eine von denselben Stellen sest zusetzende Besorgungsgebllhr erhoben werden könnten. Läßt man die eine Maßnahme gelten, so wird man unter veränderten Ver hältnissen auch der anderen seine Zustimmung nicht versagen können, es sei denn, daß man das Interesse des Verlags an einer Preisüberschreitung für höher erachte als das an einer Preisunterbietung. Die Entwicklung bestätigt hier die alte Er fahrung, daß der Ladenpreis nur dann schutzberechtigt ist, wenn ihm ein vernunftgemäßer Nettopreis gegenübersteht. Wäre das immer der Fall, so würde er weder als ein Maximal- noch als ein Minimalpreis angesehen werden, sondern schlechthin als der Preis im Verkehr mit dem Publikum gelten. Mag man indes mit noch so viel Recht auf die Notwendigkeit Hinweisen, dem Sortiment einen, wenn auch bescheidenen Ein fluß aus die Preisbildung nach Maßgabe der besonderen Ver hältnisse eines Kreis- oder Ortsvereins einzuräumen, und die Konsequenz anerkennen, mit der jetzt auf die Ab- schaffung des lokal festgesetzten Kundenrabatts die Einführung lokaler Teuerungszuschläge folgt, so darf man sich doch keinen Täuschungen über die Wirkung dieser Maßnahme auf das Publi kum hingeben. Einen Abzug von dem Ladenpreise wird man sich gern gefallen lassen, einer Erhöhung des Ladenpreises in Form einer Besorgungsgebühr aber werden weite Kreise des Publikums widerstreben, und zwar auch dann, wenn sie im Ein verständnis mit dem Verleger erfolgt. Würde zudem, da es sich doch nur um geringfügige Aufschläge handeln kann, ihr Nutzen