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.V 255, L. Novenrber 1816. Redaktioneller Teil. DörienblaU s. d. Dtschn. Buchhandel. im Verhältnis, zu der Schererei und der Verärgerung der Kun den oder gar ihrer Abwendung vom Sortiment stehen? Denn wenn der Ladenpreis nur am Orte des Erscheinens gilt, so wird das Publikum vielfach seine Bestellung bei dem Verleger aufgeben und mehr als je von der verteuernden Wirkung des Zwischenhandels überzeugt sein. Dieses Gefühl wird sich noch in den Fälle» verschärfen, in denen es aus dem Aufdrucke des Preises besonders auf die Besorgungsgcbühr hin gewiesen wird, und die Frage auslösen, welche Bewandtnis es denn mit diesen im Handel nur in Ausnahmefällen aufireien- den Zuschlägen habe, die nicht einmal organisch mit dem Ge samtpreis verbunden werden können. Wird dann der Käufer mit der Behauptung zusriedengestellt werden können, daß der Ra batt nicht genüge und daher ein Ausgleich durch diese Sonder berechnung erfolgen müsse? Auch wird ein Kreis« und Orts verein viel leichter eine Grenze nach unten als nach oben fiirden, ein Punkt, der dem Verleger auch dann nicht gleichgültig sein kann, wenn er grundsätzlich einer Besorgungsgebühr zustimmeu würde. So wird aller Wahrscheinlichkeit nach dieser Zuschlag als ein Fremdkörper empfunden werden, gleich störend für das Publikum wie für den Buchhandel, wenn man berücksichtigt, wie viel von der Festsetzung des Preises für den Erfolg eines Verlags- Werkes abhängt, und welch eingehende Begründung jeder Extrabe- rechnung gegeben werden mutz, sofern sie nicht als Übervorteilung angesehen werden soll. Datz ein und dasselbe Buch überall den gleichen Preis hat, ist dem Publikum, das aus den Er scheinungsort überhaupt nicht achtet, durchaus verständlich, nicht aber, daß es für ein und dasselbe Buch — nehmen wir ein 1 ^t«Buch an — hier 1,05 an einem anderen Orte 1,10 oder mehr bezahlen soll. Was hat — wird man fragen — die vielgepriesene Organisation des Buchhandels dann noch für Wert, wenn sie die Einheitlichkeit der Preise nicht gewährleistet, also nicht einmal das erreichen kann, was jeder Markenartikel- fabrikant durchzusetzen vermag? Und was bedeutet dann noch Leipzig für den buchhändlerischen Verkehr, wenn der Ladenpreis nur am Orte des Erscheinens gilt? Man gefällt sich in neuerer Zeit im Buchhandel vielfach darin, alles vom »kaufmännischen« Standpunkte aus zu betrach ten und alte volkswirtschaftliche Seuieuzcn für funkelnagelneue Wahrheiten auszugeben. Dabei wird aber meist übersehen, datz Gleiches nur zu Gleichem ins Verhältnis gesetzt werden kann, und datz »volkswirtschaftliche Widersinnigkeiien« auch im Waren handel zur Genüge vorhanden sind. Es ist eben nicht das A und O aller Erkenntnis, daß rationelle Wirtschaftlichkeit im Sinne größter Billigkeit der Bestellung und Lieferung das er strebenswerte Ziel ist, wenn die produktiven, geistige Werte schas senden Kräfte dadurch in den Hintergrund gedrängt werden und sich aus Not anderen Beschäftigungen zuwenden müssen oder gezwungen sind, den eigenen Beruf seiner kulturellen Bedeutung zu entkleiden, nur um leben zu können. Diese Erscheinung macht sich schon seit langem im Buchhandel bemerkbar, und der Verlag wird ihr nur dadurch begegnen können, daß er bessere wirtschaft liche Voraussetzungen für seine Angehörigen schafft, damit sie sich ihrer Verantwortlichkeit gegenüber deutscher Kultur und Wissenschaft bewußt bleiben. Da sich der Verleger das Recht der Preisfestsetzung nicht nehmen lassen wird, so hat er auch so lange eine Verpflichtung, für auskömmlichen Rabatt zu sorgen, als er ein Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Sortimenterstandes hat. Ob er dieser Pflicht genügt durch eine allgemeine Erhöhung des Rabatts oder durch eine Begünstigung der Firmen, die sich für seinen Verlag verwenden, wird dem einzelnen Verleger ebenso überlassen bleiben müssen wie die Art, den besonderen Verhältnissen der in den verschiedenen Teilen des Reichs für ihn tätigen Sortimenter Rechnung zu tragen. Verschließt sich der wissenschaftliche Verlag, um den es sich hier hauptsächlich handelt, dieser Notwendigkeit, so wird der Sortimenter sich immer mehr der minderwertigen, aber hochrabattierien Literatur zuwenden und auch den Hinweis auf seine moralische Pflicht, sich der wissenschaftlichen Literatur anzunehmen, nicht gelten lassen, sosern ihm zugemuiet wird, mit dem Gewinn an belle tristischen oder populären Werken die Kosten des Vertriebs dieser Literatur zu bestreiten. Die Folgen dieser Entwicklung für unser kulturelles Leben wie für den Buchhandel, deren Anfänge sich heute schon beobachten lassen, liegen auf der Hand, und sie sind s es, denen der Börsenverein begegnen möchte. Denn auch er wird ! dadurch in Mitleidenschaft gezogen, nicht in dem Sinne, datz ! seine Existenz gefährdet wäre, wenn der wissenschaftliche Verlag ! auf seinem Standpunkte verharrt, Wohl aber durch die Einbuße ! an Ansehen, die er als Vertreter eines Berufs erfahren würde, j der nicht mehr wie in früheren Zetten seine schönste Ausgabe ! in der Erfüllung kultureller Pflichten erblickt. Durchdrungen ^ von der Erkenntnis der Notlage des Sortiments und seiner alten Tradition treu, nicht in das Selbstbestimmungsrechl des Ver legers einzugreisen, kann daher der Börsenverein nur an jedes einzelne seiner Verlcgermitglieder die dringende Bitte richten, dafür Sorge zu tragen, daß hier Wandel geschaffen wird. <Ein zweiter Artikel folgt.) Sprachlich-literarische Plaudereien. Zwölf Skizzen aus dem Felde von vr. Helmut Hatzfeld. 8". 31 S. München 1916/17. Allslieferung durch den Hans Sachs-Verlag. Brosch. 50 ^ ord. Anhalt: 1. Militärische Rangbezeichnungcn. 2. Vom Fluchen. 3. Bedeutungswandel in der Militärsprache. 4. Hat der Krieg das Problem der Weltsprache geändert? 5. Goethe vor Verdun. 0. Was lesen die Feldgrauen? 7. Die kriegerische Note in den Hauptliteratnren. 8. Günstige Aussichten für deutsche Sprache und Literatur nach dem Kriege. 9. Im friedlichen Verdun. 10. Uuveränderlichkeit des Volksgeschmackes. 11. Der historische und der okkasionelle Feind. 12. Schottisches. Daß auch der Sprachforscher und Sprachwissenschaftler im Kriege auf seine Rechnung kommen kann, beweist die vorliegende, in mancher Beziehung sehr interessante Broschüre. Er braucht dabei gar nicht so weit zu schweifen, um die alte Erfahrung zu machen, daß die Sprache, getreu ihrem weiblichen Geschlechts, ihre Sondcrlichkeiten und Launen hat. Das kann der Leser z. B. aus den beiden Plaudereien »Militärische Nangbezeichnungen« und »Bedeutungswandel in der Militärsprachc« erkennen, in denen wir den Verfasser auf manchen lo gischer Entwicklung geradezu hohnsprechcnden Irrgänger, unserer Mut tersprache begleiten können. So interessant die Ausführungen des Verfassers gerade auf diesem Gebiete sein mögen (nebenbei bemerkt sind sie durchaus verständlich gehalten und können auch vom Laten mit Genuß gelesen werden), so ! liegt es doch in der Natur der Dinge, daß uns Buchhändler mehr - der literarische Teil des Schriftchens angcht, der hauptsächlich in den ^ Abschnitten »Was lesen die Feldgrauen?*, »Die kriegerische Note in ! den Hauptliteraturen« nnd »Günstige Aussichten für deutsche Sprache ! »nd Literatur nach dem Kriege« zum Ausdruck kommt. Werden hier doch Dinge berührt, die im Börsenblatt bereits mehrfach zu Mei- > nungsaustausch Veranlassung gegeben haben, und die von einem klar ! blickenden Mitkämpfer behandelt zu sehen eine willkommene Ergän- § zung dieses Meinungsaustausches bildet. j Was die reichlich oft behandelte Frage: »Was lesen die Feldgrauen?« anbctrtfft, so geht der Verfasser von den gutge meinten, in ihrer Art aber herzlich schlecht gewählten Bücherspenden aus, die in Gestalt von Erbauungs- und patriotischen Streit- und Er munterungsschriften den Weg ins Feld fanden. Ganz richtig sagt er: »Was braucht der Soldat Erziehungsbücher? Wenn ihn seine Kricgserlebnisse nicht religiös, vaterländisch und kampfbereit stimmen, dann können es Bücher sicherlich nicht. Im Felde ist der Dichter, der erfreut, weit mehr am Platze, als derjenige, der belehrt. Formell wird eine gute Novelle das Entsprechendste sein.« Romane kommen weniger in Frage, weil sie vielfach zu lang sind und mehrere Lesestunden erfordern, sodaß also eine mehrfache Unterbrechung der Lek türe, die unter Umständen sehr lang werden kann, stattfindct. Aus diesem Grunde kommen auch dramatische Werke und gntc Anthologien in Frage. Denn: »Das wäre ein sonderbarer Soldat, der in Reih' und Glied aus voller Kehl' lind frischer Brust singt, außer Dienst, mit sich allein aber das geschriebene Lied, des Dichters Wort verschmähte«. Dasjenige, was also als Feldlekture zunächst und für alle Verhältnisse passend in Frage kommt, spricht sich in der vernünftigen Mahnung aus: »Hinweg mit den Tendenzschriften nnd umfangreichen Romanen: da für Novellen nnd Anthologien ins Feld! Das ist unser Geschmack.« Die Plauderei »Die kriegerische Note in den Haupt- litcraturen « ist zu inhaltsreich, um hier selbst in kurzen Zügen wiedergegeben werden zu können. Bemerkenswert sind die Vergleiche, die der Verfasser zwischen den einzelnen Nationen in ihrer Kriegs- 1363