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Redaktioneller Teil. 11, 15. Januar 1918. werden. An ein Prcisgeben des Inhalts des Buches selbst ist ja dabei nicht zn denken. Dies ist nicht zu besorgen, dies hindert ja schon der knappe Umfang von einer bis höchstens zwei Druckseiten, die für diese Selbstanzcige zu bestimmen wären. Die Sitte dieser Sclbstanzcigen verbreitet sich immer mehr; große Verleger nehmen sie in die periodischen Mitteilungen über ihren Verlag ohne wei teres auf! andere findet man gedruckt in Zeitschriften. Die »Vyvodh« der Russen sind in der Regel ganz systematisch gehalten, es werden die gewonnenen oder erstrebten Resultate mit arabi schen Ziffern bezeichnet, als wären es etwa Thesen, wie sie unseren alten Doktordisscrtationen einst angehängt wurden. Für diese Schablone könnte ich mich nicht gerade erwärmen, aber eine gute, klare, nicht bloß oberflächliche Übersicht des Werkes, der Arbeit würde sicher dem Leser und auch dem Rezensenten seine Mühe er leichtern, dankbar von ihnen ausgenommen werden, ohne daß sie dabei auf ihr selbständiges Urteil, das vielleicht ganz anders aus- fallen wird, verzichten, »nd für die Propaganda des Buches, den Hauptzweck des Verlegers, wäre Wohl eben dadurch manches zu gewinnen. Vielleicht trifft dieser, im Interesse von Verfasser wie Verleger gemeinte Vorschlag, der den Waschzettel an die Stelle der Vorrede bringen möchte (nicht als Nachwort erst in der Art der russischen Vyvodh), auf Beachtung oder gar Zustimmung. Der Würde von Verfasser »nd Verleger dürfte damit keinerlei Abbruch geschehen, dem Buche der Weg zum Verständnis und zu gerechter Anerkennung vielleicht ein wenig erleichtert werden. Mit anderen Worten: für wissenschaftliche und populärwissen schaftliche Arbeiten jeglichen Umfanges — belletristische, für die völlig andere Voraussetzungen zutreffen, bleiben natürlich aus geschlossen —, wird vorgeschlagen, die Reklame, die der Würde von Verfasser wie Verleger kaum völlig entspricht, durch das Re ferat zu ersetzen, das sich zum großen Teil mit der Vorrede selbst decken könnte. Berlin-Wilmersdorf, im Januar 1916. Prof. A. Brückner*). Aus dem schwedischen Buchhandel. i. Krieg und Politik. — Die schwedische» Klassiker. — Deutschfeindliche und deutschfreundliche Strömungen. — KriegSlitcratur. — ltber- setznngcn ans dem Tentschcn. Während draußen der Krieg mit unverminderter Heftigkeit weiterrast, fließt bei uns hier oben in Thule das Leben ruhig »nd heiler dahin. Viele sind über Nacht reiche Leute geworden, viel Geld ist in Umlauf, und noch wird Wohl der Goldstrom lange nicht versiegen, obschon man kaum wie die Amerikaner (laut Zci- tnngsmeldungen) das Ende des Krieges befürchtet. Viel mehr sehnt sich jeder nach Frieden, denn »die Zeit ist schief«, und die Verhältnisse werden mit jedem Tage schwieriger, da die Lebensmittclpreise vielfach eine selbst in den kriegführenden Län dern ungekannie Höhe erreicht haben und die Einfuhr von Roh stoffen sowie die Ausfuhr durch die Maßnahmen, besonders die jenigen Englands, verhindert oder erschwert werden. Die wegen der schwedischen Gegenmaßnahmen eingeleiteten Verhandlungen zwischen der englischen und der schwedischen Regierung sind ge *> Ter Verfasser, geboren am 29. Januar 1WV in dem heute noch immer von den Russen besetzten Larnopot in Ostgalizicn, seit 1881 auhcrord., seit 1892 ord. Prosessor der Elaoistik au der Univer sität Berlin, hat außer zahlreichen Aufsätzen und Rezensionen in Fach zeitschristen (Archiv für slavischc Philologie, Zeitschrift für verglei chende Sprachnnsicnschast u. a.) mehrere Bücher veröffentlicht (Ge schichte der polnische» wie die der russischen Literatur in <?. F. Amc- langS Sammelwerk: Tic Literaturen des Ostens; Tic Slavcnapostel lJ. C. B. Mohr, Tübingens u. a.), und dadurch Gelegenheit gehabt, mit Verlag und »Waschzettel« in persönliche Berührung zn treten. Gr ergreift daher gern die ihm anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres von der Redaktion des Börsenblattes gebotene Ge legenheit, sich über eine »Vcrlagssrage« z» äußern, die gleichmäßig Verleger wie Autoren angeht, um auf diese Weise seinem Danke an die deutschen Verleger für die Anregung und Förderung Ansdruck zn! geben, die seine wissenschaftliche Arbeit durch sie gesunden hat. 50 scheitert. Keine der Parteien wollte nachgebcn. Schweden hat auf seinem Recht als freie Nation fest bestanden, und cs ist England nicht gelungen, ihm irgendwelche Vormundschaft aufzudrängcn. Was nun werden wird, ist unmöglich zu sagen. Etwas Gutes hat diese Isolierung doch gehabt: man hat gelernt, die eigenen Möglichkeiten besser als früher äuszunutzen. Ehe ich weitergehe, muß ich einen Irrtum in meinem letzten Briefe berichtigen. Die schwedischen Klassiker werden erst 1928 frei, da das betreffende Gesetz aus dem Jahre 1878 stammt. Wie mir von autoritativer Seite mitgeteilt worden ist, hat bei der Ausarbeitung des neuen Gesetzentwurfs über das literarische Urheberrecht nicht derjenige Verleger, in dessen Verlag die meisten Klassiker erschienen sind, eine Änderung der Bestimmungen vom Jahre 1878 für unnötig erachtet. Vielmehr wurde diese Meinung von den Juristen der Kommission der Sachverständigen gegen ihn verfochten und durchgesetzt. Von der günstigen Konjunktur dürfte Wohl auch der Buch handel Nutzen haben. Dieser Hoffnung gibt wenigstens einer unserer größten Verleger in seinem Geschästsrundschreiben Aus druck, und man möchte ihm ja recht gern glauben. Die Verleger scheinen seit einiger Zeit ihre Zurückhaltung ablegen zu wollen. Neuigkeiten sind in Hülle »nd Fülle bereits erschienen, und für die nächste Zeit wird eine Menge wirklich bedeutender und wert- voller Bücher angekündigt. Die Kricgsliteratur scheint für das Publikum allmählich an Interesse zu verlieren, man will wieder seine Ruhe haben. Von Krieg und Elend kann man ja mehr als genug in den Zeitungen lesen. Die Goethcschen Worte von der schönen Sonntagsbeschäfttgnng stimme» bei uns nicht mehr. Sonst kann man nicht gerade von einer verminderten Partei nahme gegenüber den kriegführenden Mächten reden. Denn die Meinungsverschiedenheiten scheinen sich — besonders in der so zialdemokratischen Partei — mit jedem Tage zuzuspitzen. Be kanntlich ist das Haupt der Partei, Brantiug, ein wütender Deut- schenfeind. Man braucht nicht einmal deutschfreundlich zu sein, um seine Hetzartikel in dem »Sozialdemokraten« (und die deutsch feindliche Arbeit dieser Zeitung überhaupt) als eine Schande zu empfinden. Aber auch in der sozialdemokratischen Presse selbst haben sich in der letzten Zeit kräftige Stimmen gegen ihn erhoben. Ein charakteristischer und bedauerlicher Niederschlag dieser fanatischen Haltung der Führer der sozialdemokratischen Partei ist die neulich erfolgte Ausschließung dreier Mitglieder in hervor ragenden Stellungen aus der Partei. Sie wurden als Mitarbeiter an dem in meinem letzten Brief erwähnten anonymen Buche: »Die äußere Politik Schwedens im Lichte des Weltkrieges« (in dem ein Zusammengehen mit Deutschland kräftig befürwortet wird) bezeichnet und deswegen unter Abverlangung offener Be kenntnisse vor das Tribunal des Partciborstands gezogen. Sämt liche Angeklagten weigerten sich ans Grund des freien Wortes die Frage zn beantworten und traten kräftig für die Gedanken- und Meinungsfreiheit ein. Sic erklärten auch, der in dem Buche entwickelten Anschauung zuzustimmen. Einer von den dreien hat an dem Buch keinen Anteil. Es ist der Verfasser des in Deutsch land wohlbekannten Buches »Krieg und Kultur«, Professor G. Steffen. Da er sich aber sowieso durch dieses Buch zu einer an deren Meinung als der Parteivorstand bekannt hatte, so wurde auch er für alle Fälle aus der Partei ausgeschlossen. Der recht gläubige Sozialdemokrat muß cntentcsreundlich gesinnt sein! Im Börsenblatt stand kürzlich die Ankündigung des Ver lags B. G. Teubner in Leipzig eines aus dem Schwedischen übersetzten, angeblich von »maßgebenden Persönlichkeiten des öffentlichen und politischen Lebens Schwedens« verfaßten Buches unter dem Titel: »Schwedische Stimmen zum Weltkrieg«. Nach den Ausführungen des Verlegers handelt es sich offenbar um das oben erwähnte Buch. Es muß als ein denkwürdiges Zeichen der Zeit angesehen werden und hat viel Staub aufgewirbelt. Ge wiß wird es auch inDeutschlandBeachtung finden. Wie aus diesen Vorgängen ersichtlich, ist man in der sozialdemokratischen Partei nicht durchgängig deutschfeindlich gesinnt. Nur scheint die Re daktion des Hauptorgans sich dem Deutschenhaß mit Haut und Haaren verschrieben zu haben. Herr Branting und seine Mit helfer bemühen sich nunmehr nicht einmal »Neutralität« zu mar kieren. Die Maske ist gefallen, da sic es anscheinend für wür-