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^ ll, 15. Januar 1916. Redaktioneller Teil. diger halten, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Doch gibt es in der Provinz einige einflußreiche Parteiorgane, deren Hauptredallcnre sich der Parole des Hauptquartiers nicht beugen, sondern laut Protestieren — natürlich zum herzlichen Vergnügen der bürger lichen Presse, die sich ins Fäustchen lacht. So brachte neulich die Schriftstellerin Baronin Marika Stjccnsledt im »Sozialdemo kraten« einen Artikel, in dem sie ihr« Eindrücke von einer Reise zur französischen Front schildert. Sie stellte darin die deutschen Soldaten als rohe, wilde Tiere, tief unter der Grenze der Men schenwürde dar. U. a. waren sie, als sie von der Front zurück kehrten, unrasiert und schmutzig (sie!). Am nächsten Tag gab ein Mitarbeiter des »Sozialdemokraten«, Herr Olof Shrström, der kritische» Baronin eine gehörige Zurechtweisung. Er bedauerte, daß i» einem neutralen Lande die Parteinahme so stark sei, daß inan nicht einmal davor zurllckschrecke, »den Feind« offen zu be schimpfen. Er habe deutsche Soldaten direkt von der Front schmutzig, unrasiert und fast verwildert kommen sehen, er habe aber auch Massen von deutschen Soldaten nett, sauber, zuvor kommend gesehen nsw. und könne fcststellen, wie unwahr die Schilderung der Verfasserin in allen Einzelheiten sei. Er habe von französischen und russischen Soldaten genügend viele ge sehen, um zu wissen, daß cs darunter Leute gäbe, denen er sein Leben nie anvertrauen würde. Er sei auch an der Front gewesen und wisse, daß man dort von dem Feind mit Hochachtung rede. So sei es wenigstens ans deutsch-österreichischer Seite. Ui» das richtige Schmuywersen kennen zu lernen, müsse man zu den Neu tralen gehen. Etwas Ähnliches bot neulich auch das liberale Blatt »vagsns dlz-ketsr« seinen Lesern, indem es einige Briefe Kip lings ans Frankreich veröffentlichte. Vielleicht geschah dies nur wegen des Namens des Verfassers, von dem man Wohl ein ritter liches Auftreten erwartet hätte. Aber der einstige Nobel-Preis träger erging sich in derartigen Schimpfereien gegen Deutsch land, daß nicht nur die rechtsgesinnten, sondern auch die meisten liberalen Blätter die Veröffentlichung der Briefe als sehr be dauerlich bezeichneten. übrigens wurde dadurch die Charakteristik Kiplings von seinem Landsmann Gardiner in seinem vor dem Krieg erschienenen Buche »Englands Führer und einige Andere« nur kräftig bestätigt. Sonst scheint die Kriegsliteralnr im Rückgang zu sein. Nur weniges ist zu verzeichnen, darunter als ein ungewöhnlicher Er folg das Buch »Ayesha« vonMücke. Selten ist einBuch so stark ver langt worden. Viel gekauft wurde auch eine bei Bonnicr erschienene Übersetzung von Emil Ludwigs »Fahrten der Emden«. In dem selben Verlage erschien eine Übersetzung von »Die Kämpfe »m Lüttich« von einem Sanitätssoldaten. Die von mir früher im Börsenblatt und den »Süddeutschen Monatsheften« in Auszügen mitgeteilten Antworten von bekannten Gelehrten auf eine Rund frage der Zeitung »Svenskir vaglllaäst« sind neuerdings als Buch unter dem Titel: »Värlcksllnltnrsn ocli Kriqst« (Die Welt kultur und der Krieg) erschienen. Leider fehl» darin die Antwort von Maxim Gorki, die verspätet erst vor einigen Tagen der Zei tung zuging. Der Dichter sagt darin u. a.: »Anglo-Sachsen, Germanen und'Romanen bilden zusammengenommen nur einen geringen Teil der Bevölkerung der ganzen Erde. Aber gleich zeitig sind sie eine Minderheit, die für die ganze Menschheit kostbare geistige Werte geschaffen hat und noch schasst. Das Recht auf die geistige Weltvorhcrrschaft steht Westeuropa zu. — Die Schönheit und der Nutzen von dem, was die Welt von dem Gedanken des Ostens empfangen hat, sind für mich sehr zweifel haft. Dagegen bin ich von der Größe, der Schönheit und dem Nutzen von allem, was der lebenskräftige Geist Westeuropas hcr- vorgebracht hat, überzeugt — — —«. Er erinnert ferner an den von Wilhelm Ostwald entwickelten Plan einer die besten Menschen der ganzen Welt vereinenden Organisation und glaubt, daß es Zeit fei, zur Verwirklichung dieses Gedankens zu schreiten. Zn den größeren Neuerscheinungen gehört das Buch des bel gischen Kapitäns de Gcrlache: »Das Land, das nicht sterben wollte«, bei Alb. Bonnicr. Wie ich in meinem vorigen Brief er wähnte, schrieb eine Zeitung, als der Verfasser hier zu Besuch weilte, er würde eine neutrale Schilderung von den Vorgängen und dem Zustand in Belgien geben. Der Journalist schien an der Ausführbarkeit dieses Vornchmens zu zweifeln, und der Zweifel war berechtigt. Tenn das Buch des Belgiers mag sein wie es will, neutral ist es nicht. Es enthält laut »vvAsns do llster« eine große Menge von zuverlässige» Angaben, die man in keinem Nachschlagebuch über Belgien und sein Volk finden werde. Seine Hanptquellc ist das Ergebnis der »offiziellen Untcrsuchungs- kommission« gewesen. Die genannte Zeitung gibt einige seiner Erzählungen der angeblichen deutschen Greueltaten wieder und schließt: »Die Zuverlässigkeit der Angaben, die man kontrollieren kann, ist undiskutabel. Man fragt sich dann unwillkürlich: Wes halb sollte man in bezug ans das übrige Bcweismatcrial Ver dacht haben? Ist das aber wahr, was bleibt dann von den deut schen Rechtfertigungsversuchen vom 14. September und später übrig?« Das Buch ist schön und lockend ausgcstattct und reich illustriert, kostet aber 6.50 Kr. Es wäre endlich Zeit, daß man deutscherseits diesen haarsträubenden Greuelgeschichten in anderer Weise als durch trockene Aktenstücke entgegcnträte. Denn hier wird anscheinend die Wahrheit durch die Wahrscheinlichkeit und das Verschweigen der Begleitumstände »nd der Beweggründe verschleiert. Zwar versteht man die tiefe Empörung eines belgischen Patrioten und seinen Wunsch, den Feind zu schädigen, aber nie hat die Lüge ein so erschreckendes Gesicht wie in diesem Kriege gezeigt. Vor kurzem erschien auch im Verlag von »Tiden« (einem der sozialdemokratischen Partei nahestehenden Unternehmen) eine Übersetzung von »ä'acouse«. Der Verlag gibt in seinen Inseraten an, das Buch sei in ver schiedenen Ländern in 5 Monaten in 12l 000 Exemplaren ver kauft worden, und setzt dem Inserat eine Äußerung van Eedcns voran: »Die Folgen dieses Buches müssen fürchterlich werden — segensreich und fürchterlich zugleich«. Es ist unglaublich, daß denkfähige Menschen diesem Buche irgendeine Bedeutung bei messe» können. Die Höhe der abgesctzten Auflage zeigt, daß der Originalvcrleger ein rühriger Mann ist, und daß die Menschen immer noch glauben, was sie am liebsten wünschen. Ohne Zwei fel wird auch die schwedische Ausgabe dank der Arbeit der deutsch feindlichen Presse guten Absatz finden. Gleichzeitig erschien im Verlage von Lars Hökerberg eine Übersetzung von Professor Schie manns Schrift »Ein Verleumder«, der ein guter Absatz zu wün schen wäre. Auch bei Chelius L Co. kam eine Erwiderung mit Vorwort von Prof. R. Kjellsn heraus. Im Kommissionsverlag von C. E. Fritze erschien von H. R. Breien unter dem Titel: »Aus drei Städten der Sorge und Freude« eine shmpathische Schilderung von Berlin, Wien und Budapest während des Krie ges. Die Ausstattung (der Verfasser hat das Buch selbst drucken lassen) ist leider schlecht. Das Buch »LelAisns Üäs« (Das Schick sal Belgiens) von Professor Waxweiler erschien im Verlag von »ll'ramticksn« (Die Zukunft) — ebenfalls der sozialdemokratischen Richtung angehörend. Anna Lindhagen, eine Schwester des so zialdemokratischen Bürgermeisters von Stockholm, schildert in einer Broschüre: »Om Lsi^ien just nu« (Vom heutigen Belgien) ihre Eindrücke anläßlich eines Besuchs in dem unglückseligen Lande, und ein Herr Norling erzählt unter dem Titel »Xrixsts Okker« (Opfer des Krieges) seine Erlebnisse bei den Invaliden- transporten durch Schweden in der jetzigen Kriegszeit (Sv. ^nclslsköilaAst); das Buch fand, wie auch die Geschichte vom »Ro ten Kreuz« von Frau Professor I. Svedclius, guten Absatz. Zn der Kricgsliteratur gehört Wohl auch Frosterus: »äloäsrna Vapsn, cks- ras »ppkomst ocll utveokling« (ModerneWaffen, ihrUrsprnng und ihre Entwicklung) bei Alb. Bonnier, das ursprünglich in Finnland erschien. Eins der wertvollsten Kriegsbücher dürfte Wohl das neue Buch von In. Carl Hildebrand: »vonaumanarkisn i Xrix, intr>elr »oll stuclisr krän Üsterrille-Ungarn »ucksr svmmarsn 1915« (Die Donaumonarchie im Kriege, Eindrücke und Studien aus Österreich-Ungarn während des Sommers 1915) sein. Es erschien wie das erste bei Hugo Geber und bringt eine Menge ge diegener Mitteilungen. Wie ich aus einer Zeitungsnotiz ersehe, wird in Kürze auch eine Schilderung Frankreichs im Kriege er scheinen. Sie ist von dem in Paris lebenden schwedischen Künst ler G. Cederschiöld verfaßt und betitelt sich »In Erwartung des Sieges«. Ter Verfasser hat sich bereits früher als geistvoller Er zähler einen Namen gemacht. Endlich sind einige im Ausland in schwedischer Sprache gedruckte Schriften zu erwähnen. ThoS. 51