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Der Verstorbene, aus Wernigerode gebürtig, hat seine buch händlerische Ausbildung bei den Firmen Friedr Vieweg L Sohn in Braunschweig, Max Kornicker in Antwerpen, Adolph Baedeker in Köln und K. F. Koehler in Leipzig empfangen. Er übernahm am 1. Januar 1858 die Buchhandlung von Louis Gerschel in Liegnitz und führte sie bis Ende 1865. Am 1. Januar 1866 über gab er das Sortiment an Max Cohn. Im Oktober 1865 erwarb er den Verlag der Schulbuchhandlung in Soest und den des Herrn M. H. W. Lührsen in Hamburg und vereinigte diese beiden mit seinem inzwischen erwachsenen eigenen Verlage, zu dem auch das »Liegnitzer Stadtblatt« und das sehr verbreitete »Schlesische Pfennigblatt« gehörten. Dem Liegnitzer Tageblatt entnehmen wir die folgende Be schreibung und Würdigung seines arbeitsamen Lebens: Liegnitz war die zweite Heimat des im Jahre 1831 in Wernigerode am Harz Geborenen, der sich dem Buchhandel widmete und im Jahre 1857 die damalige Gerschelsche Buch handlung am Ringe, im Jahre 1866 Druckerei und Verlag des »Liegnitzer Stadtblattes« erwarb. Aus diesem ist unser »Liegnitzer Tageblatt« hervorgegangen, und zu dessen Ent wicklung legten der außerordentliche Fleiß des Verstorbenen, seine große und niemals versagende Pflichttreue den Grund. Strengste Gewissenhaftigkeit bildete den Hauptzug seines Charakters; mit ihr paarten sich unbeugsame Rechtlichkeit der Ge sinnung, eine alles Unlautere abweisende Selbstlosigkeit, un erschütterliche Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit. Diese schönen Bürgertugenden schmückten seinen Lebensweg; ihnen konnte er es danken, daß er seine geschäftlichen Unternehmungen aus be scheidenen Anfängen heraus zu hoher Blüte brachte. Das Vertrauen seiner Mitbürger berief ihn zur Aus übung des Ehrenamtes als Stadtverordneter in die städtische Selbstverwaltung. Von 1864 bis 1900 war er Mitglied der hiesigen Stadtverordneten-Versammlung und blieb es unter Ablehnung der auf ihn gefallenen Wahl zum Stadtrate. Er versah sein Ehrenamt stets mit jener reinen Uneigennützig keit und Selbstlosigkeit, die die unentbehrliche Voraussetzung für eine gedeihliche Selbstverwaltung bilden, bis ihn im Jahre 1900 ein Augenleiden zur Niederlegung seines Stadtverordneten mandats nötigte. Wenn ihn aber dieses Leiden, das ihn auch an der ferneren eigenen geschäftlichen Betätigung hinderte, dem öffentlichen Leben entfremdete, so blieb sein regstes Interesse doch bis in die letzten Tage seines Lebens städtischen Angelegenheiten und städtischem Wohle zugewandt. Mit steter Aufmerksamkeit verfolgte er die Entwickelung der Stadt Liegnitz, die ja mit dem Auswachsen seines eigenen Geschäfts innerhalb der letzten vier Jahrzehnte immer Hand in Hand gegangen war. Von seinem warmen Herzen für alle Humanitären Be strebungen, von seiner offenen Hand für die hiesigen Wohltätig keits-Anstalten haben die letzteren so manchen Beweis erhalten. Sie werden in seinem Andenken das eines stets hilfsbereiten und gütigen Spenders ehren. Die Firma aber, ihre Angestellten und Arbeiter betrauern in dem Verstorbenen das verehrte Oberhaupt, den Mann von seltener Herzensgüte und großer persönlicher Liebenswürdigkeit, der in reiner Menschlichkeit innigen Anteil nahm an jedem, der zu den Seinen gehörte, und an seinem Schicksal. Nicht zuletzt betrauern sie aber in dem Dahingeschiede nen das Vorbild einer treuen Pflichterfüllung und gewissenhafter Arbeit. — Leicht sei ihm die Erde! * Rudolf Winkler -s-. (Vgl. Nr. 218, 219 d. Bl.) — Am frühen Nachmittag des 21. September hatte sich in der Kapelle des Johannisfriedhofs in Leipzig eine außerordentlich zahlreiche Trauerversammlung aus dem großen Kreise der Buchhändler Leipzigs eingefunden, um ihrem entschlafenen Kollegen und Freunde Rudolf Winkler die letzte Ehre zu erweisen. Fast vollzählig hatten sich mit den nächsten Leidtragenden die Ange hörigen des Hauses und der Familie K. F. Koehler, die Freunde und die Kollegen um den im Palmen- und Blumenschmuck auf gebahrten teuren Toten versammelt. Auch aus dem auswärtigen Der Geistliche, Pfarrer 0. vr. Mehlhorn von der Refor mierten Gemeinde, legte seiner Trauerrede die Worte des Herrn (Ev. Matthäi Kap. 24, Vers 45—47) vom klugen und treuen Knecht zu gründe Mit der Wärme fester, treuer Freundschaft, die ihn selbst während langer Jahre mit dem Entschlafenen ver bunden hat, würdigte er die Tugenden des Freundes, als deren hervortretendste er die Klugheit und die Treue pries. Sie habe der reichbegabte und edle Mann bewährt in allem seinem Tun, in geschäftlicher Betätigung und im Leben, in der Hingebung an seine große, verantwortungsreiche berufliche Aufgabe, in der Liebe zu den Seinen, die Gott ihm anvertraut, im treu anhänglichen und vertrauten Verkehr mit seinen Freunden. Seine reichen Gaben hat er in unermüdlicher, kluger und treuer Arbeit betätigt; in ernster, vaterloser Jugend von der Sorge seiner guten Mutter behütet und auf den richtigen Weg geleitet, hat er in inniger Kindesliebe seine Gedanken und Sorge ihr lebenslang zugewendet, ihr Alter gepflegt, ihr Andenken geehrt, hat er die Seinigen mit treuer Liebe umgeben und beglückt, und mit herzlicher Freude und innig dankbar hat er den Sonnenstrahl seines Alters, den prächtigen kleinen Enkel, begrüßt. Rastlos und mutig aufwärtsstrebend, ganz auf sich selbst und seine reichen geistigen Gaben gestellt, Klugheit und Treue bewährend, wo immer die vielseitigen Aufgaben des Lebens an ihn herantraten, war er schließlich zum Leiter einer der größten Buchhandlungen Leipzigs berufen. Seine Tatkraft, seine kluge Vorsicht und seine unwandelbare Treue haben das ihm anver traute Gut erhalten und gemehrt; das Vertrauen und der innige Dank, die aufrichtige Verehrung aller, die ihm in dieser ernsten Aufgabe nahestanden, bezeugen es. Auch in den Dienst des beruflichen Gemeinwohls hat er sich gern gestellt, mit Klugheit und Treue in opferwilliger Arbeit die Aufgaben bewältigend, die das Vertrauen der Berufsgenossen von ihm forderte. Strenges Pflichtgefühl, unbeugsamer Gerechtigkeitssinn, schnelle Auffassung, sicheres Urteil zeichneten ihn aus, dabei ein reicher Schatz er worbenen Wissens und ein Freimut, den er mit glücklichem Humor zur Geltung zu bringen wußte, wo immer sich ihm Anlaß dazu bot. Klug und treu in seiner ganzen Lebensführung, war er ein Freiherr, ein Edelmann! — Den Dank des Hauses K. F. Koehler brachte sein langjähriger treuer Mitarbeiter in der gemeinsamen Geschäftsleitung, Herr Otto Engert, mit bewegtem Abschiedswort zum Ausdruck. Der I. Schatzmeister des Börsenvereins, Herr Alfred Voerster, dankte dem geschiedenen Kollegen im Namen des Börsenvereins, mit herzlicher Anerkennung seines treuen Wirkens in arbeits- und verantwortungsvollen Ehrenämtern gedenkend. Im gleichen Sinne ehrte der Vorsteher des Vereins der Buchhändler zu Leipzig, Herr Ferdinand Lomnitz, die Verdienste des Ent schlafenen in ehrenamtlicher Betätigung beim engeren Verein der Kollegenschaft Leipzigs. Wie die anderen Redner rühmte er dankend die große Opferfreudigkeit, mit der der Entschlafene seine Erfahrung und Begabung in den Dienst des buchhändlerischen Gemeinwohls gestellt habe. Ein dauerndes ehrendes Gedenken sei ihm gesichert. Der Röthigsche Kirchenchor zu St. Johannes umgab die ernste Feier mit stimmungsvoll-bewegendem Gesang. Unter feierlich gedämpftem Orgelklang trug man den lieben Entschlafenen hinaus in den sonnigverklärten Herbsttag, auf den weiten schönen Friedhof, der unter seinen blütenprangenden Hügeln so manchen lieben Kollegen birgt und aus seinen Denksteinen eine beredte Chronik des Leipziger Buchhandels kündet. Dort, neben seiner treuen Mutter, haben wir ihn unter dem Segen des Geistlichen zur ewigen Ruhe gebettet. * «estorben: am 19. September im dreiundsiebzigsten Lebensjahre un erwartet der Buchhändler Herr Hermann Grevel in London. Der Verstorbene hatte seit Errichtung der Buchhandlung Asher L Co. in London (1864) diese Handlung geleitet und war 1875 Teilhaber der Firma geworden. Ende 1881 zog er sich von dieser Betätigung zurück und eröffnete am 1. November 1881 in London >V6., 33, LivA Ltraet, Oovent 6rrrckon, ein eigenes Ge schäft, in dessen Betriebe er sämtliche Zweige des ausländischen Buchhandels vereinigte, insbesondere den Vertrieb ausländischer Werke in England und den Export englischer Werke sich angelegen sein ließ. Er hat, seit 1885 in Gemeinschaft mit seinem Teilhaber Herrn Ernst Kind, sein Geschäft zu großen Erfolgen geführt und ihm auch im deutschen Buchhandel, dessen Börsenverein er an gehörte, hohe Achtung erworben. — Ehre seinem Andenken!