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Nichtamtlicher Teil. 5225 ^ 137, Ik. Juni 190«. Nichtamtlicher Teil Der Buch-, Mchikalien- und Kunsthandel, sowie das Buchgewerbe Leipxigs im Jahre 1903. Dem Bericht der Handelskammer zu Leipzig für das Jahr 1903 (den vorjährigen Bericht siehe Börsen blatt 1903, Nr. 19S) entnehmen wir die folgenden Stellen: Buchhandel. Die literarische Produktion des Ver lagsbuchhandels hat im Berichtsjahr mehr zu- als ab genommen, so daß die Klagen früherer Jahre über Über produktion auch diesmal nicht verstummten, und der leb hafte Wunsch ausgesprochen wurde, daß nach gewissen Richtungen hin die Verlagstätigkeit beschränkt werden möchte. Ist doch die Zahl der deutschen Verlagsbuchhandlungen im Berichtsjahre wieder um 140 gewachsen. Die vielen Sonder ausgaben von Arbeiten aus Zeitschriften und Sammel werken wurden als ein großer Ballast empfunden, sowohl ooni Sortiment wie vom Bibliographen. Die Lage des hiesigen Sortimentsbuchhandels hat sich seit dem vorigen Jahre kaum verändert. Das Weih nachtsgeschäft war ziemlich ruhig, nur einige Sensations- werke regten die Kauflust des Publikums in besonderer Weise an. Schädigend wirkten auf das Weihnachtsgeschäft die an sich erfreulichen, immer wachsenden Bestrebungen der Lehrerschaft, Jugendschriften in billigen und billigsten Preis lagen in großen Mengen herzustelleu und zum guten Teil direkt unter Ausschaltung des Sortimentsbuchhandels zu verbreiten. Sehr zu beklagen war das mißliche Verhältnis, das in der zweiten Jahreshälfte zwischen Buchhandel und Wissenschaft eintrat. Veranlassung war die Durchführung der vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler erlassenen, im vorjährigen Bericht näher erwähnten einheitlichen Ver kaufsbestimmungen, die vielfach aufgetauchte Mißstände in der Rabattgewährung beseitigen sollen. Die damit im Zu sammenhänge stehende Herabsetzung des Kundenrabatts rief eine von Leipzig ausgehende Protestbewegung von Pro fessoren und Gelehrten ins Leben, die zur Gründung des »Akademischen Schutzvereins« führte, der an 14 (von 21) deutschen Universitäten Zweigvereine gründete und der nach Z 1 seiner Satzungen in erster Linie den Zweck verfolgt, »im Interesse der Wissenschaft, ihrer Arbeiten und des Publikums auf den Verlag, Vertrieb und Absatz der wissen schaftlichen Literatur einzuwirken, um der Verteuerung der Schriftwerke zu steuern, den Absatz zu fördern und die Autoren gegen wirtschaftliche Übermacht beim Abschluß der Verlagsverträgs zu schützen«. Die nächste Folge war, daß viele Mitglieder der hiesigen Ortsgruppe des Schutzvereins ihren Sortimentsbuchhändlern für den 31. Dezember 1903 die bisherigen Beziehungen durch -Gemeinschaftsakt« kündig ten und ihre Bezüge bei einer Firma konzentrierten, und zwar, soweit es sich um Universitätslehrer handelte, nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch für die von ihnen geleiteten Seminare und Institute. Bei Verständigungs versuchen, die von verschiedenen Seiten unternommen worden waren, erklärte der derzeitige Vorsitzende des Schutzvereins unter anderem, daß die Rückkehr des Leipziger Buchhandels zum allgemeinen Rabatt von zehn vom Hundert die erste Bedingung zu einer Verständigung sei, eine Bedingung, die aber in der außerordentlichen Hauptversammlung des Ver eins der Buchhändler zu Leipzig satzungsgemäß zwar für zulässig, jedoch im Interesse des ganzen deutschen Buch handels wie auch des hiesigen Buchgewerbes zurzeit für unausführbar erklärt wurde. In diesem Verhältnis zwischen Buchhandel und Wissenschaft war auch am Jahresschlüsse Börienblalt für den deutschen Buchhandel. 71. Jahrgang. noch keine Wendung zum Besseren eingetreten. Ohne zur Frage selbst Stellung zu nehmen, kann die Kammer nur ihr Bedauern darüber und den Wunsch aussprechen, daß eine recht baldige Einigung erfolge. Der Antiquariatsbuchhandel blickt auf ein sehr ruhiges Geschäft zurück. Nur unter großen Anstrengungen war es möglich, den Umsatz bei erhöhten Spesen und ver mindertem Reingewinn auf vorjähriger Höhe zu erhallen. Einige alte Firmen, die ihr Geschäft der Neuzeit nicht mehr recht angepaßt hatten, gingen ein, dafür entstanden wieder neue Geschäfte, die nach moderneren Grundsätzen arbeiten. Die Umsätze im Verkehr mit städtischen und staatlichen In stituten ließen infolge der allgemeinen mißlichen Finanzlage der Staaten und Städte zu wünschen übrig. Hauptab nehmer des wissenschaftlichen Antiquariats waren immer wieder die großen Bibliotheken der Vereinigten Staaten und der englischen Kolonien in Australien. Durch die neuen Zollverordnungen des australischen Bundes über Einfuhr von Bücherkatalogen, Prospekten und Preislisten wurde allerdings der Verkehr dahin recht erschwert. Auf eine be achtenswerte Erscheinung weist der Jahresbericht des Vereins der Buchhändler zu Leipzig hin, wonach die amerikanischen Bibliotheken, die meist nur gebundene Werke kaufen, den Pariser Buchbindereien wegen der billigeren Preise vor den deutschen den Vorzug geben. Im Kolportagebuchhandel machte sich eine kleine Wendung zum Besseren bemerkbar. Der Vertrieb besserer Zeitschriften und Lieferungswerke stieg, während der Absatz der ganz billigen Volksliteratur weiter im Rückgang be griffen war. Volkstümliche Unterhaltungsblätter wie »Freya«, »Welt und Haus« und »Sonntagszeitung- wurden mehr gekauft; der Absatz realistischer Literatur ließ dagegen wesentlich nach. Der Volkskalender wurde hauptsächlich nur noch durch Warenhäuser und auf Märkten durch Feilbieten verkauft; am hiesigen Platze hat der Vertrieb infolge der Beschränkung des Straßenhandels verloren. Der Abreiß kalender, der noch bis vor wenigen Jahren ein lohnender Artikel war, ging mehr und mehr zurück und ivurde von großen Geschäften meist als Reklamegegenstand kostenlos verteilt oder Warenkäufen beigegeben. Infolge der hohen Löhne und bedeutenden Provisionen für Boten und Sammler war der Reinertrag gering; gute Abonnentensammler waren selten. Der Kolportagebuchhandel hat sich an vielen größeren Orten zu Vereinen (gegenwärtig etwa 30) zur Wahrung gemeinsamer Interessen zusammengeschlossen, die wiederum in dem Zentralverein deutscher Kolportagehändler ihre Ge samtvertretung gefunden haben. Im großen und ganzen haben sich die Verhältnisse im Reisebuchhandel nicht gebessert. Überproduktion war in gleicher Weise wieder vorhanden, besonders auf dem Gebiete populär-wissenschaftlicher Werke. Der Wert vieler solcher Werke war zumeist recht fragwürdiger Natur und die dafür geforderten Preise standen in keinem Verhältnis zu Inhalt und Ausstattung. Auch auf dem Gebiete des Vertreibens reichhaltiger Werke hatten sich die Verhältnisse nicht gebessert; die auf einen geringen Bruchteil des Gesamtwertes herab gedrückten Teilzahlungen gingen noch schlechter ein als im Vorjahre. Ebenso mehrten sich die Klagen über Unzuver lässigkeit der im Reisebuchhandel tätigen Personen. Die Aussichten für das kommende Jahr sind wenig erfreulich, eine Besserung wird nur in den gemeinsamen Bestrebungen derjenigen Verleger erblickt, die durch ihre hervorragenden und gediegenen Werke ausreichende Sicherheit für den Fort bestand des Reisebuchhandels bieten. 690