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gegen. Die anerkannt besten Dichter und Schriftsteller Deutschlands sollten sich zu einer Art Socictät zusammenfinden, um eine Monats schrift von rein künstlerischem Inhalte zu ermöglichen. Schiller selbst wollte die Leitung derselben übernehmen und hoffte die vielen mittelmäßigen Zeitschriften durch eine vorzügliche zu verdrängen und beim Publicum zu ersehen. Es zeugt für Cotta's wahrhaft großen Sinn, das; er mit seinem eigenen wohlerwogenen Plan zurücktrat, um Schiller's Unternehmen ins Leben zu führen. So übernahm Cotta den Verlag der „Horen" (1795—97), die ihm freilich zunächst keinen materiellen Gewinn brachten, aber den Ruhm seiner Firma begründeten. Goethe, Herder, Wieland, A. W. v. Schlegel, Fichte, Wilhelm v. Humboldt, Hölderlin, Voß traten zunächst als Mitarbeiter der „Horen" in Verbindung mit der Cotta'schen Buchhandlung. Nie hat eine Zeitschrift früher oder später gleich hohe Ziele angestrebt, gleich viel des Höchsten geliefert als die Zeitschrift, in der Goethe's römi sche Elegien und Schiller's „Ideal und Leben", die ästhetischen Briefe und die Abhandlung über naive und sentimentalische Dicht kunst erschienen sind. Als Verleger der „Horen" aber entwickelte Johann Friedrich Cotta diejenigen Eigenschaften, welche ihm die dauernde Freundschaft Schiller's erwarben. Cotta wünschte sogar eine Fortsetzung der „Horen", obwohl dies ihm schwere Opfer auf erlegt hätte, Schiller aber, aufs tiefste empört über die Stumpfheit des deutschen Publicums, beschloß ihr Ende. Inzwischen hatten Schiller's Musenalmanache im Cotta'schen Verlage begonnen und der Tenienalmanach für 1797 rächte Mitarbeiter und Verleger der „Horen" an ihren Neidern und Tadlern. So kam es, daß dann in den Anti-Xenien auch Cotta die Ehre widerfuhr, mit den Dichtern der L'enien zugleich angegriffen zu werden (Boas, „Schiller und Goethe im Lenienkampf" II. 133). Mit Ausnahme der „Jungfrau von Orleans" erschienen nun fast alle folgenden Arbeiten Schiller's in Cotta's Verlag. Wie ungcgründet die alte, freilich nur zu oft begründete Klage von dem hungernden Autor und sich bereichern den Verleger bei dem Verhältniß zwischen Schiller und Cotta er hoben wird, das beweisen hier die Zahlen. Im Anhang zum Brief wechsel hat die Cotta'sche Buchhandlung aus ihren Rechnungs büchern die Berichte über Schiller's Honorare veröffentlicht. Frei lich für den Leser des Briefwechsels selbst hätte es kaum erst solchen Beweises bedurft. Man braucht nur z B. den Brief Cotta's vom 12. Mai 1805 zu betrachten, den er unmittelbar nach der Kunde von Schiller's Tod an Charlotte gerichtet. „Allmächtiger, wenn mich der Schmerz über diesen unersetzlichen Verlust beinahe nieder drückt, wie muß es erst Ihnen, theuerste Freundin, sein, die Sie in ihm Alles verloren, da Sie nur in ihm und für ihn lebten Worte des Trostes gibt es hier keine. Wenn der Glaube an eine ewige Fortdauer in den ersten Momenten nicht Stärke genug hat, das Mark Verzehrende des herben Schmerzes zu lindern, so hoffe ich, die Mutter wird die Gattin so weit zur Fassung bringen, daß die armen Kinder nicht einen doppelten Verlust zu erleiden haben. Ja, beste Freundin, ich spreche zur Mutter, wenn ich hoffen darf, daß Sie sich zu fassen wissen — was kann nicht Mutterliebe über den Menschen! Sie werden diese Ihren Kindern bleiben, lassen Sie mich nach meinen Kräften derselben Vater sein Die Erziehung der beiden Knaben, wünschte ich, überließen Sie mir, ich würde sie mit mir nehmen, und damit Ihnen dies nicht schwer würde, wie wäre es, wenn Sie zu »ns nach Schwaben zögen! Wir wollten dann im Angedenken an unseren Freund und in der Erziehung seiner Kinder unsere trauernden Tage dahin bringen! lieber alles Uebrige seien Sie ohne Sorgen — ich habe hierüber Pläne genug. Da Sie nun dringende Ausgaben haben, so bitte ich, auf jedes Bedürfniß per Wechsel auf mich zu ziehen. — ... Ich freue mich mit dem Gedanken, daß Sie mich unter Ihre redlichsten Freunde zählen." Da tritt uns der ganze edle Mensch entgegen. Und wie er sich hier zeigte, so hat er sich auch in der Folge den Schiller'schen Erben gegenüber stets bewährt. Doch man mag entgegnen, Schiller gegenüber habe er Dankesschulden abzutragen gehabt. Aber auch der Familie des Kunstschriftstellers Karl Ludwig Fernow gegenüber, dem er zu nichts verpflichtet war, sehen wir Cotta auf eine Bitte Goethe's hin zu Opfern bereit. Der Historiker Johannes v. Müller fand an Cotta, noch che dieser sein Verleger geworden, einen treu unterstützenden Freund. „Edelsterder Menschen" schreibt Müller am 20. Januar 1808 aus Cassel au Cotta, „Seltenster, was soll ich sagen, als daß ich lang (und noch) Tübingen regrettirt habe, nun aber weit mehr Ihren Umgang, unsere persönliche Freundschaft und die herrlichen Stunden, die sie uns gewährt haben würde. Es kann keine Frage mehr sein über Verlagsartikel; es versteht sich von selbst, daß, was meine Feder noch hervorzubringen im Stande ist, Ihnen gehört. Für die 3000 fl. vermag ich einstweilen nichts als diesen Schein zu stellen " Julius Mosen hat in den „Bildern im Moose" eine gutmüthige, aber doch satirische Schilderung Cotta's unter nommen. Er rühmt dabei die Geschicklichkeit, mit der Cotta es ver standen, jungen Dichtern zu einem Namen zu verhelfen. Aber das dort Gesagte ist denn doch mehr witzig als richtig. Cotta hat, Dank seinem von Natur gesunden Urtheil und seiner gediegenen Bildung, bedeutende Erscheinungen zu würdigen gewußt, auch zu einer Zeit, da die große Masse des Publicums noch anderer Meinung war. Er ließ sich durch keine Bedenken irre machen und folgte seinem an geborenen Tacte, der ihn meist sicher leitete. So hat er z. B. die Ausgabe der gesammten Schriften Hcrder's unternommen, obwohl Schiller selbst ihm dringend abricth. Dagegen war er stets gern bereit, den Empfehlungen seiner Freunde Gehör zu schenken. So geschah es auf den Rath des ihm befreundeten Frhrn. v. Wangen heim, daß er die Gedichte eines jungen Tübingers, die durchaus nicht im Geschmack der Zeit waren, annahm und dadurch Ludwig Uhland dauernd für seine Firma gewann. Wenn Cotta sich an Schiller's Dramen begeistert, so ist das nichts Besonderes; wohl aber kann es für Cotta's entwickeltes ästhetisches Gefühl Beweis liefern, wenn er schreibt (20. October 1809): „Goethe's Wahl verwandtschaften, die ich leider noch nicht ganz besitze, sind mir ein Schatz von Weisheit, ein wahres Lebensbuch wie Alles von Goethe." Wer weiß, wie abfällig gerade die „Wahlverwandtschaften" nicht nur bei ihrem Erscheinen, sondern noch fort und fort beurtheilt wurden — wie empörend hat doch selbst ein Mann wie Heinrich Kurz noch in der 5. Auflage seiner großen Literaturgeschichte (1870) über Goethe's Meisterwerk den Stab gebrochen —, der wird ein solches Wort Cotta's nach seinem ganzen Werth zu schätzen wissen. Unsere Absicht an dieser Stelle kann es nicht sein, Cotta's Thätigkeit ins Einzelne zu verfolgen. Was Johann Friedrich Cotta für die Hebung der herabgekommenen Firma gethan, das kann schon ein Blick in den Verlagskatalog der I. G. Cotta'schen Buch handlung (1840 bis 1882) zeigen. Wie Johann Friedrich Cotta die Blüthezeit unserer Literatur als Zeitgenosse mitlebte, so ist er es, der die bedeutendsten Namen für immer an seine Firma ge knüpft hat. Tieck's Unzuverlässigkeit hat er wie manch anderer Buchhändler erfahren. Trotz aller Selstbverleugnung war eine dauernde Verbindung mit ihm nicht möglich. Aber Herder, Höl derlin, Matthison, Brentano, Eichendorff, Hebel, Jean Paul und andere Dichter der älteren Generation, von den jüngeren Uhland, Oehlenschläger, Platen, Lenau, Zacharias Werner, Zedlitz u. A. hat Cotta für seinen Verlag erobert. Die Brüder Wilhelm und Alexander v. Humboldt und Johannes Müller vertreten die Ge lehrsamkeit der ersten Jahrzehende des 19. Jahrhunderts, wenn nicht in erschöpfender, so doch in der großartigsten Weise. Aber neben ihnen sind Fichte, Schelling, Hegel, List, Archenholz, Thiersch, ! Schweller und wie viele andere Namen zu nennen. Wie viele