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V 300, 30. Dezember 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. ü. Dtschn Buchhandel. Besteuerungsgrundlage ist in erster Linie der Gewerbeertrag. Nur Hilfsweise ist das Gewerbe kapital heranzuziehen, nämlich dann, wenn der Ertrag nicht wenigstens 6 v.H. des Gewerbekapitals erreicht. Für die Ermitt lung des Gewerbeertrages bildet die Handelsbilanz unter Berück sichtigung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes den Aus gangspunkt. Jedoch verändert sich der Ertrag durch verschiedene Positionen, die teils hinzugerechnet und teils gekürzt werden. Hinzugerechnet werden u. a. Zinsen für die nicht aus lau fenden Verbindlichkeiten bestehenden Schulden, Renten und dauernden Lasten sowie Gewinnbeträgc, die an stille Gesellschaf ter oder andere nicht als Mitunternehmer Beteiligte entrichtet werden, ferner Gehälter, Tantiemen oder sonstige Vergütungen, die an die Unternehmer von Handelsgesellschaften für geleistete Dienste gezahlt werden. Wesentlich ist, daß eine Hinzurechnung der Miet- und Pachtzinsen grundsätzlich nicht stattfindet, sondern nur solcher Zinsen, die für die Benutzung von Gegenständen ge zahlt werden, welche nach dem Reichsbewertungsgesetz zum Ge werbekapital des Steuerschuldners gehören, es sei denn, daß die Miet- oder Pachtzinsen beim Empfänger als Gewerbeertrag der Gewerbesteuer unterliegen. Ferner findet eine Hinzurechnung statt, wenn die Zinsen den ortsüblichen Miet- oder Pachtzins wesentlich übersteigen. Eine Kürzung der Reineinkünfte erfolgt um den auf ausländische Betriebsstütten eines inländischen Unternehmens entfallenden Teil der Reineinkünfte, ferner vor allem bei b u ch - führenden Unternehmungen um die Fehlbeträge, die sich bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die beiden voraus gegangenen Rechnungsjahre ergeben haben (Gewerbever - l u st), endlich um die Gewinne bei einer ganzen oder teilweisen Veräußerung eines Gewerbebetriebes. Zusätzlich kann zu der Gewerbeertragsteuer auch eine L o h n- summensteuer nach näherer Bestimmung der Landesregie rung treten. Die Lohnsummenfteuer darf nicht auf bestimmte Arten von Betrieben beschränkt werden. Die Höhe der Gewerbesteuer bestimmt sich nach Preußischem Borbilde auf Grund von Steuermeßbeträgen und Umlagesätzen. Steuermeßbetrag ist der Grundbetrag. Bei juristischen Personen beträgt er durchgängig 10^ des Er trages, bei anderen Steuerpflichtigen ist er gestaffelt, und zwar von 1 350 bis 15 000 RM., beginnend mit 6.— RM. und endend mit 1500 RM. über 15 000 RM. beträgt er 10 v.H. wie bei juristischen Personen. Der Umlagesatz ist ein Prozentsatz, der von diesem Meßbetrage erhoben wird. In dem früheren Steuervereinheitlichungsgesetzentwurf war eine günstigere Rege lung vorgesehen. Denn jetzt ist die Gefahr groß, daß die Gemein den mindestens 100^ des Steuermeßbetrages erheben, was in den höheren Stufen und bei allen juristischen Personen 10A des Ertrages entsprechen würde. Berücksichtigt man aber, daß bis her in vielen preußischen Gemeinden Zuschläge von 500?S und mehr erhoben wurden, so ist die Gefahr außerordentlich groß, daß diese Umlagesätze noch wesentlich höher angesetzt werden, so- daß statt der geplanten Senkung eine vermehrte Belastung mit Realsteuern eintreten würde. Der Steuermeßbetrag für die L o h n s u m m en ste u e r be trägt 7,5 V.T. Eine Abstufung des Umlagesatzes ist ausgeschlos sen. Dabei hat man jedoch auf Betreiben des Einzelhandels eine Art Filialsteuer eingebaut, bei der der Nmlagesatz 20?s höher sein kann als für die übrigen Gewerbe, soweit es sich um Waren handelsunternehmungen handelt, die in der Gemeinde eine Be triebsstätte unterhalten. Sehr eingehende Vorschriften sind über die Zerlegung der Steucrmeßbeträge erlassen worden für die Fälle, in denen Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Ge meinden unterhalten werden. Als Rechnungsjahr für die Veranlagung zum Steuermeß betrag bei der Gewerbeertragsteuer gilt der Zeitraum vom 1. April b i s 3 1. März. Die Gewerbeertragsteuer wird mit je einem Viertel ihres Jahresbetrages am 15. Mai, 15. August, 15. November und 15. Februar fällig. Bis zur Zustellung des neuen Steuerbescheides sind Vorauszahlungen zu den angegebe- 11SS neu Zeitpunkten in Höhe von je einem Viertel der zuletzt fest gesetzten Jahressteuerschuld zu entrichten. Bei der Lohnsummensteuer ist die Steuer für das abgelau fene Kalendervierteljahr bis zum 15. April, 15. Juli, 15. Oktober und 25. Januar zu entrichten. VII. Grundsteuer. Auch hier hat das Reich ein Rahmengesetz erlassen, nach welchem sich die Länder bei der Behandlung der Grundsteuer als Landessteuer zu richten haben. Der Steuer unterliegen einerseits landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und gärtnerische Grund stücke und andererseits die sonstigen Grundstücke, insbesondere die Betricbsgrundstücke. Für die erste Gruppe soll mit Wirkung vom 1. April 1931 ab die Grundsteuer zugleich die Einkommen steuer für die ersten 6 000 RM. Einkommen abgelten. Die Grundsteuer ruht auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last; Steuerschuldner ist der Eigentümer. Bei Miteigentum zu Bruch teilen oder zur gesamten Hand haften die Miteigentümer als Gesamtschuldner. Die Länder und Gemeinden setzen unmittelbar einen Tausendsatz fest, der vom Einheitswert erhoben wird. Dieser Satz kann nur einmal im Rechnungsjahre mit rückwirken der Kraft aus den Beginn des Rechnungsjahres geändert wer den. Eine Abstufung ist ausgeschlossen. Die Veranlagung erfolgt jährlich. Als Rechnungsjahr gilt auch hier der Zeitraum vom 1. April bis 31. März. Die Grundsteuer wird mit je einem Viertel des Jahresbetrages am 15. Mai, 15. August, 15. November und 15. Februar fällig. Ebenso sind auch hier die Vorauszahlungen vorgesehen. Für W o h n g e b äud e, die in der Zeit vom 1. April 1931 bis 31. März 1934 bezugsfertig werden, tritt bis zum 31. März 1939 eine Befreiung von der Grundsteuer ein. Für Wohn gebäude, die vor dem 1. April 1931 bezugsfertig geworden sind, bleibt es bei dem bisherigen Rechtszustand, insbesondere also auch bei den für Neubauten geltenden Besreiungsvorschristen. Die neue Grundsteuer wird, ebenso wie die neue Gewerbe steuer, vom 1. April 1932 an erhoben. VIII. Steueranpasfung. Dieser Abschnitt ist von der Regierung dazu benutzt worden, um die Steuergrundgesetze, also vor allem die Reichs- abgabenordnung, das Reichsbewertungsgesetz und Bermögensteuergesetz in wesentlichen Punkten zu ändern. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle die Gesamt heit dieser Änderungen zu besprechen, vielmehr muß dies einer besonderen Behandlung in den Steuer-Rundschreiben des Bör senvereins Vorbehalten bleiben. Hervorgehoben sei lediglich, daß in Zukunft die Finanzgerichte in einer Besetzung von sieben, an statt wie bisher von fünf Mitgliedern entscheiden, daß vor allem die Bewertungsausschüsse und die Oberbewertungsausschüsse des Reichsbewertungsgesehes in Wegfall kommen, deren Funktionen dem bei jedem Finanzamt zu bildenden Steucrausschuß übertragen werden. Neu gefaßt sind ferner die wichtigen Vor schriften über Stundung und Erlaß von Steuern sowie der bei jeder Buchprüfung auf seine Anwendbarkeit nachzuprü fende K 212 AO., der die Neuveranlagung einschränkt. Wesent lich ist hierbei, daß eine Neuveranlagung auch dann stattfinden muß, wenn anläßlich einer Buchprüfung neue Tatsachen ermittelt werden, die eine niedrigere Veranlagung rechtfertigen. Die Aufzcichnungs- und Buchführungspflicht ist gegenüber den, bisherigen Rechtszustand erweitert worden. Neu ist auch die Bestimmung, daß die Finanzämter darüber zu wachen haben, ob durch Steuerflucht oder in sonstiger Weise Steuereinnahmen zu Unrecht gekürzt werden. In Ausübung dieser Steueraufsicht können insbesondere eidesstattliche Versicherungen verlangt wer den. Bemerkenswert ist die Bestimmung, daß der Steuerpflich tige im Falle des Obsiegens keinen Anspruch auf Er stattung von Kosten hat, die durch Zuziehung eines Be vollmächtigten entstanden sind. Diese bedenkliche fiskalische Maß nahme soll jedoch nur bis 31. März 1934 in Geltung bleiben. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ist an einen Streitgegenstand geknüpft, der höher als 200 Reichsmark ist, es