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3VÜ, 30. Dezember 1830. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Für deutsche Verhältnisse kommt hinsichtlich der Tarife in Be tracht, daß die Reichspost schon jetzt längere Telegramme, die von den Absendern in der Form von gelochten Registern zum mechanischen Weitertelegraphieren ausgcgeben werden, nicht nach der Worttaxe, sondern nach dem laufenden Meter des Telegraphierstreifens berechnet. Die neuesten Senderapparate der Neichspost können sowohl von Hand wie durch Streisenbetrieb betätigt werden. Daß trotz aller Weiterentwicklung der Setzmaschine der Hand satz seine Bedeutung behält, haben wir auch hier bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, und neuere Beobachtungen können das, auch für Amerika, nur immer wieder bestätigen. Daß dabei die Kon zentration im S ch r i f t g i e ß e r e i g e w e r b e ständig sort- schreitet und weiter in einer Zusammenlegung der Betriebe zum Ausdruck kommt, ergibt sich aus dem unvermeidlichen Zwang zur Rationalisierung. In Amerika haben sich mittlere und kleine Schrift gießereien durch Betriebsumstellung, d. h. durch ihre Umwandlung in Satzfabriken, am Leben erhalten können, und es ist nicht ersicht lich, weshalb auch das deutsche Schriftgießereigewerbe sich, derart dem technischen Fortschritt angepaßt, nicht sollte im Kleinbetrieb be haupten können. Es kommt doch schließlich auf eins heraus, ob an die Buchdruckereien Schristguß oder Schrift s a tz guß geliefert wird. Daß eine Arbeitsteilung aber in diesem Sinne wirtschaftlich ist, er gibt die schnelle Allsbreitung der neuen Betriebsform der Satz- fabrtk in den Vereinigten Staaten. Auch auf dem Gebiete des Handsatzes sind noch technische Fortschritte möglich. Da es für Wcrkdruckereien, die direkt vom Satz drucken, ohne Zweifel eine große Erleichterung bedeutet, wenn sie die Ausbindeschnur nicht mehr zu verwenden brauchen, so kann ein praktischer S a tz s ch l i e ß e r, den der Buchdrucker Albert Lemke in Wernigerode a. Harz angegeben hat, auf Einführung in den Be trieb rechnen. Der neue Kolumnenschließer besteht aus vier non pareillestarken blanken Eisenregletten, die durch eine sinnreiche Kon struktion fest zusammengehalten werden. Diese vier Ncgletten bilden also einen stabilen Nahmen, der aber dennoch von oben und unten fest angeschlossen werden kann. Das ist für den Fall nötig, daß man mangelhaft ausgeschlossenen Satz zu verarbeiten hat. Wir haben hier also einen Satzschließer, der sich leicht um den Satz legen läßt, und der während des Druckes in der Maschine auch nicht ab- genommen zu werden braucht und sich gut dem Schließzeug fügt. In Betracht kommt auch ein Verhindern des lästigen Abfallens der Interpunktionen, Erleichterung beim Formatmachen, Vereinfachung des Ausschießens in der Maschine und Auseinandernehmens der ausgedruckten Form. Für einen rationellen Handsatzbetrieb ist auch die zweckmäßige Gestaltung der Einrichtungen nnd Geräte, vor allem der Regale und Setzkästen erforderlich. Ein praktisches sechsteiliges Lintenregal, das gleichzeitig zur Aufnahme von Negletten bestimmt ist und etwa 38 WO Linien und 2000 Viertelpetit-Regletten faßt, ist von Arthur Nowack angegeben worden und wird als Teil eines »Uscha-Systems« von der Norddeutschen Schriftgießerei G. m. b. H., Berlin, ge liefert. Die Neglcttenbehälter dieses Systems, die ebenso wie die Linien- und kleinen Quadraten- und Ausschlußgeräte desselben auch als Negalaufsatz verwandt werden können, sind auch an anderen Regalen seitlich oder rücklings hängend anzubringen, wodurch eine vorteilhafte Naumausnutzung in der Setzerei erzielt wird. — Für die Verhältnisse im Satzbetricbe ist auch bezeichnend, daß sich die Handsetzer, die durch die Vermehrung der Setzmaschinen mehr und mehr zu Spezialarbeitern geworden sind, in einer besonderen H a n d s e tz e r s P a r t e innerhalb der Gewerkschaft organisiert haben. Während es vor 30 Jahren noch 75 Prozent Handsetzer gab, beträgt das Verhältnis heute nur noch 48 Prozent. Stereotypie und Reproduktion. Interessante Vergleiche zwischen den Erzeugnissen des Hoch-, Flach- und Tiefdrucks machte jüngst in einem Vortrag in der »Ar beitsgemeinschaft für buchgewerbliche Fortbildung« in München Direktor H. K. Scholl. Wie in unserer jüngsten Rundschau (Bbl. Nr. 199 vom 28. 8. 30) wurde auch hier betont, daß die Frage der Zurichtung die Schicksalsfrage des Hochdrucks ist, in den sich bei hohen Auflagen die Stereotypie einschaltet. Es handelt sich darum, das zeitraubende Unterbauen von Klischees, das Justieren derselben und das Zurichten der Druckform zu rationalisieren, mit verbesserten Zurichtevcrfahren die Zelt abzukürzen und die Mängel des Ein- und Ausschießens des Druckes bei Bildersormen, des langsamen Trock nens des frischen Drucks und der Spießebildung zu überwinden. Zu einer guten Orientierung über die modernen Flachdruck verfahren kann die Aussatzrcihe »Von der Lithographie zur P h o t o l i t h o g r a p h i c« empfohlen werden, die G. Walther- München in dem Fachblatt »Die Buchdrucker-Woche« (1930, Nr. 32, 33, 34, 36, 37 und 38) veröffentlicht hat. Hier wird eine erschöpfende Übersicht über die Truck- und Umdruck- bzw. Ubcrtragungsverfahren in gemeinverständlicher Darstellung geboten, und zwar unter Be rücksichtigung des jüngsten Standes der Technik. Daraus ist auch ein neues Satz-Ubertraguugs-Verfahreu ersichtlich, das sich aller dings vorteilhaft auf den bekannten Arbeitsmethoden ausbaut und deshalb ohne kostspielige Neueinrichtungen eingeführt werden kann. Bisher stellte man erstens ein photographisches Negativ her und kopierte davon auf die Druckplatte, zweitens druckte man den Schrift satz auf einen durchsichtigen Stoff (Cellophan, Zelluloid usw.) und kopierte den Abzug auf die Druckplatte, um durch Weiterbehandlung des negativen Bildes mit Chemikalien zu einem positiven Schrift bild zu kommen, drittens druckte man den Schriftsatz auf Gummi und von diesem wieder auf Umdruckpapier ab, um davon auf dem üblichen Wege auf die Druckplatte umzudrucken. Bei dem neuen »O f f s c t t y p« - V c r f a h r e n von Dreyers Grafiske Anstalt in Stavanger (Norwegen) wird der Schriftsatz in der Tiegeldruckpresse auf eine Metallplatte gedruckt, und zwar unter Anwendung eines Gemisches von weicher Umdrucksarbe und Feder farbe. Nach Fertigmachen der Metallplatte kann man von ihr Ab züge zur Herstellung der eigentlichen Druckplatte für die Osfset- presse machen. Das Original auf der Metallplatte kann mau zum späteren Gebrauch gut aufheben. Natürlich fällt die Trucküber- tragung über die Metallplatte schärfer aus als bei dem elastischen Medium der Gummiplatte, und da ihr für jeden Abdruck neuer Farbstoff zugeführt werden kann, so werden die Drucke auch farben- voller als bei den alten Verfahren. Das Verfahren ist auch für den Offset-Autotypie- und Rasterfarbendruck entwickelt worden. Der weitere große Vorteil des »Offsettyp«-Verfahrens liegt im Fertig machen der Maschinenplatten, das hier viel einfacher, sicherer und schnellerxmöglich ist. Über ein neues P o s i t i v - K o p i e r - V e r f a h r e n für Offsetzwecke von Schlesinger berichtet R. Ruß in der »Papier- Zeitung«. Wie bei dem Philipp Müller'scheu Chromgummi-Ver- fahren wird nach der ersten Entwicklung auch hierbei die Platte mit einer lackähnlichen blauen Lösung überzogen. Diese bleibt aber dauernd auf der Platte und dient als Farbträger, der immer wieder sicheres Nachätzeu ermöglicht, wenn sich Tonen oder Spitzwerden zeigen sollte. Ein interessantes Problem der Reproduktionstechnik bedeutet die Herstellung von kopiersähigen Negativen ohne photo graphischen Apparat. Nach dem Verfahren von Dr. Diem- Bernet (Schweiz) zur Umwandlung von positivem Schriftdruck oder Strichzeichnungen in Negative wird die Lichtempsindlichkeit in die Masse verlegt, während bisher lichtempfindliche Schichten auf einem Schichtträger angebracht wurden. Der Erfinder verwendet eine aus Zclluloseverbindungeu hergestellte glasartig durchsichtige Masse. Nach dem Baden in Ammoninmferrizitrat oder Chlorsilber wird die Masse selbst lichtempfindlich und arbeitet in der Art der Tageslicht- anskopierpapiere, die sich, dem Lichte ausgesetzt, dunkel färben. Der mit einer Fcttfarbe hergestellte Aufdruck kann vor oder nach der Lichtempsindlichmachung aufgebracht, und falls mißglückt, abgewascheu und wiederholt werden. Nach der Kopie wird die Farbe mit Benzin der Auswässerung der lichtempfindlichen Salze noch eine kurze Zeit in einem Glyzerinbade. Der große Vorteil des Verfahrens liegt darin, daß keinerlei Verdunkelungseinrichtungen erforderlich sind und die Beseitigung des Aufdrucks keine Schichtverletzuug zuläßt. »I d e u t o g r ap h i e« neunt vr. P. Schuhmacher sein neues Verfahren zur Reproduktion ohne Photographie, das von der Fa. Klinisch L Co. in Frankfurt a. M. zur Brauchbarkeit ausgearbeitet worden ist. Korn- oder Strichzeichnungen können nach diesem Ver fahren ohne Inanspruchnahme der Kamera in Originaltreue wieder gegeben werden, erstere sogar besser als mit Hilfe des photographi schen Rasters, der bekanntlich bei Kornzeichnungen aus den unbe- zeichneten Stellen herausgeschabt werden muß. Die Bedeutung eines geregelten B l e i - N u n d v e r k e h r s für den Setzmaschinenbetrieb wird in einem Artikel in »Klimsch's Drucke rei-Anzeiger« in das rechte Licht gesetzt. Unrationell ist es, wenn sich die Maschinensetzer ihren Bedarf an Bleibroten selbst von dem, meist ziemlich entfernten, Lagerplatz holen müssen. Da schon eine einzige Maschine, bei Normalkegel und Normalbreite, in der Setz stunde etwa drei Brote im Gewicht von je etwa 1800 Gramm »frißt«, so läßt sich verstehen, was für »Verkehrsfragen« in einem Betrieb mit 10 bis 40, und noch mehr, öoppelschichtig laufenden Maschinen sich in dieser Hinsicht ergeben. Der Setzer, der seinen Schmclzbedarf selbst einholen muß, kann in einer Schicht 30 Zeilen Satzverlust er leiden. In Doppclschicht errechnen sich für 40 Maschinen 2400 Zeilen pro Arbeitstag. Zur Behebung der Schwierigkeiten wird ein kleiner Transportkastenwagcn angegeben, dessen zweckmäßiger Gebrauch den schnellen Umlauf »ohne Etappen« ermöglicht. 1199