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2199 86 2200 bereichern auf Kosten des Schriftstellers zuerst und dann auf! Kosten des geistigdurstigen Volkes, hätte er's, so wäre cs bes ser gewesen, die erste Matrize zu zertrümmern, damit die Gei ster des Volkes, wie ehemals, mit lebendigem Worte Wahrheit! und Vernunft verbreiteten. Der Schatten des Engels ist! der Teufel, und die allen Sagen, daß bei jeder großen Ent deckung der Teufel spukt, haben ihre liefe Bedeutung; der Teufel des Genies ist der entartete, wuchernde Buchhändler. — Will man wissen, was das für ein Geschöpf ist, ein solcher Buchhändler ? Ich will cs doch versuchen, einen Schattenriß davon zu geben *). Ein Mann, der auch das Heiligste im Leben, die Freiheit, die Vernunft, das Recht, dieGcrech-j tigkcit, die Gottheit selbst, dem Volke voccnthält, bis > cs ihm, nicht seinen Werklohn bezahlt, sondern bis cs ihm fünfzig Pr ocent davon liefert. Ja, lieferten sie blos nur Bücher, die diesen Zweck hätten, ich wollte noch schweigen, aber nein, Raub, Mord, Sittenlo sigkcit, Gott losigkeit, besonders aber Kncchtsinn, Lakai en dienst, F ürstcn krieche r ei, alles dies ist ihnen gut genug, um es in das Volk zu schleudern, wenn es- nur seine Procente ihnen abwirft. Nie, nie, im weitesten Nie hat der wuchernde Buchhändler das wahre Wohl des Volkes im Auge gehabt; nie wird er die nützlichsten Bü cher dem armen Hungrigen mit dem gewöhnlichen ihm gebüh renden Lohn darrcichcn, o f t aber ist er ein Mitbrudcr der politischen Inquisition und ist noch stolz dar auf**). Soll die wahre, große, nationale Literatur gedei hen, so ist es billig, daß der Schriftsteller, der Drucker und der Buchhändler davon lebt, davon lebt, sage ich, aber auch weiter nichts. Uebcrmäßiger Gewinn soll ausgeschlossen bleiben, damit die Literatur selbst nicht ein Gegenstand der Spcculation werde. Außerdem ist kein Heil für die wahre Literatur da, ja, sie kann nicht einmal aufkommcn, weil die Mittelmäßigkeit, die geistige Spcculation, immer die Ober hand behaupten wird. Goethe fühlte das schon, als er in seinen Maximen sagte: „Der wahre Schriftsteller giebt nie, was das Publikum verlangt, sondern, was er für gut hält." — Wie ist dies aber möglich, wenn der Buchhändler seine Waare bei dem Schriftsteller wie bei einem Schu ster ***) bestellt; wie ist dies möglich, wenn die edelsten Ge danken, wenn das Herzensblut mit derselben Bogenelle, als das des Wassers der Mittelmäßigkeit gemessen wirbst), wie *) Der „ Schattenriß " ist ein Zerrbild, und keine Zeichnung nach der Natur. **) Als Leute, die sich zu solche» Infamien hcrgcbcn, sind uns unter unfern College» keine bekannt, wir müssen eine solche Be schuldigung so lange zurückweisen, bis sie durch Thatsachen bewie sen wird. ***) Wenn dies geschieht, würde der Vorwurf mehr die trcf-! fen, welche aus der Schriftsteller« ein Gewerbe — ein Me tier machen, als solche, die als wirkliche Gcwcrbslcute daraus einen Gewinn zu ziehen suche». Uns scheint, daß nicht die Be stellung (um auch diesen Ausdruck zu gebrauchen), sondern die Art der Ausführung derselben manchmal Tadel verdient; denn wenn durch Veranlassung des Buchhändlers der Autor ein gu tes Werk producirt, so ist ja nichts zu tadeln, sondern zu loben. st) Der Buchhändler kann nie nach dem geistigen Werth einer Schrift Honorar bezahlen, sondern nur nach dem Werth, den ein Buch als Gegenstand des Verkaufs hat. > ist dies möglich, wenn der Buchhändler zwei dicke Bände verlangt (!!), wenn ein Roman, der in 100 «eiten gut wäre, 600 enthalten muß*)? Wie ist cs überhaupt mög lich, Achtung vor einem Buchhändler zu haben, der heute der Tyrannei des Ezaaren und morgen der Freiheit huldigt, weil ihm beide seine Procente eintragcn **). — Weiß man denn, was ein wucherisch speculirendcr Buchhändler ist? Nie hat der Staat darüber nachgcdacht. Er glaubt, mit der Eensur Alles gewonnen zu haben und weiß nicht, wie Börne sagt, „daß er das Kamin, worin der Rauch ist, zugemauert," der alsdann im Hause bleibt, und was Börne nicht zufügte, alle die Anwesenden in seinem Nebel erstickt. Ein wuchernder Buchhändler ist ein sittlicher Abgrund der Nation. Die alten Maler, wenn sie den Schmerz in seiner größten Exccntricität malen wollten, so bedeckten sie das Gesicht des Leidenden; still schweigendes Verachten ist hier besser an seinem Platz, aber warum hat nie der Staat das Vcrhältniß zwischen dem Buch händler und dem Publicum festgestellt? die besten Bücher sind gerade die theuerstcn ***), die schlechtesten die wohlfeilsten, in der intellectucUen Welt muß aber gerade das umgekehrte Vcrhältniß, als in der materiellen, Statt sinken, da ohnedies der starke Abgang der bessern Bücher ihren Gewinn befördert; ja, sagen aber die Buchhändler, di c schlechtcn un- moral i sch e n Büeher gehen besser st); aber da nimmt man die Wirkung für die Ursache. Schmach über euch, die ihr sie verleget. Der erste, der ein schlechtes Buch druckte, druckte es, ohne diese Erfahrung gemacht zu haben, er specu- lirtc auf das Laster, so wie es V i e l e no ch thun. Aber wissen denn unsere Buchhändler, was gut oder schlecht ist? — Ich habe einmal die Runde bei einigen gemacht, um mich von ihrer intellectuellen Kraft zu überzeugen; ich habe nie einem Buchhändler ein Buch angetragcn und halte es für ein Glück, daß in Deutschland an der Spitze der Journale doch noch Männer von Herz, Geist und Genie sind, aber dreist stst) kann man annehmen, daß ein großer Theil der Buch händler eben so gut Spezercikcämer hätten werden können, als Buchhändler. Von dem Geiste der Literatur wissen die meisten eben so viel, als ihre Rechnungen das Soll und das Haben ausweisen. Welch' einen Einfluß aber kann ein Buch händler haben, wenn ec auf der Höhe der Zeit steht und wenn er nicht reich werden will? Ja er kann, versteht er seine Ausg abcststst), der erste Mann im Staate genannt werden und früh oder spät müßte man seine Bedeutung ein- sehen. — Sein Stillschweigen wäre oft bedeutender, als das Sprechen so Vieler und die strengste Eensur. A. W. *) Muß?? Schmach über den Autor, der irgend ein Muß statuirt, 600 Seiten zu schreiben, wo er mit 100 sagen kann, was er sagen wollte! **) Durch den Absatz seiner Bücher „huldigt" der Buch händler keinem von beiden. ***) Diese Behauptung ist offenkundig unrichtig. st) „Die Buchhändler" haben das nie gesagt; hätten sie cs, so hätten sie gelogen. stst) Sehr „dreist" — gewiß! ststst) Eine Aufgabe, deren Verständniß den Buchhändler dahin führt, daß er der „erste Mann im Staat" genannt wer den kann, wünschten wir recht sehr kennen zu lernen; — bis da hin müssen wir diesen Passus für eine großartige — Phrase halten.