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den. Dieser Gedanke kann nicht oft und nachdrücklich genug in allen möglichen Abwandlungen und Formen wiederholt und dem Publikum nahegebracht werden. Wer aber wäre hierzu - von allen persönlichen und geschäftlichen Interessen abge sehen — berufener als der Buchhandel, der aus Überzeugung dafür eintreten könnte und müßte, um sich diese Errungenschaft des Krieges nicht wieder entreißen zu lassen? Sollte er. über zeugt von der lebendigen Kraft des Buches, nicht auch die Kraft und Gabe haben, in anderen die gleiche Überzeugung zu wecken? Damit aber müßte jetzt begonnen werden, ehe die Konkurrenten des Buches wieder auf dem Markte sind, und un ablässig sollte damit sortgesahrcn werden, bis aus einer Mode des Bllcherkaufens eine Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit geworden ist. Hand in Hand mit der Reklame für das Buch oder für Bücher, geeignet für bestimmte Gruppen von Volksge nossen, durch das Sortiment müßte die Reklame des Verlegers für das Buch gehen, sich gegenseitig ergänzend und in ihren Wir kungen vervielfältigend! Zn diesem Zwecke müßten alle die kleinen Mittel*), auf die so oft und von den verschiedensten Seiten im Börsenblatt hingewiesen wurde, in den Dienst der Sache gestellt und eine Organisation zur Aufteilung des Büchermarktes in die Wege geleitet werden, die jeden einzelnen wie jede Be rufsgruppe rasch und übersichtlich erkennen läßt, warum die oder jenen Büchern von besonderer Wichtigkeit für sie sind. Aber das Buch ist noch nicht der Buchhandel. Denn schließ licht handelt es sich dach darum, wer das Geschäft macht, ob der reguläre Buchhandel oder die anderen. Mag auch die So zialisierung des Buchhandels noch in weitem Felde liegen und vielerlei Gründe gegen eine Monopolisierung und Verwaltung geistiger Güter durch den Staat sprechen, so werden wir doch auch ans diesem Gebiete zu einer besseren Organisation schreiten und uns größere Wirtschaftlichkeit zum Ziele setzen müssen. Wirtschaftlichkeit besonders in der Weise, daß keine Arbeit dop pelt und dreifach geleistet wird, während andere, nicht minder wichtige Ausgaben unerledigt bleiben. Die politischen Parteien, Gewerkschaften und anderen Arbeiter-Organisationen werden schon deswegen nicht ans den BUchcrvcrtrieb verzichten wollen, well sie des Buches im Kampfe für ihre Anschauungen und Ziele nicht entratcn können und ihr Publikum und seine Bedürfnisse besser zu kennen glauben als das neutral gerichtete Sortiment, das ohne Begeisterungsfähigkcit heute für die eine, morgen für die andere Weltanschauung eintrltt. Deshalb wird auch mit Rücksicht auf die steigende Anerkennung der Berufsorgani sationen der außerhalb des Buchhandels erscheinenden Literatur und ihrer bibliographischen Erfassung mehr Aufmerksamkeit ge schenkt werden müssen, nicht zuletzt auch, um die Umwandlung allgemein gerichteter Sortimcntsbctriebe in buchhändlerischc Spezialgeschäfte für bestimmte Literatnrzwcige zu begünstigen, die in den Großstädten wohl eine aussichtsreiche Zukunft hätten. Das Vielerlei wird dem Viel namentlich inbezug ans den Ver trieb der Unterhaltungsliteratur weichen müssen, wie überhaupt mehr Gewicht auf innere Geschlossenheit des Betriebes, sowie auf die Eignung des Buches für bestimmte Käufergruppen zu legen sein wird. In besonders reicher Blüte scheint jetzt der Versandbuch- handcl zu stehen, der, nicht minder einseitig orientiert wie die Gewerkschaften, Verbände und politischen Organisationen, sich auf den Vertrieb verhältnismäßig weniger Bücher beschränkt und seine Stütze entweder in einem kleinen Eigcnverlag oder in Anlehnung an andere Verleger findet. Dieser sich außerhalb des regulären Buchhandels vollziehenden Entwicklung, die, weil aus natürlichen Verhältnissen erwachsen, sich schwerlich auf- hallcn lassen wird, sollte vom Buchhandel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, um auf sie Einfluß zu gewinnen. Das Gleiche gilt von jenem Auchbuchhandel, dessen Entwicklung durch be- *) Die kleinen Mittel» waren vor dem Kriege Gegenstand ein gehender Besprechung im Börsenblatt »nd sollen es jetzt wieder wer den. Was daher wahrend des Krieges ausgebacht, hier »nd da viel leicht anch schon in die Praxis umgesetzt worden ist, möchte das Bör senblatt zu Nutz und Frommen seiner Leser zur Erörterung stellen und bittet daher, »ach dem Bibelwort zu handeln, d. h. »wohlzutun und ml t z u t« i l e n». sondere Faktoren und Erscheinungen begünstigt wird, die keines wegs als natürlich, sondern lediglich als im Interesse einzelner oder bestimmter Gruppen liegend angesehen werden müssen. Ver lag und Sortiment haben au dieser Entwicklung das gleiche In teresse, ein Grund mehr, sich zusammenzuschlietzcu, um das, was keimfähiges Leben ist, zu fördern und zu sich herüberzuzichcn oder Auswüchse zu beschneiden und bloße Gelegcnheitsmachcrci zu bekämpfen. Ein solcher Zusammenschluß wäre sicher vorteil hafter, als sich im gegenseitigen Kampfe noch weiter zu schwä chen und Dritte zu lachenden Erben zu machen. Wenn gekämpft werden mutz, so sollte es entweder für den Zusammenschluß aller Kollegen und die Notwendigkeit gegenseitiger Verständi gung geschehen oder — in der Richtung nach dem Publikum hin - unter der Losung: Dem Buche eine Gasse! Ob in Arbeitsvereinigung oder Arbeitsteilung, ist dabei weit weniger wichtig als die Erkenntnis, daß unsere Arbeit ein und dem selben Ziele dienen mutz: dem Buche eine größere Bedeutung im Wirtschaftsleben zu verschaffen und den gesamten Arbeits- marlt zu organisieren und aufzuteilen, sodaß einerseits kein Stück Land unbebaut bliebe, andererseits aber überflüssige Arbeit vermieden würde. Damit würde auch der Auchduchhandcl zu- rllckgedrängt, denn der beste Kampf gegen ihn besteht darin, ihm so wenig Arbeit als möglich übrig zu lassen. Deshalb sollte gerade gegenwärtig, statt Verlag und Sortiment gegeneinander auszuspielen, der Verlag zur Hilfe gegen die paar Außenseiter aufgerufen werden, denen es an dem erforderlichen sozialen Verständnis fehlt. Wer gleich wohl an die Segnungen einer Revolution glaubt, wird gut tun, damit bei sich anzufangen. Dann wird ihm vielleicht auch zum Bewußtsein kommen, daß der Kampf der Geister, der sich heule nbspiclt, weit mehr bedeutet als eine Lohn- oder Rabatt bewegung. Denn was jetzt nach Gestaltung ringt, geht doch darauf hinaus, in möglichst weitem Umfange Voraussetzungen für produktive Gemeinschaftsarbeit zu schaffen, bei der jeder das Seine findet. Lhotzky, Heinrich: Der Mensch und sein Buch. Kl. 8°. 167 S. Ludwigshafen am Bodensee 1918, HauS Lhotzky Verlag. Ladenpreis geb. 3.50. An einer Stelle seines Büchleins sagt der bekannte Verfasser: Es gibt keine harmlysercn, oberflächlicheren Plaudereien als die mcinigen.. Das mag für diese oder jene seiner Schriften zutreffen, für die vor liegende jedenfalls nicht. Dazu ist sie, Mas die Behandlung des Gegen stands und die berechneten Wirkungen-.anbelangt, zu tief angelegt, trotz des Plaudertons. Es ist ein Buch, das in Stunden geistiger Sammlung entstanden ist und nur in solchen gelesen werden sollte. Es ist ein Nieder- schlag von hundert Stunden bewußten, meist aber wohl unbewußten Nachdenkens über das Buch von einem, der viel mit ihm zu tun gehabt hat als Schaffender im geistigen und im körperlichen Sinne. Wo soll da die Lberflächlichkcit Herkommen ? Oder sind etwa Gedanken wie die: »das Buch schadet überhaupt nur da, uw es nützt- oberflächlich? Sein Buch ist demnach kein drittes Buch , kein Ablenkungsbuch -, wie sie der Verfasser so gern schreibt oder schreiben möchte. Drei Arten der Bücher werden nämlich im ersten Teile des Wcrkchens, in dem von der Notlage des Buches und um das Buch die Rede sein soll, unterschieden: Arbeits bücher, d. h. Bücher, die um ihrer selbst, nicht um des Lesers willen geschrieben werden und in deren Erzeugung wir gründlichen Deutschen allen andern Völkern der Erde weit voraus sind, Bücher aus dem Leben, d. h. Bücher der Gebildeten, die das Leben widerspiegeln und mit ihrer Leserwelt stehen und fallen, und schließlich dritte Bücher, die ablenken und zur Gedankenlosigkeit verhelfen sollen. Diese drei Ab stufungen werden in scharfsinniger Weise mit dem Gedankenreichtum des Erfahrenen nach ihrem Wert und Nnwert und ihrer Einwirkung auf der Leserwclt beurteilt. Das Ergebnis ist: jedes Buch kann schaden und nützen, je nachdem, wem es iu die Hände fällt. Im zweiten Teile wer den die Verfasser des Buches unter die Lupe genommen, und wieder wird der Leser überrascht durch die Fülle der Beobachtungen und die Tiefe der Gedanken. »Eine Ehe ist eine äußere Bekanntschaft gegenüber der Vertrautheit des Buches«, das ist das vorweggenommene Ergebnis der Erörterungen über die wünschenswerte Stellung des Lesers zu den Schriftstellern, freilich nur/zu denen, die da schreiben müssen, weil es aus ihnen hervorquillt, weil sie sonst an dem Ungeborenen zugrunde gehen würden, nicht zu denen, die da nur schreiben wollen, die wohl gar nur Nachahmer der wirklichen geistigen Schöpfer sind. Im letzten Teile ist die Rede von den Verwaltern des Buches, von den Verlegern, 177