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Z»' 59, 13, März 1914, Redaktioneller Teil, Geschäftsinteresse hat, daß er sich wenigstens das sagt: die er forderliche Arbeit, die unaufschiebbar und von seiner Kraft zu lei sten ist, mutz täglich erledigt werden. Darin liegt aber im Gegen satz zu mancher Ladenarbeit — ein Erfordernis gröberer Arbeits intensität, im Gegensatz zur Handarbeit aber wiederum einer Intensität, die auf sehr vielen Posten nicht mit der Elle oder dem Pfund gemessen, ja vielfach nicht einmal immer kontrolliert wer den kann. Eine Stufenleiter von mechanischer bis zu hochgeistiger Tä tigkeit besteht gerade in Kontoren, Dies erschwert natürlich ein Urteil darüber, welches Matz der Arbeitszeit hier als das beste »nzusehen ist, Tenn cs fehlt hier das oft Gleichartige der Fabrik arbeit, es fehlt das Nivellierende der Fabrik- und der Laden- arbeit. Wir werden also in Kontoren immer Leute zusammenar- bcitcnd finden, deren Arbeitszeit eigentlich mit ganz verschiede nem Matze gemessen werden müßte. Die Leiter des Betriebs werden in anderer geistiger Intensität arbeiten als die Expe dienten, die Stenotypistinnen andere theoretische Arbeitsoptima haben als die Buchhalter usw. Aber obwohl die Organisation der Arbeit hier also durch aus nicht immer die gleichzeitige Anwesenheit aller Gehilfen fordert, so steht doch hier immer die Auffas sung des Betriebs als eines einheitlichen Gan zen der differenziellen Behandlung der verschiedenen Angestell ten im Wege, Man kann hier nicht einfach bestimmen wie in der Industrie, datz die Hochofcnbediener anders als die Buch binder zu behandeln sind. In den Kontoren würde das vielmehr ein Moment der Unruhe in die gemeinsame Arbeit bringen und außerdem eine Ungleichheit, Klassenbildung und Differenzierung, die nicht angebracht sind und nicht nur in keinem Verhältnis zu dem daraus zu erzielenden Gewinn stehen, sondern eben auch für die Einheit des Kontorbctriebs eine Fülle von praktischen Unzuträglichkeiten mit sich bringen würden. Wo also eine feste Kontorzeit eingehakten wird und auch die leitenden Posten nicht gewohnheitsmäßig und in stiller Überein kunft ihre Zeit abkürzen, da wird theoretisch und gesetzlich an dif- scrcnziclle Behandlung meist nicht zu denken fein, und damit wird sich zugleich die Auffindung des Optimums zwischen Arbeitszeit und Arbeitsintensität, also die Beantwortung der Frage, welche Stundenzahl täglicher Arbeitszeit für die Interessen des Prinzi pals und der Angestellten die beste ist, sehr schwierig gestalten, Professor Ernst Abbe in Jena, dem wir eine exakte Untersuchung der Arbeitszeitfragcn verdanken, hat für die hochqualifizierte Arbeit seiner Optiker und Me chaniker nachgewicsen, datz dieses Optimum bei 8 Stun den liegt, das heißt, datz in achtstündiger Arbeit in folge größerer Arbeitsintensität ebensoviel geleistet wird Ivic früher in 9 Stunden, — Daraus dürfte zu entnehmen sein, daß aller Wahrscheinlichkeit nach für manche Schichten der Bureau arbeiter das Optimum ebenfalls bei 8 Stunden, bei anderen aber vermutlich bei 9 Stunden liegen wird. Daß cs v o r ü b e r g e h e n d in Zeiten großer Anforderungen bei 10 und mehr Stunden liegt, ist ja klar, beeinflußt indessen die Frage nach dem Regelmäßigen nicht. Vor etwa 8 Jahren hat weiter die deutsche Rcichsregierung verschiedene Erhebungen — eine mündliche und zwei schriftliche über das Optimum der Arbeitszeit vornehmen lassen, Prof, Ehrcnberg hatte damals in seinem »Thünenarchiv« die Ergebnisse in lehrreicher Weise kritisch betrachtet. Er steht ans dcmStandpunkt, datz das Material noch zu dürftig sei, um einwandfreie Schluß folgerungen zu gestatten. Selbst die wichtige Frage, ob die Ar beitszeit in den Kontoren bei historischer Betrachtung eine Ten denz zur Verkürzung oder zur Verlängerung zeige, bleibt durch das Material der Rcichserhebungen ungelöst, weil bei der Be fragung der Auskunstspersonen die Entwicklung der Arbeitszeit nicht berührt worden ist. Auch eine Zunahme der Intensität der Arbeit hält Ehrenbcrg noch nicht für erwiesen und meint, auch diese weit verbreitete Ansicht bedürfe noch sehr der Klärung, Demgegenüber meine ich allerdings, cs wird anzunchmen sein, daß der auf eiliges Hasten, auf prompte Einhaltung kurzer Termine n, dergl, m, gerichtete Zug der Zeit, wie ihn die ganze Kulturentwicklung und die verbesserten Verkehrsmittel der Neuzeit mit sich bringen, auch der Kontorarbcit, die hierdurch fast immer nahe berührt wird, sich mitteilt und ihr größere Lei stungen ohne weiteres aufbürdet. Besonders das die Nerven an strengende Telephonieren, und was mit solchen Verkehrsmitteln sonst zusammenhängt, darf bei der Wertung keineswegs, wie es von Prof, Ehrenberg leider geschieht, außer acht gelassen werden. m. Das exakte Material zur Beurteilung unsrer Frage ist also, wie wir sehen, dürftig, und reicht an keiner Seite hin. Wir sind also zunächst, um Grundlagen zu geben, ans allgemeinere ardeitspsychologische und psycho-phhsiologische Erwägungen an gewiesen. Wie wir schon betonten, stehen im Verlagsbuchhandel die verschiedenartigsten Tätigkeiten nebeneinander, Leitung, Herstel lung, Vertrieb und Expedition erfordern ein rasches, immer de- reites Zugreifen, bieten Abwechslung, sind daher interessant und bannen den, der diese Arbeiten zu verrichten hat, nicht den gan zen Tag auf den Schemel, Daneben stehen die oft geisttötende Kontenführung, die Übertragungen, Honorierungen und andere andauernde Schreibarbeiten, Man wird widerspruchslos sagen dürfen, daß höher qualifi zierte geistige Leistungen, die von leitenden Posten in Kontoren zu erbringen sind die Herstellung wird fast insgesamt cinzu- schließen sein - , in gewisser kürzerer Arbeitszeit besser und für den Unternehmer vorteilhafter werden als in langer Arbeitszeit, Es ist a n z u n e h m e n (aber freilich schwer nachzuweisen), daß intensive geistige Tätigkeit (der organisatorischen Leitung oder anderer Art) ihr Optimum zwischen 7 und 8 Arbeitsstunden er reichen wird. Was darüber ist, wird (mit Professor Abbe zu reden) »Leergang« sein, und die auf diese Weise mehr verbrachte Zeit ist vermutlich nur versessen. Freilich hängt aber die Arbeitszeitfrage in den Verlagskon toren aus den schon oben angeführten Gründen der Betriebsein heit und der ruhigen Gleichmäßigkeit nicht von diesen »inter essanten« Posten allein ab, sondern zugleich von den andern, die von jener Arbeit abhängig sind oder zum mindesten neben ihr hergehcn müssen. Es fragt sich also, wo für diese Wohl das Ar beits-Optimum auf den ersten Blick liegen wird. Manche sind unter diesen Arbeiten, die sich nicht mehr ver einfachen und beschleunigen lassen, und eben »ihre Zeit« brau chen, Andere bieten noch ein reiches Feld für praktische Neue rungen, kleine Hilfsmittel, geschickte Erleichterungen, so daß der findige Kopf, der, wenn er früher ferbig würde, früher heimgehen dürste, sicherlich die Intensität seiner Arbeit er höhen und in 8 Stunden das Gleiche leisten könnte, was er bisher in 9 Stunden leistete. Es hängt natürlich ganz davon ab, wie intensiv er bisher gearbeitet hatte, wie stark die Kontrolle war, wieviel Arbeit ihm dauernd zugemcssen wird und ob deren Erledigung an eine bestimmte Zeit geknüpft wurde. Sehr viele Modifikationen sprechen da mit — aber das allerdings ist nach meiner Überzeugung dem vorliegenden historischen und sonst eine Vergleichung gestattenden Material aus der Hand- und Kopfarbeit zu entnehmen, daß eine längere als neunstündige Ar beitszeit in Kontoren nicht dauernd von erhöhtem Ardeits- erfolg begleitet fein kann. Da ist die Grenze der durchschnittlichen geistig-mechanischen Tätigkeit erreicht, und was darüber ist, wird verbummelt, leer laufen gelassen und versessen (eventl, bei Licht und Heizung), Nun aber kommt als wichtiges Moment immer noch das eine hinzu (über das freilich Untersuchungen nicht vorliegen), ob nämlich die Arbeitskraft des Menschen aufdieDaucrder Jahre sich vielleicht bei einer achtstündigen Arbeit besser er hält, als bei einer längeren, wobei ich übertriebener Verhätsche lung, die am liebsten jeder besonderen Anstrengung aus dem Wege gehen will, nicht das Wort rede. Vielmehr stählt sich bekanntermaßen bis zu einem gewissen Grade die Leistungsfähig keit durch die Anstrengung, das Können durch das Müssen, und wir wollen nicht dem Zustand zustreben, wo dem Dienenden alles zu viel wird, und besonderer Fleiß und besondere Anstrengung etwa verpönt wären. Damit hängt aber die Frage zusammen, bei welchem Ans 391