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Redaktioneller Teil. ^ 241, 16. Oktober 1914. Deutschen Kaiser strotzt und mit der Aufforderung an Deutschland schließt, den angeblichen Friedensstörer vom Throne zu jagen, damit wieder Ruhe und Ordnung in Deutschland einkehre. Herr Benjamin hat sich nicht damit begnügt, sein Geschreibsel durch den Druck zu verewigen, sondern versendet die Nummer auch an deutsche Antiquare. Wir können uns nicht vorstellen, welchen Zweck cs haben könnte, Herrn Benjamin darüber aufzuklären, daß das deutsche Volk wie ein Mann hinter seinem Kaiser steht und daß zu keiner Zeit Volk und Herrscher sich so eng verbunden gefühlt haben wie in diesem Kriege. Die einzig mögliche Antwort auf dieses alberne Gedicht kann nur in dem Abbruch aller Beziehungen der deutschen Geschäftswelt zu dem »6o1Ieetor« und seinem Herausgeber bestehen, und daß es daran nicht fehlen wird, beweisen die uns vorliegenden entrüsteten Zu schriften aus dem Leserkreise. Nur eine Frage erhebt sich und heischt Antwort: Wie ist es möglich, daß eine so vollständige Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse in dem Kopfe eines Mannes Platz greifen kann, daß er anscheinend noch auf den Beifall der deutschen Geschäfts welt rechnet, der er seine kindische Reimerei zuschickt? Mit dieser Frage werden wir uns nach dem Kriege noch eingehend beschäftigen müssen, nicht um Herrn Benjamins willen, sondern im Interesse derer, die die Wahrheit suchen und sie nicht erst dann erfahren wollen, wenn es zu spät ist. Die G. m. b. H. im Kriege. Eine Verordnung des Bundes rats. — Die Berufung der Gesellschafterversammlung einer Gesell schaft mit beschränkter Haftung erfolgt nach 8 51 des diese Gesell schaften betreffenden Gesetzes durch Einladung der Gesellschafter mittels eingeschriebener Briefe. Dieser Weg ist infolge des Krieges oft nicht benutzbar, insbesondere für Briefe, die ins Ausland zu schicken wären. Fehlt es in solchen Fällen an einem erreichbaren Vertreter und läßt sich auch eine die förmliche Ladung erübrigende Verständigung mit dem Gesellschafter nicht ermöglichen, so kann die Herbeiführung eines ordnungsmäßigen Gesellschafterbeschlusses in Frage gestellt sein. Zum Teil bietet der 8 1911 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen für einen Abwesenden zur Wahrnehmung seiner Vermögensangelegenheiten ein Abwcsenhcitspfleger bestellt werden kann, einen angemessenen, den Interessen aller Beteiligten genügenden Ausweg. Die Voraussetzungen des 8 1911 paffen aber nicht für alle hier in Frage kommenden Fälle: sie sind insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Gesellschafter an dem ausländischen Ort seinen Wohnsitz hat. Der Bundesrat hat daher beschlossen, daß auf Antrag eines Be teiligten, wenn die Bestellung eines Pflegers nicht möglich ist, das Amtsgericht, in besten Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, einen Vertreter zur Entgegennahme der Ladung sowie zur Ausübung der Rechte des Gesellschafters bei der Beschlußfassung gebühren frei bestellen kann. Ein so bestellter Vertreter kann auch zur Ausübung sonstiger dem Gesellschafter in bezug auf die Füh rung der Geschäfte zustehender Rechte ermächtigt werden, z. B. zur Ausübung der Rechte, die dem Gesellschafter in bezug auf die etwa für notwendig erachtete Einberufung einer neuen Versammlung nach 8 50 des Gesetzes zustehen. Soweit möglich, wird sich der Vertreter mit dem Gesellschafter in Verbindung zu setzen und seine Weisungen einzuholen haben. Hierzu und zur sonstigen Vorbereitung des Vertreters wird die Frist von einer Woche, die nach 8 51 des Gesetzes zwischen der Ladung und der Versammlung mindestens liegen soll, regelmäßig nicht ausreichen. Die Verordnung des Bundesrats gibt daher dem Gerichte die Befugnis, die Ladungsfrist zu verlängern, und zwar sowohl dann, wenn ein Vertreter auf Grund der neuen Verordnung, wie auch dann, wenn ein Pfleger nach den bestehenden Vorschriften bestellt ist. Kinovorführungen. — Das Herzogliche Ministerium von Sachsen- Altenburg veröffentlichte folgende Verfügung: In einigen Lichtspiel häusern im Herzogtum sollen dem Ernste der Zeit nicht entsprechende Vorführungen von Lichtbildern stattgefunden haben. Wir weisen die Polizeibehörden an, darauf zu sehen, daß bei den öffentlichen Theater-, Musik-, Kino- und anderen Aufführungen in der Auswahl der vor- zufllhrenden Stücke dem Ernste der Zeit Rechnung getragen werde. Eine Kundgebung der Universität Berlin. — Die Professoren der Wiener Universität haben aus Anlaß der Kriegslage eine Kundgebung an die Hochschulen des Deutschen Reiches gerichtet. Auf das vom Rektor der k. k. Universität Wien, Professor vr. Wettstein v. Westers- Heim, Unterzeichnete Schreiben, in dem auf den gemeinsamen Kampf um gemeinsame Güter verwiesen wird, hat der Rektor der Berliner Universität in Vertretung Professor vr. Kipp folgendes erwidert: Euer Magnifizenz! Die Universität Wien hat aus Anlaß des Verantwortlicher Redakteur: Emil T l,^ m a^S. — Verlag: De^ B 0^r s^c n schweren Kampfes, in welchem Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich in unlöslicher Waffenbrüderschaft zusammenstchcn, an unsere Hochschule eitlen tiefempfundenen bundesbrüderlichen Gruß gerichtet. Die altberühmte Pflegerin deutscher Forschung und Lehre kann ge wiß sein, daß jedes Wort ihrer erhebenden Kundgebung in den Her zen aller Angehörigen der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität begeisterten Widerhall findet. Einig mit der Wiener Schmesteruniver- sität in der Zuversicht, daß der gemeinsame Kampf zum Siege der ge meinsamen gerechten Sache führen wird, spricht die Friedrich Wil helms-Universität ihren aufrichtigsten Dank aus und sendet der Uni versität Wien in dem Bewußtsein unverbrüchlicher Zusammengehörig keit und beseelt von den Gefühlen treuer Freundschaft herzlichen Gruß. Der Rektor. I. V.:Kipp. Der Deutsche Verlegcrverein richtet in der neuesten Nummer seiner »Mitteilungen« die dringliche Mahnung an seine Mitglieder: Klärt Eure ausländischen Verfasser über unsere tatsächliche Lage auf. Veranlaßt Äußerungen der Einzelnen in der Presse ihrer Hei mat. Erklärungen von Körperschaften wirken in heutigen Zeitläuften nicht auf die Dauer. Solche Artikel müssen in größerer Zahl erscheinen, um die Kul turwelt in Atem zu halten. Versendung von offiziellen Schriftstücken allein tut's nicht, Ihr müßt von Mann zu Mann sprechen. Bittet Eure deutschen Verfasser, ihre Beziehungen zu ausländi schen Gelehrten und Schriftstellern in gleicher Weise auszunützen, eben so Übersetzer. PersonMaHrichten. Gefallen: am 27. August Herr Johannes Findeisen, Mitarbeiter im Hause Friedrich Cohen in Bonn, Unteroffizier der Reserve im Rheinischen Infanterie-Regiment Nr. 65. Er war ein tüchtiger Mensch, dessen Ableben von seinen Freunden und Bekannten tief bedauert wird. Otto Heinrich s. — Am 23. September starb den Heldentod für das Vaterland der Vorstand der Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen und Bibliothek Professor Otto Heinrich, Oberleutnant der Res. und Kompagnieführer im Jnf.-Ngt. Nr. 169, im Alter von 38 Jahren. Früher am Kaiser Friedrich-Museum und an der Herzoglichen Biblio thek in Gotha als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter tätig, wurde er im vorigen Jahre nach Donaueschingen berufen. SpreWal. Lesestoff für Gefangene. «Vgl. Nr. 235.» Es ist meiner Ansicht nach vollkommen zwecklos, den Kriegsge fangenen Aufklärungsschriften über die Ursachen des Weltkrieges zu geben. Das wäre vielleicht bei den Z i v i l gefangenen nicht ganz ohne Erfolg gewesen, — hier aber handelt es sich um gefangene Sol daten, die wochenlang gewohnt waren, unsere Truppen auf das todbringende Visier zu nehmen. In denen steckt jetzt wahrlich keine Lust, die Wahrheit über den Kriegsausbruch zu hören, sie waren eben — beseelt oder gezwungen — in den Krieg gezogen, der sie nun bis zum letzten Gedanken in den Klauen hat; sie haben Blut geleckt und wüten gegen ihre Ohnmacht. Ter hypnotische Zwang des Krieges riß sic aus der Erwägung von Recht und Unrecht. Ihre Gedanken sind: das da ist unser Todfeind. Sie werden die Aufklärungsschriften nicht lesen, oder wenn es doch geschieht, werden sie sagen: wer ver bürgt uns die Wahrheit? Sie sehen: ihr Feind und wissen, daß ihr Vaterland es ihnen anders sagte. Wem werden sie also glauben? Doch ihrer Nation. Die Gefangenen sind von dem endgültigen Siege unserer Feinde felsenfest überzeugt. Unsere Siegesnachrichten, die sie jetzt erfahren, sind für sie rein subjektiv. Sie werden also in unfern Aufklärungs schriften den Versuch vermuten, Deutschland wolle sich für seine un bedingt bevorstehende Niederlage ein weiches Bett sichern. Das ist eine Demütigung für uns, ein Zugeständnis, an das wir natürlich mit keinem einzigen Gedanken denken. Wer je dem hassenden Blick eines Gefangenen begegnet ist, der muß gefühlt haben, daß die Brücke jeder Verständigung mit diesen Soldaten während des Krieges abgebrochen ist. Otto Niebicke (Berlin-Wilmersdorf). > erein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Deutsches BuchhändlerhauS. - Redaktion und Expedition: Leipzig, Gerichtsweg 2S lBnchhändlerhanS). 1540