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71, 26. März 1S12. Mchtamtlicher Teil. «Sri-ndl-a p «. «ich». «uch!-nd->. 3895 verlangt oft für einen auf seinem Lager liegen gebliebenen Romanband 4/6, den das Warenhaus noch mit Nutzen zu einem Schilling an den Kunden abgeben kann. Gewiß sind das ungesunde Zustände im englischen Buchhandel, die nur durch eine Verständigung der Verleger hinsichtlich der Massen produktion und der unsinnigen Konkurrenz gehoben werden können. Die Tatsache, daß man bei den Drapers gute, bekannte Romane zu spottbilligen Preisen bekommen kann, führt den Warenhäusern stets neue Kunden zu und schadet dem Buchhändler, der auch die billigen I/--Bände nicht los werden kann, da seine Käufer die bessere Ausgabe im Store oder im Warenhaus sehr ost zu demselben Preise kaufen können. In der Tilsiter Allgemeinen Zeitung vom 9. Februar 1912 erschien ein Artikel, in dem behauptet wird, daß der Buchhandel in England ungemein primitiv organisiert sei. Der Verfasser kann nur sehr oberflächliche Kenntnisse des eng lischen Buchhandels haben, da er sonst den von Unrichtigkeiten strotzenden Artikel nicht geschrieben hätte. Wunderbare Be hauptungen finden sich in diesem Artikel! Um es klipp und klar zu sagen: der englische Buchhandel ist zwar nicht in der selben Weise wie der deutsche Buchhandel organisiert, er hat aber seine eigene für englische Verhältnisse passende Organi sation! Die belletristische Produktion des Auslandes soll für England nicht in Betracht kommen, versichert uns der Schreiber dieses Artikels mit ernster Miene. Gerade das Gegenteil ist wahr, Neuerscheinungen der französischen, deutschen, skandinavi schen, russischen, italienischen und spanischen Literatur werden seitens des englischen Lesepublikums stets verlangt und oft gekauft, wie auch alle bedeutenderen Erscheinungen der ausländischen Autoren in den literarischen Reviews usw. stets gewürdigt und besprochen werden. Leider aber erscheint so selten etwas wirklich Bedeutendes! Alles, was literarischen Wert hat und behält, erscheint früher oder später in einer englischen Übersetzung, falls es in den literarischen Zirkeln Anklang gefunden hat und sich mit der Eigenart des britischen Volkscharakters verträgt. Im großen und ganzen zieht der gebildete Eng länder das ausländische Original der Übersetzung vor und zeigt hierdurch seine Überlegenheit und Bildung. Auch die Behauptung, daß die Übersetzer allein ein Geschäft machen, da 1000 Worte mit 10 bis 20 Schillingen bezahlt würden, ist nicht so ganz richtig. Der Durchschnitt ist 7/6 für 1000, und öfters werden nur 5/— für 1000 Worte bezahlt. Das bezieht sich nicht auf geographische, historische oder populärwissenschaftliche oder gar wissenschaftliche Werke des Auslandes, die alle in mehr oder minder guten Übersetzungen in England zu finden find. Auch sind die Angestellten des englischen Buchhandels nur in den seltensten Fällen Leute, die Konserven oder Stiefel usw. verkauft haben, gewöhnlich find es junge Leute, die von der Pike auf in den »Loolrsbops« gearbeitet und sich eine erstaunliche Bücherkenntnis, oft allerdings nur in bestimmten Fächern, ungeeignet haben. Die meisten widmen sich gewissen Fächern, z. B. der Medizin, Geographie, dem Antiquariat usw. Viele gehen vom »Looksbox» zu den »Ulldliskiux-Uousss« (Verlegern), um dort die Verlags technik zu lernen, und die großen, weltberühmten Verlags- Häuser des englischen Buchhandels beweisen, daß die Un kenntnis, die der Verfasser des Artikels in so brennenden Farben schildert, nur in der Einbildung gewisser Schriftsteller existiert. Daß die berühmte »Aktiengesellschaft«, dis den Buchhandel in London auf fachmännische Weise reorganisieren sollte, nicht reüssierte, lag an der großen Konkurrenz leistungsfähiger »Loolcskoxs«, mit denen ganz London übersät ist. In den Vorstädten sind sie allerdings nicht zu finden, vr. Conan Doyle soll sich über die Unkenntnisse der Verkäufer gewundert haben. Er muß in einer medizinischen Buchhandlung nach seinen eigenen medizinischen Werken gesragt haben, sonst ist seine Klage nicht zu verstehen. Bernard Shaw ist sehr humoristisch und stellt gern absurde Behauptungen auf. Angeblich hat ihn nichts so sehr befremdet, als daß er in Irland keine Irländer, in London keine Engländer gefunden habe. Auch soll er sich sehr darüber gewundert haben, daß man in Londoner Buchhandlungen nur die Theaterstücke von »Bernard Shaw« auf Lager hält! Zu der deutschen Ausgabe seiner Werke hat er eine wunder bare Vorrede: »Was ich der deutschen Literatur verdanke», geschrieben. — Er beweist dem wißbegierigen deutschen Leser, daß er alles, d. h. nichts der deutschen Literatur und Kultur verdanke, da er vollständig der deutschen Sprache unkundig sei und leider nie Zeit gehabt habe, die vielen Übersetzungen deutscher Geistesheroen in englischer Sprache zu lesen! Man steht, daß der Artikelschreiber der Tilsiter Zeitung zwar hat läuten hören, aber nicht weiß, wo die Glocken hängen. Auch mit den Verlegerhonoraren, die an die Schriftsteller gezahlt werden, ist es in den meisten Fällen nicht so arg. Gewiß erhalten manche hervorragenden Schriftsteller hohe, sehr hohe Honorare, die Mehrzahl aber muß sich mit geringen oder gar keinen begnügen, ja mancher, der gern sich gedruckt sehen will, zahlt für dieses zweifelhafte Vergnügen noch ein schweres Geld. Es ist erstaunlich, wie groß die Unkenntnis über England und englische Verhältnisse in Deutschland und Frankreich ist. Einen Beweis hierfür bietet auch der von einer französischen Firma an gelehrte Gesellschaften, Uni versitäten, Bibliotheken (aber nicht an Buchhändler, soviel ich weiß) versandte Katalog. Auf der dritten Seite des Umschlags erklärt die betr. Firma, augenscheinlich ganz bona üäs, daß der Franc in Deutschland mit einer Mark, in England mit einem Schilling berechnet werde, während sie den ausländischen Kunden zumindest 10"/, Rabatt ge währe! Als Sekretär der Lorsizn LooksoUors-Lssooiatiou ok drsat Lritain snä Irolauä kann ich versichern, daß der Franc nur mit 10 ä und mit 9*/, ä bei den 3.50 Frcs.-Bänden berechnet wird. Zum Beweis für meine Behauptung drucke ich das zwischen den Import-Buchhändlern und den franzö sischen Verlegern vereinbarte Preisverzeichnis hier ab. Lookssllors ok Orsat Lritaiu auä Irolauä, actluK io eoucort vitb tbo Itrsueb UublisbiuZ Vraäo. Volums« xublisbeä 5 1 kraue to bs »olä ä 104, xostaqo sxtra , L 1 kr.60o. L 1/3 L 1/8 L 2 kr. 60o. „ L 2/- ä 2/6 L 3 kr. 60o. , L 2/8 L 3/3 L 4/- a 7 kr.SO o. L 6/- L 6/6 , 510 kraue» L 8/- Der Kampf um die Theaterzcnsur treibt tolle Blüten. Das verbotene Schauspiel »Ibo 8oerst Woiuan 6/ Ur. Läon LbiUxotts» ist nun vor 24 der bedeutendsten Schriftsteller, wie Mr. Barric, Henry Hames, Sir Arthur Conan Doyle, in einer Privataufführung gegeben worden. Der Kritiker der »limos« erklärt, daß das Stück weder Unanständigkeiten, noch das Sittlichkeitsgefühl beleidigende Szenen oder Worte enthalte. Es sei im Gegenteil ein sehr moralisches Buch, und es sei unbegreiflich, warum die öffentliche Aufführung verboten worden sei. Umso befremdlicher wirkt es, daß verschiedene Theaterdirektoren aus der Provinz eine Petition an die Regierung gerichtet haben, worin das Beibehalten der Zensur befürwortet wird! 507»