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7026 Nichtamtlicher Teil. ^ 184, 10. August 1S05. leinen Menschen in dergleichen Verhältnisse wieder kommen.« Einige Wochen darauf konnte er nach Weimar melden, daß es ihm gelungen fei Geld aufzutreiben*): »Ich nahm meine Bücher beym Kops, legte einem meiner Handclskollegen jedes Conto vor, zog meine Bilancen und ging dann zu Küstners sdem Banquierj. Ihr habt mir schon 1500 Thlr. gegeben, ich brauche noch 1500 Thlr. Fragt meinen Freund und Handelsgenosse» Kummer wie ich stehe, denn ich muthe Euch nicht zu, mir auf meine Versicherung allein noch 1500 Thaler zu geben. Kummer erboth sich gleich die 1500 für seine Rechnung zu geben; allein Küstners wollten es nicht haben. So bin ich denn aus einer Lage gekommen, welche ich nicht 14 Tage länger ausgehalten hätte. ...» So konnten wenigstens die 1500 Taler gezahlt werden, der Rest jedoch noch nicht, und manch unangenehmer Brief wurde infolgedessen noch zwischen Bertuch und Göschen ge wechselt. Im Laufe des Jahres 1790 wurde Bertuch dann ganz befriedigt, und 1791, wie wir sahen, auch über das zur Goetheausgabe eingeschossene Kapital mit ihm abgerechnet, so daß Göschen ihm gegenüber frei dastand. Die rege Korrespondenz zwischen beiden erlahmte nun etwas; Göschen, der Ursache zur Bitterkeit gehabt hätte, hat Bertuch immer entschuldigt und sein Vorgehen gutgeheißen. Körner, der Bertuch nicht besonders liebte, schreibt zwar, als er von den Zwistigkeiten zwischen beiden hörte, dem Leipziger Freunde**): »Es freut mich, daß Sie nicht mehr in einer engeren Verbindung mit Bertuch sind. Ich ehre kaufmännische Industrie und Spekulationsgeist bei jedem. Aber wer gegen Freunde den Kaufmann spielen kann, oder vielmehr das, was er Freundschaft nennt, bloß zum Behufs des Handels braucht, — mit dem mag ich nichts zu thun haben.« Göschen selbst dachte anders. Am 8. Oktober 1790***) nachdem er alles so weit abgewickelt hatte, daß er an eine völlige Auseinandersetzung mit Bertuch denken konnte, schreibt er diesem: »Dann, wenn unsere Llerountilia erst gänzlich aus einander sind, soll unsere Freundschaft sich fester schlingen. — Die Zeit, wo ich freier nach meinem Herzen handeln kann, ist nicht mehr weit entfernt. In einem halben Jahr bin ich aus allen Sorgen heraus. Ein Herz voll Sorgen ist sür die seineren Gefühle nicht immer ganz geschickt. Genug, wenn cs nur mit Treue die Eindrücke, welche es empfangen hat, aufbewahrt; die Früchte müssen in frohen Zeiten zur Reife kommen.« Und im Jahr darauf kann er Mitteilen, daß nunmehr bald jede Geldnot gehoben sei: »Es wird auch Zeit! Denn ich habe in den sieben Jahren durch die Unzuverlässigkeit meiner Kollegen mehr gelitten, als durch eigentliche Schwächen meiner körperlichen Natur. Ich möchte diese Jahre nicht noch einmal leben Doch sey Gott gedankt, daß sie in einem halben Dutzend Monaten überstanden sind. Der schöne Mannessinn, der dem Menschen so viele Würde und die siege Heiterkeit giebt, der ihn vor allen Niederträchtigkeiten schützt, kann durch drückende Lagen verlohren gehn. Dafür Hab ich oft gebebt. Ich bin mir bewußt, daß ich ihn erhalten habe, in aller Sorge, die mich drückt.« Fortan wird die Korrespondenz zwischen Bertuch und Göschen dürftiger; ihre Wege gingen weiter auseinander; Bertuch gründete seine eigenen Buchhandlungen. Wie dank *) Göschens Leben. I, S. 265. **) Göschens Leben. I, S. 267. Göschens Leben. I, S. 269. bar aber Göschen des Mannes gedachte, der ihm die Wege zum Erfolg geebnet hatte, wie gerecht er Bertuchs Eigenart wurde, zeigt eine Stelle in einem Schreiben an Wieland, wo es heißt*): »Und dennoch liebe ich diesen unermüdeten und in seinen Verhältnissen redlichen Mann und bin würklich sein Freund. Ich werde ihm dienen und ihn achten, so lange ich lebe, wiewohl ich niemals mit chm wieder eine merkan- tilische Unternehmung in Gesellschaft machen kann. Ich muß in meiner Handlung allein Herr sein, damit ich der einst ruhig davon scheiden kann, und so lang ich lebe bey meiner Arbeit Freiheit über meine Stunden und meine Hände, über meinen Kopf und über meine Casse habe.« Soviel über das Verhältnis und das Teilhabergeschäft zwischen Bertuch und Göschen. Körner und Schiller, die Freunde Göschens, sind nie in ein besonders herzliches Verhältnis zu Bertuch getreten; Körner macht sich oft lustig über ihn, obgleich Bertuch selbst nur in der herzlichsten, anerkennenswertesten Weise über ihn und seine Familie spricht; er verwünscht seinen merkantili- schen Sinn, und Schiller, obgleich er dem klugen und ge wandten Geschäftsmann viel Dank schuldig gewesen wäre, hat dem Dresdner Freunde nur zu häufig sekundiert und sich allerlei böswillige Bemerkungen über Bertuch erlaubt, die gewiß nicht angebracht waren. So schreibt er einmal am 29. August 1787 an Körner: »Beim vorigen Clubb mußte ich Bertuchs Gast sein. Ich machte mir die Lust, ihn auf sein Steckenpferd zu setzen, und verbreitete mich ganz erstaunlicherweise und mit einer Art Begeisterung über Commercespeculationen. Er wurde warm und machte mir große Confidencen, unter andern auch die Idee eines deutschen Bücherhandels nach Paris, Amsterdam und England, den er gar sehr in Affection genommen hat. Ich sprach mit soviel Achtung von dem Handel, daß ich ihn bald ganz weg hatte, und er mir am Ende einfiel, ob ich, stelle Dir vorl nicht Lust hätte, mich in eine solche Carriere einzulassen. Als wir auseinandergingen, drückte er mir die Hand und sagte: Es freue ihn, daß wir einander nun kennen lernen! Der Mann bildet sich ein, daß wir Berührungspunkte hätten, und denkt mich auf einer neuen Seite betreten zu haben. Übrigens aber, gestehe ich Dir, werde ich Bertuchs Be kanntschaft nie ganz aufgeben. Wer weiß, ob nicht Du vielleicht einmal von seiner Thätigkeit, seinem Handels geist und seinem Glücke profitieren kannst, wenn sich Fälle ereignen sollten. Vielleicht auch ich selbst. - Kurze Zeit daraus äußert er dagegen in einem Schreiben an Huber vom 14. September 1787: »Am vorigen Sonntag war ich zu Bertuch zu einem sehr weitläustigen Souper geladen, wo ich mich unter einer höchst abgeschmackten Menschenklasse, den Räthen und Räthinnen von Weimar, sehr übel berathen fand. In einer solchen Dürre des Geistes war Bertuch sür mich ein wohlthuendes Wesen, und das ist viel gesagt. Aber ich kann Dir versichern, daß unter allen hiesigen Menschen Bertuch mir noch beinahe der liebste ist, weil ich über ge wisse Dinge bei ihm schon zum voraus resigniere und alles finde, was ich bei ihm suche.« Einmal schreibt er auch, daß er Bertuch und Frau im Umgang recht sehr genießbar fände. Bertuch war dem Dichter in der Zeit seines ersten Weimarer Aufenthaltes sicher von größtem Wert; er half ihm mit Vorschüssen aus, verschaffte ihm Einkommen mancherlei Art, so als Mitarbeiter an der Allgemeinen Lttteratur-Zeitung, schloß für ihn den vorteilhaften Kon- *) Göschens Leben. I. 267.