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einzelnen Betrieb vom Vater übernommenen Erfahrungs schatz gering zu achten. Bei dem Zwange aber, den Er trag von Feld und Stall fast ruckartig zu heben, wird eine Aufgabe gestellt, die der einzelne nicht allein auf Grund der per sönlichen Erfahrungen und der seiner Vorfahren leisten kann. Es gilt, die Erfahrungen aller übrigen Berufsgenossen und das Forschungsergebnis der landwirtschaftlichen Wissenschaft hinzu zufügen, und dazu kann der Mittler nur das Fachbuch sein. Ein führender Mann im Bolksbüchereiwesen hat erst unlängst wieder festgestellt, daß das Landvolk in den langen Wintermonaten zu den eifrigsten und treuesten Lesern zählt, die die Volksbücherei sich nur wünschen kann. Und Volksbüchereien sind wichtig; nicht umsonst hat sie der Rcichsbauernführer aus dem Platten Lande mit besonderem Nachdruck gefördert! Am wichtigsten aber ist, daß sich an den Buchauslcih der Buchbesitz anschließt. Mit Recht hat Staatsrat Hanns Jo Hst mehrfach nach dem Bücherbord im Bauernhaus gerufen, und mit dem gleichen Recht wird den Siegern im Berufswettkampf eine Fachbücherei überreicht. Die sen Aufstieg zum Besitz einer eigenen Fachbücherei wird auch die Leipziger Fachbuchausstellung sicherlich weiter fördern. Groß sind die Aufgaben in der Landwirtschaft, die durch die Erzeugungsschlacht und den Vicrjahresplan gestellt werden. Groß sind aber auch die Schwierigkeiten, die dabei schon ange sichts des Landarbeitermangels und der Überlastung der Land frau zu überwinden sind. Da ist jeder Helfer willkommen, nicht zuletzt das Fachbuch, das als stummer Lehrmeister jeden ein zelnen zur Mehrleistung führen kann. »Ein Volk kann aus der Asche des Vaterlandes wieder auflcben, wenn seine heiligen Bü cher gerettet werden- (Iah"). Dem deutschen Volk ging dieses hochwertige Kulturgut nie verloren. Ihm war es möglich, diese Werte immer noch weiter zu vermehren. Zu einem Kulturkampf im besten Sinne des Wortes wird die kommende Reichsnähr standsausstellung erneut aufrufen. Dabei wird auch das Fach buch Rufer in einem Ringen sein, dessen Ausgang mit der Nah rungsfreiheit über die Zukunft von Volk und Staat zum guten Teile mitentscheidet. Schutzgeist des Buches Von Dr. Karl Robert Popp »Ein Buch, das leben soll, muß seinen Schutzgeist haben«, sagt Hagedorn in seinen Lehrgedichten. Wir haben oft darauf hingcwiesen, daß der Buchhändler zu einem der besten Schutz geister unserer Bücher werden kann und haben ihn mit einem ehrlichen Mittler und Makler verglichen, der, zwischen Dichter und Leser stehend, beiden nach bestem Wissen und Gewissen ge recht zu werden versteht. Wir haben aber ebenso oft betont, daß diese Mittleraufgabe schwer, verantwortungsvoll und schön zu gleich ist und waren uns nie darüber im Unklaren, daß der Buchhändler mit klingenden Worten und lobenden Hinweisen nicht viel anfangen kann. Er wird vielmehr oft fragen: »Mitt ler? Ja, gern! Aber wie soll das geschehen? Mutet man mir nicht viel zu viel zu? Kann ich denn die Voraussetzungen für eine solche Rolle erfüllen? Kann ich alle Bücher lesen, alle be urteilen?« Solche und ähnliche Fragen haben ihre Berechtigung und tragen zugleich bereits einen Teil der Antwort in sich. Nämlich: Schon damit, daß man das Problem erkennt und seine Schwierig keiten sieht, setzt man sich ja mit ihm auseinander, und jede Art der Auseinandersetzung ist auf alle Fälle der unbedingten Gleich gültigkeit vorzuziehen. Und wenn ich mich, im Bewußtsein er füllter Pflicht, gegen eine vermeintliche überfülle von Forde rungen wehre, dann bin ich immer noch weitergekommen als einer, der solche Anforderungen überhaupt nicht sieht und dem sein Beruf außer der finanziellen keine Problematik in sich birgt. Auch Abwehr ist eine Art Anteilnahme! Natürlich ist es unmöglich, daß der Buchhändler jede Neu erscheinung liest, und es wäre sogar gefährlich, wenn er, von seinem eigenen Urteil allein ausgehend, zum Kritiker würde. Schon hier zeigen sich Hilfslinien, die er nicht entbehren kann und die ihn auf Fachzeitschrift und Buchbesprechung Hinweisen. Wenn wir aber von der Vermittlerrolle des Buchhändlers spra chen und damit einer Gemeinschaft Leser-Buchhändler- Dichter das Wort redeten, dann waren wir uns klar darüber, daß diese Gemeinschaft ein erstrebenswertes Ziel ist, das vorläu fig noch in der Ferne liegt. Wir meinten nur, daß es unsere Aufgabe sei, darauf zuzumarschieren. Der Anfang wird schwer sein, und es gilt, allerlei Hindernisse beiseite zu räumen. Damit es aber zu einem Anfang komme, und wenn das Ziel nicht aus den Augen verloren werden soll, ist der gute Wille des einzelnen unerläßlich, ist auch der kleinste Versuch zur Besserung ein wert voller Beitrag zur Erreichung des Gewollten. Etwas kann jeder Buchhändler über das vielleicht gewohnte Maß hinaus tun! Die »großen Namen« sind einem jeden be kannt, ein jeder kann aber darüber hinaus in einer stillen Stunde das Werk eines Jungen und Unbekannten zur Hand nehmen und sich sein eigenes Urteil über ihn bilden. Die kri tische Brille wird er dabei nicht aufsetzen, denn er hat sich ja im Umgang mit Büchern längst die Wahrheit zu eigen gemacht, daß der Dichter, um mit Goethe zu sprechen, sich den unbefan gensten Leser wünscht, den, »der mich, sich und die Welt vergißt und in dem Buche nur lebt«. Das kann jeder! Der eine verfügt über mehr Gelegenheit und Geschick, dem Ziele zuzusteuern, als der andere, der gute Wille aber macht — wie gesagt — auch den kleinsten Beitrag wertvoll! Schon: Anfang sein, guten Willen haben, heißt ja, den ersten Schritt auf das Ziel hin tun! Und dieser erste Schritt be steht heute darin, den Käufer und Leser langsam dahin zu er ziehen, daß er in der Buchhandlung endlich einmal mehr sieht als nur einen Laden schlechthin. Er soll endlich einmal aus sich herausgehcn und sich beraten lassen! Wenn er sagte: »Ich hätte den Wunsch, etwas von Reisen und Abenteuern zu lesen . . .- — welcher Buchhändler wäre dann nicht bereit, ihm zu raten, wer wüßte dann nicht eine ganze Anzahl guter Werke, die für diesen Leser geschrieben sind?! Dem Käufer sind ja die Hilfs mittel des Buchhändlers nicht zur Hand, und selbst, wenn er einen Katalog hat, fehlen ihm doch häufig Zeit oder Lust oder der rechte Blick für eine erfolgreiche Durchsicht. Also muß er fragen! Aber vorher — und hier stehen wir wieder vor dem ersten Schritt! — vorher will er es spüren, daß der Mann in der Buchhandlung auch wirklich bereit ist, ihm zu helfen! In Wor ten läßt sich das schwer ausdrücken, es gehört dazu die Atmosphäre des Vertrauens, sagen wir, das Fluidum, das von dem wahrhaft hilfsbereiten Buchhändler zum Leser geht und das ihm, wie man heute gottlob oft beobachten kann, die Scheu nimmt. Ja, der Leser scheut sich vielfach, zu fragen, weil er eine heimliche Furcht in sich trägt, sich zu blamieren! Er fürchtet, der Buchhändler könne ihn mitleidig anschauen oder sich eines Lächelns nicht erwehren, wenn er etwas »Dummes- sagt oder fragt, und deshalb bestellt und kauft er drauflos, obwohl es ihm im Grunde oft lieber wäre, Rat und Urteil seines Gegen übers zu hören. Und solche Fälle werden sich um so mehr häufen, je stärker das Volk selber in allen seinen Schichtungen zu seinen Buchhändlern geht. Wer aber wünschte das nicht, und wer ist sich nicht darüber klar, daß eben damit das große Volk der Mil lionen Leser sich seinerseits auf dem Wege zu der erstrebten Ge meinschaft befindet?! Hier ist der Begegnungspunkt, von dem aus Leser und Buchhändler gemeinsam auf das Ziel zumarschie ren, und von da an geht der Geist des Dichters mit ihnen. Es gilt also, hier nicht aneinander vorbeizulaufen! Die Millionenmenge der Leser marschiert instinktmäßig richtig, aber gewissermaßen mit fragendem Blick. Ihr muß der Buchhändler cntgegengehen und sagen: »Ja, ihr seid auf dem rechten Wege! 4S«