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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 153 <R. 74) Leipzig. Dienstag den S. Juli 1938 185.Jahrgang Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig Bekanntmachung Gewährung von Freistücken bei der Lieferung von Lehrbüchern an höhere Schulen Durch die Neuregelung bei der Prüfung und Einführung von Lehrbüchern für höhere Schulen und durch die Beseitigung der Hilfsbüchereien sind die bisherigen im sogenannten Philologen abkommen für höhere Schulen festgelegten Gebräuche bei der Lie ferung von Lehrbüchern zum Teil gegenstandslos geworden. Es kommen insbesondere die Freiexemplare für Hilfsbüchereien in Wegfall. Die minderbemittelten Schüler sollen künftig nicht mehr durch Leihgaben aus der Hilfsbücherei versorgt werden. Die Lehr bücher werden ihnen vielmehr als Eigentum übergeben. Der Schulbuchvcrlag hat sich bereit erklärt, die Versorgung der min derbemittelten Schüler durch Gewährung von Freiexemplaren zu ermöglichen. Die von der Arbeitsgemeinschaft der Schulbuchverleger ge führten Besprechungen beziehen sich zunächst auf die Lieferungen an höhere Schulen. Nach Fühlungnahme mit dem Reichserziehungsministerium, das die Neuregelung den unterstellten Dienststellen amtlich be kanntmachen wird, ordne ich für die Lieferung von Lehrbüchern an höhere Schulen mit sofortiger Wirkung folgendes an: 1. Handstücke können auf Anforderung an Schulen geliefert werden, in denen ein Lehrbuch benutzt wird, und zwar: a) für den Direktor und für die unmittelbar am Unterricht der einzelnen Fächer und Klassen beteiligten Lehrer in je einem Stück; d) für die Beftandsbücherei in zwei Stücken. Die Berechtigung der Anforderung ist durch Anstaltsstempel zu bescheinigen. 2. Freistücke können auf Grund der den Büchern beigegebenen Gutscheine den Schulen bis zu b °/° der käuflich erworbenen Exemplare geliefert werden, wenn die Voraussetzung der W 5 und 6 erfüllt wird. 3. Alle Hand- und Freistücke sind durch Stempel als solche zu kennzeichnen und sind unverkäuflich. 4. Der Umtausch von gebrauchten Lehrbüchern, gleichgültig ob des eigenen oder fremden Verlags, gegen neue Lehrbücher ist unzulässig. 5. Sämtliche Freistücke sind kostenlos weiterzugeben und gehen in das Eigentum der unbemittelten Schüler über. Sie dürfen nicht in eine Hilfsbücherei eingestellt oder anderen Schülern überlassen werden. 6. Durch Anforderung von Frei- oder Handstücken verpflichten sich die Schulen und Lehrer, obige Bestimmungen genau ein zuhalten und ihre Durchführung zu überwachen. Leipzig, den 1. Juli 1938 M. Wülfing, stellvertr. Vorsteher Entscheidungen höherer Gerichte Berichtet und besprochen von Dr. A. Elster (Zuletzt Börsenblatt Nr. 9Z> »Dauerstellung« und Kündigung eines Verlagsleitcrs Der 2. Zivil-Senat des Reichsgerichts hat mit Urteil vom 12. März 1938 (Jurist. Wochenschr. 1938, 1392) einen Streitfall beendigt, der ein auf unbestimmte Dauer abgeschlossenes Dienst verhältnis eines Verlagsleiters betraf, dem diese Tätigkeit, wie aus den Abmachungen hervorging, als Lebensaufgabe, unter Sicherstellung seines Alters, übertragen worden war. Obwohl keine bestimmte Dauer in den Abmachungen vorgesehen war, so ergab sich doch, wie sowohl das Berufungsgericht wie das Reichsgericht angenommen haben, aus dem ganzen Sachverhalt, daß dieses Dienstverhältnis nicht schon nach eineinhalb Jahren ohne Borliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden durfte. Denn die beabsichtigte Dauer könne sich z. B. daraus ergeben, »daß der Dienstverpflichtete für die Erfüllung einer bestimmten Ausgabe, wie die Einrichtung eines Zeitungsverlages und die Organisation des Zeitungsbetriebes, eingestellt wird, oder daraus, daß dem Anzustellenden es nach seinem zum Aus druck gebrachten Willen darauf ankommt, wenigstens auf eine längere Zeit eine feste Stellung zu haben. Die sich hieraus ergebende Mindestdaucr des Vertragsverhältnisscs muß dann im Einzelfall durch den Richter ermittelt werden«. Solche Gesichts punkte sind also bei der Ermittlung des Vertragswillens zu beachten; sie beugen einer willkürlichen Auslegung durch eine der Vertragsparteien vor. Denn wenn es sich nach Treu und Glauben um eine Dauerstellung handeln sollte, so kann sie nicht, ohne daß ein wichtiger Grund vorliegt, schon in den ersten Jahren gekündigt werden. Die außerordentliche Kündigung wegen eines wichtigen Grundes ist allerdings nach H 626 BGB. dann berechtigt, wenn Umstände vorliegen, unter denen dem den Vertrag Kündigenden die Fortsetzung des Verhältnisses nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, und dabei können auch solche Gründe in Betracht kommen, die schon vor Abschluß des Dienstvertrages entstanden sind, aber noch über den Abschluß des Vertrages hinaus sortwirken und dem Kündi gungsberechtigten erst nachträglich bekannt geworden sind. Begriff der kaufmännischen Beschäftigung eines Angestellten Es übernahm jemand als Vertreter für eine andere Firma den Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften, Postkarten, Büchern und Schreibgeräten in einem Zeitungsstand gegen 10°/° Ver kaufsprovision und 10 RM wöchentlichen Zuschuß. In dem Vertrag war eine Kündigungsfrist von einem Monat verein bart. Der Vertreter wurde fristlos entlassen, weil die Inventur einen Fehlbetrag von 290 RM ergeben habe; der Vertreter hielt Nr. 153 Dienstag, öen 5. Juli 1938 541