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enge Bindung an das deutsche geistige Leben, an das deutsche Buch und die deutsche Buchdrucker- kunst, vor allem aber auch an die Buchstadt Leip zig und den Börsenverein der Deutschen Buch händler freudig bekannten. Die Organisation des deutschen Buchhandels ist für alle diese Staaten zu einem richtungweisenden Vorbild geworden, dessen Anwendung vielfach erst die Grundlagen für die Entwicklung des nationa len Verlages und Buchhandels abgegeben hat. Aus dieser geschichtlichen Entwicklung, so betonten die Redner, resultiere auch ihre heutige, enge Bindung an den Begriff »Leip zig- und die Vielfalt der kulturellen Beziehungen zum deutschen Volk, die durch den Kongreß einen neuen und nur noch wirkungs volleren Antrieb erfahren hätten. Herr Nygaard-Norwegen ge dachte außerdem vor allem des großen Erlebnisses Weimar-Goethe und der Tatsache, daß für Norwegen seit nunmehr siebenundachtzig Jahren das deutsche Buchwesen zu einem Vorbild geworden sei. Starker Beifall, der sich immer von neuem steigerte, folgte der Ansprache des Herrn Philippon-Frankreich, der auf die Frucht barkeit des gedanklichen Austausches im Buch zwischen Deutsch land und Frankreich hinwies, der seit Jahrhunderten dem Fort schritt der europäischen Kultur immer neuen Antrieb gegeben habe. Spontan prasselte Händeklatschen in die Worte des Vertreters des italienischen Imperiums, vr. Graf Bompiani, als dieser des Führers gedachte. Herr Willink-Holland begrüßte in seiner Rede noch einmal das Zustandekommen der Vereinbarung mit dem Börsenverein, das erneut erwiesen habe, daß man sich aus die Deutschen und ihre Treue verlassen könne. Er schloß seine Ausführungen mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf die deutsche Treue. Nachdem als Letzter Herr vr. von Benedek-Ungarn gesprochen hatte, trat eine kurze Pause ein. Die Kongreßteilnehmer und die zahlreich anwesenden Ehrengäste aus Staat und Partei — unter ihnen wiederum der Präsident der Reichsmusikkammer, General musikdirektor I)r. Raabe, der Vizepräsident der Reichsschrifttums kammer Hauptamtsleiter Wilhelm Baur, Reichsamtsleiter Hage meyer, Reichsamtsleiter vr. Krüger, Regierungsrat Schlecht und die Referenten der Abteilung Schrifttum, Regierungsrat vr. Erck- mann und Regierungsrat Dr. Hövel — standen in lebhaftem Ge spräch in der Wandelhalle zusammen, bis die Klingelzeichen den Wiederbeginn der Sitzung anzeigten. Kaum hatte sich der Sitzungssaal gefüllt, betrat Reichs minister vr. Goebbels begeistert begrüßt die Tribüne. Er wurde von Ministerialdirektor Gutterer und dem Leiter der Ab teilung SchrifttumMinisterialrat Hederich begleitet und von Präsi dent Karl Baur und den deutschen Vizepräsidenten an seinen Platz geleitet. Der Staats- und Domchor, der unterdessen im ersten Rang Ausstellung genommen hatte, begann nunmehr mit seinem Konzert unter Leitung von Professor AlsredSittard. Deutsche Lieder von Brahms,Sittard, Haydn, Othegraven, Krell und Nikolai nach Texten von Goethe und Lessing und nach Volksliedern brachten das wunderbare Stimmenmaterial des Chores und seine außer ordentliche Klangschönheit voll zur Geltung. Als das letzte Lied und der starke Beifall verklungen waren, trat Präsident Karl Bauran das Rednerpult und begrüßte Reichsminister vr. Goeb bels, den Schirmherrn des Kongresses, mit folgender Ansprache: Herr Reichsminister! Im Namen der aus siebzehn europäischen Ländern und aus Übersee versammelten Delegierten und Gäste der XII. Ta gung des Internationalen Verleger-Kongresses darf ich Sie in unserer Mitte begrüßen und darf Ihnen dafür danken, daß Sie durch die Übernahme der Schirmherrschaft und durch Ihr Er scheinen zum Ausdruck bringen, wie sehr Sie an den Arbeiten und Bemühungen dieses Verleger-Kongresses Anteil nehmen. Als 1896 dank der Initiative unserer französischen Kolle gen der erste Kongreß in Paris tagte, hatte das Einladungs schreiben des Lercle äc in lubrairic als Aufgabe des Kongresses die Behandlung aller Fragen des Verlegerberufes, einschließ lich der Fragen des literarischen und künstlerischen Eigentums und ihren Beziehungen zum Verlag bezeichnet. Zweiundvierzig Jahre sind seit der Gründung des Kongresses vergangen, und zwölf arbeitsreiche Tagungen haben bewiesen, daß die ur sprüngliche Aufgabenstellung richtig war. Freilich, schon ein Blick in den 4b0 Seiten umfassenden Rapportband der zwölften Tagung zeigt, wie sehr die Arbeit des Kongresses Ausdruck der Gegenwart und ihrer Probleme ist. Wer hätte 1896 daran ge dacht, wie sehr Erfindungen der Technik wie Radio und Fern sehen, Rundfunk und Filmband in das Gefüge des Urheber- und Verlagsrechtes aller Länder eingreifen würden. Die Fra gen des internationalen Preisschutzes beschäftigen den Kongreß seit seiner Gründung. Seit 1636 liegt ein Entwurf für gegen seitige Vereinbarungen von Land zu Land vor. Deutschland kann mit Befriedigung feststellen, daß am Tage vor Beginn des Kongresses den zahlreichen Abkommen zwischen ausländischen Buchhandelsorganisationen und dem Börsenverein der Deut schen Buchhändler in Leipzig ein deutsch-holländischer Vertrag angereiht werden konnte. Es würde zu weit führen, wollte ich hier versuchen, auch nur einen kurzen Abriß der in elf Voll- und Sektionssitzungen erarbeiteten Ergebnisse zu entwickeln. Entscheidend ist, daß nicht nur geredet wurde, daß nicht nur platonische Beschlüsse gefaßt wurden, sondern daß auf den Gebieten des Buch- wie des Musikverlages praktische Arbeit geleistet wurde. Das Prä sidium, das 8uro permanent und verschiedene Kommissionen haben über die Arbeiten der Tagung hinaus durch den Kon greß Aufgaben gestellt erhalten, die auch für die nächsten Mo nate und Jahre einen engen und herzlichen Kontakt zwischen den Verlegerorganisationen der Länder sichern werden, und die bereits erkennen lassen, daß auch der Kongreß in Warschau im Jahre 1940 Arbeit in Fülle Lorfinden wird. Meine Damen und Herren! Nicht weniger wichtig als die in Sitzungen zu leistende Arbeit ist jene andere große Möglichkeit, die dem Zusammen kommen von Menschen inncwohnt: das Sich-kennen-lernen, das Sich-näher-kommcn, das Sich-verstchen-lernen. Der Geist herzlicher Berufskameradschaft hat unsere Arbeit und unsere Feste erfüllt. Was wir in diesem Jahre als Gastgeber dazu beitrugen, war nicht mehr, als Sie alle jeweils Ihrerseits als Gastgeber getan haben und tun werden. Sie haben durch Ihre Herren Delegierten in warmen Worten Ihren Dank zum Ausdruck gebracht. Es war zuviel des Dankes. Größer als alle Mühe ist immer die Freude des echten Gastgebers, Gäste um sich sehen zu dürfen. So haben Sie uns durch Ihr Kommen zum Dank verpflichtet. Herr Reichsminister — meine Damen und Herren! Überall wo menschliche Beziehungen entstehen, wo Indi viduen mit Individuen in gegenseitigen Austausch treten, wird sichtbar, daß die auftretenden Interessen ungefähr so zahl reich sind wie die handelnden Individuen. Darum wird immer nur entweder das Recht des Stärkeren oder die Einsicht herr schend Platz greifen, daß über den Interessen des Einzelnen oder Stärkeren das Recht der Gemeinschaft steht. Die Arbeiten der Verleger-Kongresse entsprangen dieser Erkenntnis. Man hat weder vor vierzig Jahren noch heute geglaubt, man könne nach den Sternen greifen. Und doch ist es sicher, daß auf den verschiedensten Arbeitsgebieten immer neue Möglichkeiten der Angleichungen von Standpunkten sichtbar werden, immer mehr Regelungen internationale Geltung erreichten, die da oder dort erprobt und als vernünftig erkannt wurden. Darum wird der Internationale Verleger-Kongreß bestehen, solange es in der Welt Verleger gibt, die an gemeinschaftliche Arbeit glauben. Es gibt viele Mächte auf dieser Erde, aber nur wenige, deren Macht wir uns einhellig unterwerfen wollten. Einer solchen Macht sind wir am Mittwoch begegnet, als unser Schritt verzaubert und ergriffen im schlichten Arbeitszimmer Goethes verweilte. Ein Wort des Genius Goethe mag darum als Bindeglied zwischen den Arbeiten unseres Kongresses stehen: Vergebens werden ungebundene Geister Nach der Vollendung reiner Höhe streben; Wer Großes will, muß sich zusammenrafsen, In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben! 518 Nr. 147 DUnStag, den W. Juni 1SS8