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Herbstprüfung der Berliner Buchhandels-Lehrlinge Am Sonntag, dem 28. September, fand In Berlin unter dem Vorsitz von Artnr Sellier die Prüfung von 32 Sortiments-Lehrlingen sin zwei Gruppens und von 11 Verlags-Lehrlingen statt, zu der vorher zwei schriftliche Arbeite» einzureichen waren. Um den Gesamt eindruck vorwegzunehmen, ist zu sage», daß der Durchschnitt diesmal günstiger war als im Frühjahr, und daß im Gegensatz zum Frühjahr die männlichen Lehrlinge besser abschnitten als die weiblichen, (Ein siebzehnjähriger Sortimentslehrling mußte wegen völlig unzureichen der schriftlicher Arbeiten ausscheiden, und einem Verlags-Lehrling konnte nach der mündlichen Prüfung die Tauglichkeit nicht zugesprochen werden,! Es hatten sich im Sortiment 18 männliche und 1ö weibliche Lehrlinge gemeldet, im Verlag 8 männliche und 2 weibliche Lehrlinge, Tie Attersverteilung war so, daß im Sortiment im Alter von 17 Jah ren einer, im Alter von 18 bis 28 Jahren fünf, im Alter von 21 bis 23 fünfzehn, von 24 bis 38 Jahre» acht und über 35 zwei Lehrlinge waren; beim Verlag war die Attersverteilung ähnlich. Weitaus die Mehrzahl hatte höhere Schulbildung, einige das Abitur und sechs konnten Studium Nachweisen, Die schriftlichen Arbeiten bestanden aus einer Pslichtausgabe über bas Thema: »Ter Weg des deutschen Buches seit dem Umbruch bis zum heutigen Tage« und einer Arbeit mit frei zu wählendem Thema, von denen man sich im Sortiment zu gleichen Teilen für die Beant wortung der Frage: »Was bietet dem Buchhändler das Lesen der Tageszeitung?« oder Besprechung von zwei Büchern mitBeantwortung der Frage: »Warum und wie setzen Sie sich für diese Bücher ein?« entschied. Die Bearbeitung der Pslichtausgabe ließ im allgemeinen bei durchschnittlich guter äußerer Ausmachung leider eine bedenkliche Nei gung zur Anlehnung an die gleiche Quelle erkennen. Die Arbeiten waren mit wenigen Ausnahmen, die deshalb um so mehr als gut aus sielen, über einen Leisten geschlagen. Bei der Behandlung des Zcitungs- themas konnte allgemein festgestellt werden, baß die wesentlichen Punkte gut gesehen und dargestellt waren. Dagegen wurden bei den Bespre chungen, mit zwei oder drei Ausnahmen, die Werbemöglichkeiten und die Begründung des persönlichen Einsetzens sür die Bücher nicht berücksichtigt. Für den Verlag war eine verlagstechnische Frage als Wahlarbeit vorgeschlagen, die zusriedenstellend gelöst wurde; auch die Behandlung des Zeitungsthemas wurde von den Verlags-Lehrlingen gut ausgeführt. Das Bild, das man aus der mündlichen Prüfung gewann, war ebenfalls durchschnittlich erfreulich, soweit es Fachkcnntnisse praktischer Art betraf, wenn es auch betrüben muß, daß die Beantwortung der Krage: 3314°/° von NM 1,85, erst nach geraumer Zeit möglich war. Es konnte wieder sestgestellt werden, daß die Lehrlinge, mehr als eigentlich nötig ist, als Gehilsen-Ersatz und billige Arbeitskraft benutzt werden, indem sie einzelne praktische Arbeiten gründlich erledigen konn ten, während sie anderen Arbeiten der Praxis recht hilflos gegen- iiberstanden. Ganz allgemein günstig verlief die Befragung nach weltanschau lichen und politischen Kenntnissen, Es konnte sestgestellt werben, daß die Kenntnis der geschichtlichen Ereignisse nach dem Umbruch bei den Prüflingen wesentlich besser und fester saß als im Frühjahr, Der politische Buchhändler wächst heran. Zwei große Mißstände aber wurden wieder deutlich sichtbar. Den Arbeiten mußte eine Liste der im letzten Jahre gelesenen Bücher bei- gesiigt werden. Wieder waren Listen von vierzig bis über sechzig Buch titeln von Neuerscheinungen da (darunter allerdings einige ältere Bücher, die immer in mehreren Listen gemeinsam erschienen, als Zei chen, daß sic in der Reichsschule gelesen wurden!, Rur wenige Sorti ments-Lehrlinge hatten den anerkennenswerte» Mut, mit kleineren aber um so besser ausgewähltcn Listen anzutreten. Besonders aussällig (aber auch leicht erklärlich! war die gute Auswahl und angenehme Kürze der Leselisten bei fast allen Verlags-Lehrlinge», Diese Neigung, eine Unmenge der neuesten Bücher zu lesen, ohne sich, wie gelegentliche Be fragung ergab, eine Rechenschaft über den Eindruck des Gelesenen zu geben, ist eine große Gefahr, Eine weitere Gefahr bildet die Nicht achtung des schönen Kulturgutes, das wir im Schrifttum des 18, und 13, Jahrhunderts besitzen, und dessen Pflege doch auch zu den Pflichten des verantwortungsbewußten Buchhändlers gehört. Es ist zu hassen, daß die Leselisten des Lehrlingspasses die Aufmerksamkeit des Lehr herrn aus diesen Teil der Lesepslicht der Lehrlinge lenken. Es kann doch wohl erwartet werden, daß von 18 Lehrlingen einer den »Grünen Heinrich«' gelesen hat. Immerhin sei anerkannt, daß diesmal Wilhelm Naabe in vier Listen erschien. Erstaunlich ist es, daß wenig Listen Literaturgeschichten, keine literarische Aussatzsammlungen (Hosmillers im Vorjahr erschienenen »Letzte Versuche« waren aus keiner von 31 Bücherlisten zu finden!! ober Autobiographien verzeichneten, Cham- berlain war auf einer Liste mit den »Grundlagen« vertreten, obwohl in den »Lebenswegen meines Denkens« der Buchhändler eine der sür ihn am besten geeigneten Darstellungen der Hauptwerke der Welt literatur sindet. Aber die verdienstvolle Arbeit der Reichsschule auch in dieser Richtung muß hervorgehoben werben, vielleicht ist es ihr möglich, künftig bei der Ausstellung der Pslichtlektüre sich noch mehr als bisher der guten Literatur des 19, Jahrhunderts zu erinnern. Ganz traurig aber war cs auch diesmal wieder mit den Kennt nissen aus den reinen Bildungsgebieten bestellt. Der Titel des Haupt werkes eines bedeutenden deutschen Philosophen war nicht bekannt. Kunstgeschichtliche Kenntnisse waren kaum vorhanden. Die Frage nach den einzelnen deutschen Literaturepochen konnte nur mangelhast beant wortet werden, Erft recht machte die namentliche Auszählung von fran zösischen, englischen und italienischen Dichtern der Weltliteratur Schwie rigkeiten, — Auch hier muß die Arbeit des Lehrherrn einsetzen. Ein gewisses Maß allgemeiner Bildung muß von den jungen Gehilfen des Buchhandels erwartet werden, wenn auch ihr künftiger Bcrussweg sic aus Stellen bringen kann, aus denen nur fachliches Können die Leistung bestimmen mag. Den besten Eindruck von der Tätigkeit und der außerordentlich guten Wirkung der Reichsschule aber ergab zur großen Freude aller Prüfer die mündliche Prüfung, Wenn aus den Gebieten der allge meinen Bildung, der Geschichte und Literaturgeschichte überhaupt Kennt nisse vorhanden waren, so konnten sie auf die Behandlung der bc- tresfenben Themen in der Rcichsschule zurückgcfiihrt werden, — Weiter aber konnte bei dem abschließenden gemeinsamen Essen, das die Prüfer mit den Prüflingen am Mittag und Nachmittag einige Stunden ver einte, eine herzliche, srcunbschastliche Kameradschaft der Lehrlinge unter einander sestgestellt werden, die so erfrischend wirkte, daß mancher alte Prüfer den Wunsch nicht unterdrücken konnte, noch einmal Neichsschiiler werden zu könnenl M, N, Neue Büchereien, Institute, Museen usw. Die Staatliche Grenzbllchercistelle in Bayreuth wird zur diesjäh rigen Buchwoche in der Bayerischen Ostmark zahlreiche neue städtische und dörfliche Büchereien eröffnen, u, a, in Cham, Helmbrcchts, Ludwigstadt, Reumarkt (Lpft! und Vilshosen, wo aus diesem Anlaß besondere Feierlichkeiten stattfinden werden. Das Entomologische Institut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin-Dahlem, Goßlerstraße 28, das in engster Zusammen arbeit mit der Biologischen Reichsanstalt steht, ist erweitert worden, um Raum zu schassen für die Jnstitutsbibliothek, die mit einer ganzen Reihe von Spezialbibliothcken eine der hervorragendsten und vollkommensten Fachbibliotheken der Welt sür Insektenkunde barstellt. An der Universität Berlin wird ein Institut sür Volkswohl- fahrtspsiege errichtet, dessen Leitung Hauptamtsleiter Hilgenseldt über nimmt, Das Institut wird mit seiner Bücherei in der Dorotheen straße 8—7 untergebracht. Im Zuge der Organisation von wissenschaftlichen Arbeiten in deutschen Bädern ist mit Unterstützung der Reichsanstalt sür das deutsche Bäderwesen an der Universität Breslau in diesem Sommer in Bad Brambach eine wissenschaftliche Forschungsstätte sür Radium-Bal neologie errichtet worden, die von vr. Fronius geleitet wird. Die Stabt Braunschweig wird aus Veranlassung von Minister präsident Klagges ein Vorgeschichtsmuseum erhalten, bas im Wilhelms garten untergebracht und dem Vaterländischen Museum angegliedert wird. Am 4, Oktober wurde in Dresden das neue Tierkunde-Museum, dessen Direktor Pros, vr, Kummerlöwe ist, feierlich erössnet. In E n g e n ist das Hegau-Museum, ein neues Heimatmuseum der badischen Grenzmark, seiner Bestimmung übergeben worden. Es birgt Fundstücke, die bis in die Zeit des Schwabenkrieges (1488s zurückreichen. Nr. 288 Donnerstag, den 14. Oktober 1987 815