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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 100, 2. Mai 1916. fahre da noch Anschriften von Menschenfreunden, die ich bis jetzt vielleicht noch nicht genau kenne. Zu den einflutz- und geld reichsten Leuten gehe ich selbst i» der zweiten Hälfte des Mai und erkundige mich vorsichtig nach ihrer Meinung; in der gleichen Zeit spreche ich mit meinen guten Kunden über alle Möglichkeiten einer erfolgreichen Durchführung der Neichsbuchwoche und halte Umschau nach einem Ortsausschüsse. In meinem besonderen Falle glaube ich, daß di« Gründung eines solchen Ausschusses nicht schwer wäre, Namen kämen bald zusammen, und auch ich als Buchhändler würde Sitz und Stimme darin erhalten. Da aber die Verhältnisse in meiner Stadt.recht eigen liegen — es gibt ein halbes Dutzend »Buch- und Papterhändler«, die als Buchhandlungen gelten, obgleich ein großer Teil ihres Umsatzes aus den Sammlungen besteht, über die das Generalkommando in den Marken in Ver bindung mit dem Berliner Polizeipräsidium seine letzte Liste hcrausgab —, so kann ich auf ein Zusanunen- arbeiten init diesen Geschäften nicht hinwirken. Entweder er halte ich wie ein anderes Geschäft, das gleichfalls den Buch handel ordnungsgemäß betreibt, das gleiche Recht der Übernahme einer Sammcl- und Annahmestelle und arbeite dann im Rahmen des Ganzen oder ich gründe, falls die Unterstützung der Behörden, Ortsvereinc vom Roten Kreuz, Frauenvereinc usw. rein pla tonisch ist, meinen ganzen Plan auf meine eigene Kraft. Soviel über die allgemeinen Vorarbeiten. Während dieser Zeit darf ich allerdings auch für meine besondere Tätigkeit im eigenen Geschäft nicht müßig sein. Ich muß mich zuerst entscheiden, was ich verkaufen will. Da rum wird auf Grund dieser Frage das Lager durchgemustert. Alle Bücher, die hauptsächlich zum Verkaufe kommen sollen, bleiben in ihren Fächern, wenn sie dort sofort greifbar sind und übersichtlich geordnet stehen. Alle anderen Bücher werden nach Preisen und Inhalt zusammengestellt. Die Fächer dafür sind vom Weihnachtsgeschäft vorhanden, auch sind die Schulbllcher- fächer leer geworden. Ich entscheide mich weiter für möglichst wenige Verleger — beim letzten Male waren cs nur drei —, für die gearbeitet werden soll. Verzeichnisse von Sammlungen werde ich diesmal nicht versenden. Mein Rundschreiben, das ich auch schon Mitte Mai fertig mache, wird nur zwei oder drei Seiten umfassen, auf gutem weißen Briefpapier in sauberer Schreibmafchinenschrift vervielfältigt und in Weißen Umschlägen versandt werden. Eine Bestellkarte wird nach beifolgendem Muster bcigelegt: Hierdurch bestelle ^ eine Zusammenstellung guter Bücher fürs Feld zum Einzel preise von ungefähr 20 H, 30 <H, 50 H, 75 H, 1 .H, im Ge samtwerte von ^ nach Ihrer Wahl folgende Bücher: fertig verpackt zur Weiterlieferung an die Sammelslelle des Roten Kreuzes, Gemeindehaus Zeit, Ort lind Wohnung: Name: Nichtzutreffendes wolle man streichen! Im Rundschreiben werde ich auf Aufträge für ganze Zu sammenstellungen besonders Hinweisen, wie ich auch durch ein paar Musterzusammcnstellungen den Frauenverein zu gewinnen suchen werde, eine Bestellung auf Vereinskosten für kleine oder größere vollständige Büchereien aufzugeben. Nach den Kunden karten werden sämtliche in Frage kommenden Anschriften fertig gemacht und das Werbeschreiben am 27. Mai zur Post gegeben. Das Schaufenster wird gleichfalls bereits vor der Zeit in den Dienst der Neichsbuchwoche gestellt. Meine vier kleinen Fenster werden zur Hälfte den Sammlungen gewidmet, für die ich mich verwenden will, die andere Hälfte behalte ich mir für Musterpakete und Musterzusammenstellungen vor, bei denen ich dann gegen meine sonstige Gewohnheit deutliche Preisangaben mache. Ein Paar schöne Plakate von Verlegern und in Kunst schrift geschriebene Anzeigen müssen auf die Ferne wirken. 5!K Ich versage mir aus Raumgründen, auf das Wcrberund- schrcibeu und die Ausstattung des Schaufensters näher einzu gehen. Unterstreichen möchte ich aber die Bedeutung der rich tigen schriftlichen Werbetätigkeit und der vollkommenen Aus nützung des Schaufensters ganz besonders, da davon der Erfolg wesentlich abhäugt. Trotzdem wäre es verkehrt, wenn ich es damit genug sein ließe. Ich muß in anderer Weise noch auf die große Menge wirken, die ich durch die Persönliche Zusendung der Werbeschrift nicht erreiche, und auch an die Leute denken, denen durch ihre Stellung soviel Werbedrucksachen und -briefe zugehen, daß sie auch mein Angebot nur flüchtig ansehen und dem Papier korb einverleibcn, so gern ich es auch anders gewünscht hätte. Ich werde daher selbst zu den Herrschaften hingehen und, wenn ich sie sprechen kann, mit ihnen gleich so viel als möglich Einzel heiten über die Mitwirkung der ihnen nahe- oder unterstehenden Gemeinschaft vereinbaren. Ebenso werde ich mit dem Schul leiter Rücksprache nehmen, wie er seine Schüler und Schülerinnen wegen dcrSammeltätigkeit zu unterrichten gedenkt, wobei ich auch erwähnen werde, daß es mir ganz besonders angenehm wäre, wenn die Knaben und Mädchen auch meinen Aufruf mitnehmen würden, falls ich einen solchen verbreiten sollte. Pastor und Fabrikleiter kommen gleichfalls an die Reihe; und zum zweiten Male, diesmal allerdings schon mit ganz bestimmten Verkaufs absichten, gehe ich zu den in Frage kommenden Leuten, die außer ihrem Ansehen, ihrer Bildung und Stellung auch das nötige Geld haben, etwas Besonderes zu stiften. Ich denke da an größere Reihen von Büchern und Zeitschriften, an tragbare Feldbüche- reien oder — wenn es wirklich Ernst werden sollte — an einen ins Gewicht fallenden Beitrag zu einer »Jntelligenzkutsche«. An Kleinarbeit würde es nicht fehlen; ich weiß von früher her, daß diese Besuche viel Arbeit, Ärger und Enttäuschung brin gen und doch wieder der beste Weg zum Erfolge sind. Eine Reisendenarbeit ist es mit all ihren Schattenseiten und Vor teilen. Ich habe früher selten an solche Arbeit gedacht, seit drei Jahren bin ich anderer Meinung geworden und will auch in den nächsten Wochen mein Sprüchlein: »Entschuldigen Sie, wenn ich störe « usw. aufsagen. Das kaufmännische Arbeiten soll mir auch für die noch blei bende Arbeit der Werbung dienen. Zu den Aufsätzen in den Zei tungen kommen, je näher der 28. Mai heranrttckt, um so mehr Hin weise auf die Neichsbuchwoche. Da ich einen ständigen Anzeigen- abschluß bei einer Tageszeitung meines Ortes habe, so gebe ich für die Zeit vom 21. Mai bis 3. Juni zwei Anzeigen abwechselnd auf. Zum ersten Male will ich in dieser Zeit auch die Plakat werbetätigkeit versuchen. Mit 25 Plakaten des Börsenvereins hoffe ich auszukommen. Die meisten werde ich ohne besondere Unkosten anbringcn können; für das Aufziehen auf Pappe und die Beträge für Ankleben rechne ich mit 20 «/k auszukommen. Wäre bei unserer Jugend das Sammeln der Neklamemarken nur noch ein Zehntel so stark wie früher, würde ich die Marken auch diesmal benutzen. Weil ich fast keinen Sammler mehr finde, verwende ich den Betrag, der dafür in Anrechnung käme, mög licherweise auf ein Werbeblatt, das von meinem Geschäft ausgehcn und während der ersten Tage der Buchwochc von den Schülern oder von meinen Burschen in allen besseren Familien meiner Stadt verteilt werden soll. Dazu werde ich mich aber erst dann entschließen, wenn mich die Aufrufe seitens der Behörden usw. nicht befriedige» oder wenn diese Kreise überhaupt keine Werbe blätter verteilen. Über den Text dieser Blätter bin ich mir in sofern im klaren, als sie hauptsächlich zum Bücherkaufen anregen und meine Handlung empfehlen sollen, soweit es irgend geht. Größe des Blattes ungefähr Quart, vielleicht mit anhängendem Bestellzettel, obgleich dieser nicht sonderlich viel nützen wird. Soweit die Werbetätigkeit in der Stadt. Um die in Frage kommenden Dorfbewohner muß ich mich selbst bemühen, wenn gleich ich fast in jedem Dorfe mit dem Liebesgabcnausschusse in Verbindung stehe. Da ich aber meine Bauern kenne, besuche ich nur die Gemeinden, bei deren »Liebesgabenversandleitern« ich Verständnis für meinen Plan voraussetzen kann. Die andern Gemeinden sollen ruhig ihre »Fettigkeiten« weiter an die Front senden, die Feldgrauen werden von der Neichsbuchwoche nur geistig gesättigt, wobei nicht vergessen werden soll, daß geistiger