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100, 2. Mai 1916. Redaktioneller Leit. Ein Wunschzettel aus dem Felde. Bei der herrschende» Papicrknapphcit und da ich von ganzem Herzen der Meinung bin, daß viel zu viel geschrieben und gedruckt wird, auch meinerseits in dem Punkte mich zu bessern beflissen bin, beschränke ich mich auf zwei Ratschläge zur Buchwoche an das »vereheliche Sortiment«: 1, Verkauft so viel Bücher, gute Bücher wie Ihr i r - ge » dkönntan Bätcr, Mütter, Onkel, Tanten, Freunde unserer Soldaten. Mit gutem Gewissen kann man sage», daß, solange cs einen Stellungskrieg und stilllicgende Schiffe gibt, ferner bei allen Truppen hinter der Front ein riesiges Lefebedürfnis vor Hauben ist. 2. Zeigt Euch als wahre Buchhändler darin, daß Ihr statt der »Kollektionen«, deren Reihen einem aus jeder Feldbuchhand lung und Papierhandlung zum Überdruß mit zuin Teil recht minderwertigen Bänden entgcgenlcuchlc», aus Eurer buchhänd- lcrischen Kenntnis heraus erprobte Bücher empfehlt. Die Feld grauen werden Euch dankbar sein. W. Ruprecht, Hauptmann. Die Neichsbuchwoche im Sortiment. Die folgenden Zeilen haben einen doppelten Zweck: sie sollen versuchen, auf Grund früherer Erfahrungen und erprobter Tat sachen einen Werbcplan für die Arbeit des Buchhändlers zur Reichsbuchwoche aufzustellen und dadurch eine Aussprache her beizuführen über Wege zum Erfolge in unserem Berufe, darge stellt an einem Beispiel, nämlich der Neichsbuchwoche. Von besonderen Vorbildern der Arbeiten zur Neichsbuchwoche gibt es im engeren Sinne Wohl nur zwei: die erste Büchersammlung im Vorjahre, die, wie ich allgemein höre, für den Buchhändler ein Mißerfolg war, und die Bücherliebesgabensendungen zu Weihnachten 1915. Zur Zeit der ersten Buchwoche schlug ich mich mit den Russen in Polen herum, während ich mich zu Weih nachten als halbgeheilter feldgrauer Buchhändler ein bißchen in der alten Kunst versuchte, Bücher zu verkaufen. Die Arbeit hatte einen solchen Erfolg, daß ich darauf weiterbauen möchte. Wenn ich deshalb im folgenden meinen Werbeplan darlege, so verbinde ich damit den besonderen Wunsch, es möchten sich mit mir ein Paar Buchhändler über einen bestimmten Werbeplan einigen, der dann genau durchgeführt werden muß, um aus seinen Ergebnissen für später zu lernen. Ich habe immer versucht, aus besonderen Arbeiten Schlüsse zu ziehen, und wenn ich de» Fehler in meinen Berechnungen nicht finde, so entdeckt ihn ein anderer, der durch eine bessere Brille schaut und in einem größeren Abstande von der Umgebung und dem ganzen Drum und Dran des Tuns steht. Zum Plane selbst frage ich zunächst, wer der Schöpfer der Neichsbuchwoche ist, was für Ziele und möglichen Nebenabsichten damit verbunden sind und was mir die Veranstaltung bedeutet. Ich bin kein Verleger, der seinen Blick auf das Ganze zu richten hat, mein Arbeitsfeld ist meine Stadt und der dazu gehörige Kreis, und in diesem vertreten der Landrat und der Vaterländische Frauenverein der Stadt mit den einzelnen länd lichen Fraucnvereincn die Bestrebungen des Roten Kreuzes bzw. des Gcsamtausschusses zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten. Mit ihnen und den Behörden muß ich als den Veranstaltern der Neichsbuchwoche also zusammen arbeiten. Das Ziel der Veranstaltung liegt mir ganz besonders nahe, da ich als Buchhändler einen Teil meiner Aufgabe darin er blicke, den Feldgrauen guten Lesestoff zuzuführen und hier eine Möglichkeit vor mir habe, Angenehmes und Nützliches zu ver binden, indem ich bei rechter Arbeit auch einen entsprechenden Mehrumsay im Geschäfte erzielen kann. Diese meine Neben oder Hauptansicht gilt als Ziel, das ich mit dem des Noten Kreuzes zu vereinige» suchen muh. Wer hilft mir nun, und auf wen kann ich bei der Arbeit rechnen? Der Börsenvcrein und das Börsenblatt machen mobil, die Verleger tun cs gewiß auch, die Schulen sollen helfen, und vielleicht finden sich auch im Roten Kreuze die rechten Leute, um ^ die Allgemeinheit ans die Neichsbuchwoche aufmerksam z» machen. Gleichwohl werden sie mich nicht sonderlich viel in meinen Plänen fördern können, wenn ich nicht selbst das Beste dazu tue. Und ich überlege, ob sich die besondere Arbeit lohnt, denn auch heute muß ich Kaufmann sein und Ausgabe und Einnahme miteinander in Einklang zu bringen wissen. Ich beginne mit der sicheren Tatsache: den Ausgaben. In der Stadt kommen rund 5ÜÜ Leute in Frage, die ihr Scherflein zur Neichsbuchwoche außer in alten, für sie erledigten Büchern in Geld beisteuern könnten. Anschieiben mit Umschlag, Unkosten für Vervielfälti gung, Druck der Bestellkartc, Kosten des Postvcrsands usw. machen rund je 10 «s aus; rechnet man dazu die Unkosten für die Zei tungsanzeigen, für Plakate und anderes, über das wir noch sprechen werden, so sind 100 «lk bald ausgegeben. Ich rechne au baren Auslagen für Besuche außerhalb und für 300 An schreiben, die auf die Dörfer gehen, noch 50 .kl und weiß, daß ich somit bereits 150 ,/l ansgeben oder für 500 ,/l ohne wirk lichen Verdienst (Überschuß) verkaufen muß, um die Unkosten hereinzubringen. Ich rechne weiter die Zeit, die ich für Be suche bei Landrat und Bürgermeister, bei den Mitgliedern des Vorstandes vom Frauenverein, bei den Schulleitern usw. auf wenden muß — und was ich in all dieser Zeit daheim versäume —, und entschließe mich doch zur Übernahme der Arbeit. Und zwar aus mehreren Gründen. Den wichtigsten nannte ich be reits. Es gilt eine gute Tat, eine Tat, die wir im Lande immer noch viel zu wenig verstehen, wenn wir nicht selbst er fahren haben, was es heißt, draußen ohne etwas Gutes zum Lesen zu sein. Schlechtes Zeug hat den Weg in die Lazarette, in die Etappe und auch in die Front viel schneller gesunden. Dieser Gedanke ist nicht angenehm und für manche Leser viel leicht unverständlich, aber er ist leider wahr, und deshalb wird unsere Aufgabe, für guten Lesestoff zu sorgen, umso wichtiger. Wir haben unsere Kunden über die Neichsbuchwoche anfzuklären, das ist eine weitere Aufgabe, und zuletzt wollen wir zeigen, daß wir als Buchhändler auch während des Krieges unsere Pflicht voll tun und gerade jetzt beweisen, wie notwendig auch unsere Ware für die Feldgrauen ist. Wir wollen offen sein und nicht vergessen zu unterstreichen, daß die Neichsbuchwoche uns auch Eigennützen bringen soll. Nutzen, weil wir die Lasten der Zeit doch mit jedem Tage mehr fühlen, und weil wir an Mittel und Wege denken müssen, unfern Umsatz zu heben und neue Kunden zu gewinnen. Die Bestel lungen aus dem Felde und die der ortsansässige» Kunden nehmen immer mehr ab, während die Lasten größer werden, so daß wir auch aus diesem Grunde daraus bedacht sein müssen, jede Ver- dienstmöglichkeit wahrzunchmen. Ob die Neichsbuchwoche einen klingenden Erfolg haben wird? Eine schwere Frage, und doch gibt es immer wieder die alte Antwort: Wenn du überhaupt den Erfolg willst, mutzt du dir über deine Arbeit klar sein. 150 kostet dich die Sache auf alle Fälle, siche also zu, daß du möglichst großen Umsatz machst. Einen Überschuß können wir allerdings nur haben, wenn wir richtig rechnen und planmäßig alles bedenken. Es ist Sache der Veranstalter, für die Bekanntmachung des Plans in der Allgemeinheit Sorge zu tragen. Wenn mir aber scheint, daß in meiner Stadt die Werbetrommel nicht ordentlich geschlagen wird, gehe ich zum Vorsitzenden des Ausschusses vom Roten Kreuz oder zu einem einflußreichen Manne und schlage ihm vor, er möge nicht nur ein paar amtliche Anzeigen erlassen, sonder» auch etwas mehr tun — dem Frauenverein eine besondere Anzeige an seine Mitglieder empfehlen, die Orts vorsteher veranlassen, die Neichsbuchwoche in der Gemeinde an- zuzeigen usw. — Ich selbst werde in den Tageszeitungen ei» paar kleine Aufsätze über »Lesestoff fürs Feld« veröffentlichen und mich garnicht scheuen, auf die Tatsache hinzuweisen, daß in der ersten Neichsbuchwoche alte Schulbücher n. a. unbrauchbares Zeug abgc- liefert wurden, sowie versuchen, die Aufsätze recht lesbar zu ge- statten. In einem Aufsätze werde ich dann erörtern, daß meine Heimatstadt ihre höchste Ehre darein setzen müßte (v fernes Ziel!), eine »Jntelligcnzkntschc« ins Feld zu schicken. Nebenbei spreche ich schon einige Zeit vor dein 28. Mai mit den Haupt stützen der bürgerlichen Liebesqabentätigkeit unserer Stadt ander