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^ 301, 29. Dezember 1908. Nichtamtlicher Teil. Bürsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 14919 kann. Ferner: »1,6 Lolei!«, das einzige Blatt, das in Frankreich noch das royalistische Prinzip vertritt. Doch wird die Zahl der Anhänger dieser Richtung, ebenso wie die der Abonnenten mit jedem Tage geringer, und somit auch die Hoffnung für den Herzog von Orleans, jemals wieder auf dem Throne seiner Väter zu sitzen. Wenden wir uns nun zum Inseratenteil der Zeitungen, einem Thema, das jetzt durch den drohenden Gesetzentwurf für die Anzeigensteuer in Deutschland aktuell ist. Wir finden dort Preise in einer Höhe, die das Erstaunen und den Neid manches deutschen Zeitungsverlegers erregen dürften. Am bekanntesten für sogenannte kleine Anzeigen, wie offene und gesuchte Stellen, Wohnungsvermietungen, Kapitalien- und Heiratsgesuche und dergleichen, ist »1.6 Journal«. Diese kleinen Anzeigen erscheinen jedoch nur zweimal wöchentlich, am Mittwoch und Sonnabend, und die Preise dafür schwanken zwischen 2 bis 3'/, Frcs. für die sechsfältige Zeile von 36 Buchstaben oder Zeichen. Ein einfaches Rechenexempel zeigt uns, das; das »Journal« nicht selten in einer einzigen Nummer Einnahmen von 8—10 000 Frcs. nnr für diese kleinen Anzeigen erzielt, ganz ab gesehen von allen übrigen in der Zeitung enthaltenen Inseraten, offenen oder versteckten Reklamen, für die die Preise noch be deutend höher sind. Rabatt auf diese kleinen Anzeigen wird auch bei größeren Aufträgen ebensowenig gewährt wie bei Wieder holungen. Ich habe leider nicht erfahren können, wie hoch die Anzeigen- bezw. Reklamepreise im »^ouinal« sind, dafür aber die von verschiedenen anderen Blättern, die zu interessanten Ver gleichen herausfordern. Nehmen wir zunächst die in verhältnis mäßig kleiner Auflage erscheinende »I,Lnt6i-n6«, so finden wir fol gende Preise: Anzeigen auf der vierten (letzten) Seite für die sechsfältige Zeile oder deren Raum 2 Frcs. Dritte Seite unter »Lokalnachrichten« 5—7 Frcs. Versteckte Reklamen auf der zweiten Seite 10 Frcs. „ „ „ „ ersten Seite 15 Frcs. Schon bedeutend höher sind die Preise im »Lelio cks ?aris«: 6. Seite, für gewöhnl. Anzeigen oder kaufm. Inserate 4 Frcs. 6- „ „ „ „ „ „ „ 10—11 Frcs. 4. „ unter oder am Schluffe von Lokalnachrichten 16 Frcs. I. bis 3. Seite für eingeschobene Reklamen 30 Frcs. 6. Seite 5 Frcs. 5. „ die drei letzten Spalten 8 Frcs. 4. „ sechste Spalte 12 Frcs. Betreffen diese Anzeigen im »Na-tin« finanzielle oder in dustrielle Unternehmungen, Ausgaben von Aktien oder Wert papieren, so erhöhen sich die Preise für Anzeigen, die dem Publi kum meist in der Form einer versteckten Reklame vor Augen 6. Seite 15 Frcs. 5. „ (letzte Spalte) 24 Frcs. 4. „ (Lokalnachrichten) 60 Frcs. 2. „ (»Oomwuniguös«) 150 Frcs. Dabei wird, je nach der Art des Inserats oder der Reklame, ein Auftrag von unter 6—10 Zeilen gar nicht angenommen. Die Preise in den beiden größten Pariser Blättern »?etit Journal« und »?6tit ka-ribien« sind folgende: 6. Seite, für gewöhnliche Inserate 5. „ je nach der Spalte l Reklame 10 Frcs. 20—30 Frcs. 50 Frcs. 100 Frcs. 10 Frcs. 20—30 Frcs. 30—50 Frcs. Wir ersehen daraus, daß die erste Seite, die in der »^anterne« 15 Frcs. pro Zeile kostet, im »?otit Journal« und im »ketit karisien« gar nicht mehr erhältlich ist; wollten wir aber nach vor stehender Skala progressiv weiter rechnen, so dürfte die Zeile in diesen Blättern etwa 200—250 Frcs. kosten. Das sind natürlich Preise, die für kleinere und auch für mittlere Geschäfte ganz un- erschwinglich sind. Überhaupt steckt die Zeitungsreklame in Frank reich noch in den Kinderschuhen, hauptsächlich wohl deshalb, weil sie viel zu teuer ist; auch ist das Publikum nicht gewohnt, bei Einkäufen oder dergleichen den Inseratenteil einer Zeitung zu Rate zu ziehen, und doch sollte man glauben, daß in Paris ein günstiger Boden für ein Zeitungsunternehmen mit großem Inseratenteil, aber bei billigeren Preisen als den eben genannten, vorhanden wäre. Bemerkenswert ist auch, daß fast alle diese Zeitungen jüngeren Datums und Gründungen des neunzehnten Jahrhunderts sind: 1789, 1.L ?r6S86 1833, 1,6 l'iAa.ro 1864, 1,6 Liöols 1836, I,». ?atri6 1842, 1,6 OLuloib 1868, 1,6 ?6t>it .lournal 1863, 1,o ?6tit> l'arisien 1876, Oil-Llas 1879, 1,6 iVIktin 1884, 1,'Dolkrir 1888, 1,6 Journal 1892. Man sieht, außer dem ».Iourna.1 ckes Döbn-ts« ist keins der heutigen tonangebenden Pariser Blätter über hundert Jahre alt, und keins reicht an das ehrwürdige Alter verschiedener deutschen Blätter, wie z. B. der »Vossischen Zeitung«, heran. Dabei ist meines Wissens Frankreich eins derjenigen Länder, in denen es zuerst gedruckte Zeitungen gab; aber diese sind längst eingegangen und haben Neugründungen weichen müssen, ganz wie die zahllosen Blätter, die die Revolution hervorgebracht hat und von denen heute nur noch das »Journal äo8 Oedat8« existiert. Es ist natürlich sehr schwer, etwas Genaues über die Renta bilität großer Zeitungsunternehmungen zu erfahren; immerhin hörte ich aus recht zuverlässiger Quelle, daß das »Lello cko ?s.ri3« im letzten Jahre einen Reingewinn von zwei Millionen Frcs, unter seine Aktionäre verteilte; doch erscheint mir dieser Betrag so hoch, daß ich die Nachricht nur unter Vorbehalt geben möchte. Wenn sie aber wahr ist, so läßt sich leicht jausrechnen, wie groß der Gewinn bei Blättern wie »1,6 Ua-tin«, »1,6 Journal«, »1,6 ?otit Journal« und »1,6 ketit ?3.ii8i6n» sein muß, die bei ver hältnismäßig geringeren Betriebsspesen eine Auflage drucken die 4—15mal größer ist als die des »Kollo cke ?s.ri8«. Etwas zuverlässiger sind die Nachrichten über die Honorare die diese Zeitungen ihren Mitarbeitern bezahlen. So soll z. B. der kürzlich verstorbene H. Harduin für seine -kropo8 ä'un ?ari8ion«, die täglich in einem Umfang von 30—40 Zeilen im »Na-tin« erschienen, ein Honorar von 100 Frcs. pro Artikel be zogen haben. Diese »k-opo8« waren bei den Lesern des Na-tin sehr beliebt; Harduin mußte täglich einen solchen Artikel liefern, und der Natin wurde vielfach nur deswegen gekauft. »1,6 ^our- nil.1« soll einem seiner bedeutendsten Mitarbeiter, dem früheren Minister Gabriel Hanoteaux, für einen politischen Leitartikel, der ungefähr alle 14 Tage erscheint und nicht mehr als etwa 180— 200 Zeilen umfaßt, die Summe von 1000 Frcs. bezahlen. Doch gilt dies als Ausnahme; andere Mitarbeiter am »Journal« erhalten für Leitartikel von gleichem Umfang meist nur 500 Frcs., was aber auch noch sehr annehmbar ist. Bedeutend geringer honoriert darüber liegen nun ganz genaue Nachrichten vor: Die ge nannte Zeitung hat kürzlich, jedenfalls aus Mangel an Stoff, ein Preisausschreiben über solche Skizzen veranstaltet und die Liste der Preisträger veröffentlicht. Der erste Preis sollte 2000 Frcs. betragen, wurde aber auf zwei Autoren verteilt. Ferner finden wir je drei Skizzen dramatischen, humoristischen und erzählenden Genres, die zum Preise von je 1000, 500, 300 und 200 Francs erworben wurden; endlich hat sich die Redaktion aus den nicht preisgekrönten Novelletten noch die zwanzig besten ausgesucht und diese mit je 100 Frcs. honoriert. Dieses letztere Honorar von 100 Frcs. und darunter dürfte für literarische Bei träge im »5ouroa.1« wohl als Durchschnitt gelten. Die Honorare beziehen sich selbstverständlich nur auf den einmaligen Abdruck in der Zeitung selbst, sodaß der Autor nach ihrem erstmaligen Er scheinen wieder frei über seine Arbeiten verfügen kann. Die Skizzen selbst sind fast nie länger als etwa 250 — 300 Zeilen. Wie schon am Eingang dieses Artikels bemerkt wurde, spielt die Provinzpresse in der französischen Politik fast gar keine Rolle, sondern hat nur lokales Interesse. Immerhin haben verschiedene Provinzzeitungen, die nach dem Muster der großen Pariser Tages blätter gegründet wurden, bedeutende Auflagen erreicht, wie: »1-it. 1)6peell6 cko 1ou1ou86« 245 000 Exemplare, »1.6 ?6tit NLr86i!!iri8« (gegr. 1868) 170 000, »I,u. ketite Oironcke« (gegr. 1872, in Bordeaux) 260 000, »1, Lello clu l^oick« (gegr. 1819, in Lille) 150 000, »1-^on k6pulllies.in« 198 000, u. a. m. Ernst Wald mann. 1942»