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Nichtamtlicher Teil. 11007 283, 6. Dezember 1904. dauer von vierzig Sonnenstunden zeigen manche Farben recht erhebliche Veränderungen. — H. Dannhorn hat sehr schöne Ledereinbände gefertigt, die durch Ledermosaik, Beizungen und Handvergoldung hergestellt sind und einen höchst geschmackvollen Eindruck machen. In ihrem Charakter erinnern sie mich an die vorzüglichen dänischen Einbände. Außer dem bereits erwähnten Lindner haben sich noch um die in der Ausstellung befindlichen Blätter B. Marchl und Meyer verdient gemacht. Ernst Kiesling. Kleine Mitteilungen Vom Deutschen Reichstage. (Vgl. Nr. 280, 281, 282 d. Bl.) — Im weitern Verlauf der Beratung über die drei in der Besprechung miteinander verbundenen Anträge Gröber, Rettich und Patzig, die alle eine Erweiterung des Schutzes gegen unlautern Wettbewerb fordern, sprachen am dritten Tage (2. Dezember) die folgenden Abgeordneten: Abgeordneter vr. Potthoff (frs. Vgg.): Wenn der Herr Ab geordnete Raab ausgeführt habe, daß die freisinnigen Parteien Gegner jeder gesetzlichen Beschränkung des unlautern Wettbewerbs seien und das Gesetz von 1896 erst angenommen hätten, nachdem ihm die »Giftzähne«, oder was sie dafür angesehen hätten, aus gebrochen waren, so entspreche diese Behauptung nach beiden Rich tungen nicht den Tatsachen. Es habe auch nicht erst des Auftretens der Handelsangestellten bedurft, um die Freisinnigen an ihre Pflicht zu erinnern. Ehe man aber einen entscheidenden Schritt zur Abänderung des Gesetzes tue, werde die Vornahme einer Untersuchung nach dem Vorschlag des Herrn Abgeordneten Or. Müller-Meiningen unumgänglich sein. Dabei werde es zweck mäßig sein, auch die Organisationen der Handelsangestellten zu hören, damit diese nicht nur Objekt, sondern auch Subjekt der Gesetzgebung würden. Abgeordneter Nißler (dt.-kons.): Aus den berechtigten For derungen des Handwerker- und Gewerbestandes seien die zur Verhandlung stehenden drei Resolutionen hervorgegangen, Redner freue sich dieser Tatsache, befrenidet aber habe ihn die Äußerung des Kollegen Müller - Meiningen, sie seien einverstanden damit, den Antrag Patzig dem Reichskanzler als Material — das heiße doch: für den Papierkorb — zu überweisen. Mit erwünschter Deutlichkeit habe der Redner der Sozialdemo kraten zum Ausdruck gebracht, daß man den Mittelstand zugrunde gehen lassen wolle; ebenso hätten sie ja beim Zolltarif bewiesen, daß es ihnen nur recht wäre, wenn der Bauernstand je eher je lieber vernichtet würde. Sehr erfreulich sei es, daß die National liberalen, einst die Befürworter der zügellosesten Gewerbefreiheit, jetzt schon etwas zurückzögen und damit bezeugten, daß auch sie einsähen, so wie jetzt könne es nicht weiter gehen. Die Schmutz- und Schwindelkonkurrenz, wie sie teilweise betrieben werde, könne der solide Handwerker und Gewerbetreibende nicht mehr aus- haltcn; das müsse auch die Regierung endlich erkennen. Es müsse so bald wie möglich durch die Gesetzgebung eingeschritten werden; die jetzigen Bestimmungen seien nicht ausreichend, sie bedürften der Verschärfung. In dieselbe Kategorie wie die Warenhäuser und Ausverkäufe gehöre auch das Reklameunwesen, das der Unreellität den größten Vorschub leiste. Werde keine Kommission beliebt, so müßten die Anträge dem Kanzler als Material, und zwar nicht als Material für den Papierkorb, überwiesen werden. Nicht nur der reelle Geschäfts mann, sondern auch das kaufende Publikum werde durch die gegenwärtigen unleidlichen Zustände schwer geschädigt; das Un wesen mache sich nicht mehr allein in den Großstädten, sondern auch schon in den Mittelstädten, ja auf dem flachen Lande breit. Drei-, vier-, fünfmal werde derselbe Ausverkauf von Waren ausgeschrieben, und immer wieder fänden Nachschübe statt. Die Mittelstandspartei, die sich in den letzten Wochen be deutend gerührt habe, weise insbesondre auf die Verderb lichkeit der Warenhäuser hin. Die Warenhäuser seien der Krebsschaden unsrer Zeit; gegen sie müßten sich alle Stände ver einigen. Betrete man diese Warenhäuser, so könne man sich eines gewissen Gruselns nicht erwehren. Wenn man diese Hunderte und aber Hunderte von Waren dort aufgestapelt sehe, so erblicke man im Hintergrund das drohende Gespenst des Untergangs des gesamten selbständigen Kleinhandels. Hinter den Tietz und Wertheim ständen großkapitalistische Aktionäre, und nicht mehr nur deutsche, sondern auch schon ausländische. Die großkapitalistische Organisation des Kleinhandels sei der Ruin des Mittelstands. — Wenn die Resolution Gröber den Offizieren und Beamten Grün dung und Leitung von Konsumvereinen verbieten wolle, so könne er (Redner) den Gründen, die gegen diesen Antrag geltend gemacht worden seien, kein Gewicht beilegen. Man dürfe die gewerblichen und die Raiffeisenschen landwirtschaftlichen Genossenschaften nicht mit diesen Beamten- und Offizierkonsumvereinen vergleichen; dort sei die Selbsthilfe zur Erhaltung eines gesunden Mittelstandes mobil gemacht, während die Frage, ob auch den Beamten und Offizieren eine solche Selbsthilfe zu organisieren nötig sei, ver neint werden müsse. Offiziere und Beamte seien auskömmlich be soldet. Beamten- und Offizierswarenhäuser riefen im gewerb lichen Mittelstände eine sehr berechtigte tiefe Mißstimmung hervor. Zu den bayerischen Beamten habe Redner das feste Vertrauen, daß sie nicht beabsichtigten, ein Warenhaus zu gründen, und ebenso vertraue er, daß die bayerische Regierung solchen Plänen eventuell entgegentreten würde. Redner könne nicht begreifen, daß die Beamten und Offiziere das Recht haben sollten, Waren häuser zu gründen. Sie seien da, um zu verwalten und das Vaterland zu schützen, damit das Gewerbsleben im Inland blühe und gedeihe, nicht aber dazu, um es zu stören. Wem es also ums Wohl des Vaterlandes ernst sei, der müsse an der Be seitigung auch dieser Warenhäuser Mitarbeiten. Abgeordneter Peus (Soz.): Er habe vorausgesehen, daß die Erörterung der vorliegenden Anträge zu einer allgemeinen Mittel standsdebatte führen würde und daß die Sozialdemokraten von allen Seiten wieder als diejenigen hingestellt werden würden, die den Mittelstand ruinieren. (Rufe rechts: sehr richtig!) Sehr un richtig! Er stelle bloß Tatsachen fest und befinde sich dabei mit den andern Parteien in Übereinstimmung. — »Glauben Sie (nach rechts), daß die drei Millionen Stiminen, die wir hinter uns haben, etwa Kapitalistenstimmen sind? Den kleinen Gewerbe treibenden und Geschäftsleuten wird es in steigendem Maße un möglich, ihre Selbständigkeit zu erhalten; in steigender Zahl werden sie veranlaßt, sich in eine größere geschäftliche Organisation einzufügen, und vielfach stehen sie sich dabei besser als in ihrer frühern fragwürdig gewordenen Selbständigkeit.« — Gegen seine Ausführungen über die Jnseratenpresse habe man gerade die sozialdemokratische Presse ins Feld geführt, die auch solche markt schreierischen Inserate bringe. Das sei leicht möglich; er habe es auch nicht geleugnet. Wenn man aber über die sozialdemokratische Presse herfalle, so übersehe man, daß z. B. in der »Staatsbürger- Zeitung-, einem Organ der Mittelstandsantisemiten, in einem Inserat »den Lesern der Zeitung und den Parteigenossen«, also der »Pücklergarde«, 5 Prozent Rabatt versprochen werde. In dem Inserat einer Firma heiße es, daß bis zu 25 Prozent unter dem regulären Wert abgegeben werde, in einem andern Inserat sogar 50 Prozent unter dem regulären Wert. Mehr könne man doch nicht verlangen. Also das spezifische Organ des Mittelstands öffne genau demselben Unwesen Tür und Tor, durch das angeblich der Mittelstand ruiniert werde. Das Publikum könne sich gegen diese Attentate nur dadurch mit Erfolg wehren, daß es sich in Konsumvereine zusammenschlösse; dann sei die Reellität garantiert. Der Zentrumsantrag wolle den Beamten und Offi zieren die Gründung von Konsumvereinen verbieten; damit würde schließlich den Veamtenkonsumvercinen überhaupt der Garaus ge macht werden. Der Abgeordnete Herr Nißler habe das auch sofort herausgefunden, und daher trete er so eifrig für diesen Teil des Antrags Gröber ein. Damit dürfte es aber gute Wege haben. Die Beamten hätten doch dasselbe Recht, das Geld, das sie als Gehalt rc. bekommen, zu verwenden, wie es ihnen gutdünke; sie bekämen es doch nicht etwa, um besonders den gewerblichen, den Handwerksmeisterstand zu unterstützen. Glaube man etwa, daß ein Riesenbau wie der von Wertheim zufällig entstanden sei und so leicht wiederabgeschafft werden könne? In München habe man alles getan, um die Firma Tietz zu belästigen; vergeblich. Von Dessau führen tagtäglich zahlreiche Leute nach Berlin, nur um hier in den Warenhäusern ihre Bedürfnisse zu decken. Diese Ent wicklung werde keine Resolution zu hemmen vermögen. Abgeordneter Erzberger iZentr.): Wenn die Staatsanwalt schaften dahin angewiesen würden, daß ein öffentliches Interesse als vorliegend angenommen werden müsse, wenn von einer Handels- oder einer Handwerkskammer eine Klage gegen ein Warenhaus angestrengt würde, so könnte ein großer Fortschritt auf diesem Gebiet gemacht werden. Bis heute blieben viele dieser Anzeigen ohne den erwarteten Erfolg. Auch der Schmiergelder unfug müsse schärfer aufs Korn genommen werden. Es liege darüber schon viel Material vor. Ebenso sei die Hingabe von Geschenken bei Einkäufen keineswegs einwandsfrei; in gewissem Umfang sei die Zugabe von Prämien ja schon jetzt in der Gewerbeordnung verboten. Auch das mietweise Abgeben von Gegenständen durch die Abzahlungsgeschäfte sei gesetzlich ver boten; gleichwohl geschehe es nach wie vor. Auch hier wäre ein ergiebiges Feld zum Einschreiten für den Staatsanwalt. Herr Peus habe heute gemäßigter gesprochen als vor zwei Tagen; es müsse wohl irgend ein mäßigender Geist über ihn gekommen sein. Der von ihm gezogenen Parallele zwischen Selbsthilfe und Selbst- 1440*