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11006 Nichtamtlicher Teil. »V 283, 6. Dezember 1904. erblicken. Vielmehr ist es eine wirklich aufrichtige Freude, die einen überkommt, wenn man ein so geschmackvoll aus gestattetes Buch zur Hand nimmt, wie sie Tiemann hier in einer Reihe von Exemplaren ausgestellt hat. Zu den meisten im Leipziger Insel-Verlag erschienenen Büchern hat der Künstler Buchdecken und Titel ent worfen ; ab und zu nur hat er zwischen den textlichen Inhalt einen Initial, eine Kopfleiste oder ein Schlußstück eingesetzt. Die Mehrzahl der Titel besteht aus rein orna mentalen Umrahmungen; nur Stephan Philipps »Marpcssa« macht davon eine Ausnahme, wo zu der linienschönen, an gotische Formen anklingenden Umrandung ein Mittelbild mit einer graziösen blumenpflückenden Frauengestalt tritt. Obgleich die Wirkung dieser Titel ausschließlich auf dem Schwarz-Weiß-Gegensatz beruht, so weiß Tiemann dennoch durch eine geschickte Verteilung der Massen den Eindruck möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Der zierliche Blattfries mit lichten Ranken auf dunkelm Grunde zu Giovanni Boccaccios »Dekameron« und Achim von Arnims »Jsabella von Ägypten«, mit dem von zierlichen Linien ge bildeten und von kräftigen, tiefen Flächen unterbrochenen Rahmen, sind treffende Beispiele dafür. In dem Verhält nis von Satz und Schmuckstück ist in diesen Büchern eine vortreffliche Einheitlichkeit erzielt. Besonders tritt das in dem zweifellos besten und selbständigsten Werk Tiemanns, in dem »Katalog der Ausstellung für Buchgewerbe und Photographie in St. Lows 1904«, herausgegeben vom Deutschen Buchgewerbeverein, hervor. Sehr reizvoll wirkt hier auch die Zuhilfenahme eines goldigen Braun, das neben dem Schwarz recht koloristisch wirkt. Delitsch beschäftigt sich vornehmlich mit der Durch bildung von Schrift und Satz. Die Proben, die er nach dieser Richtung in Initialen und verschiedenen Satzbildern bietet, sind, wenn auch nicht eigenartig zu nennen, sondern mehr auf traditionelle Formen gegründet, als vor zügliche Leistungen anzusehen. Seine Bestrebungen, gute Vorsatzpapiere zu schaffen, verdienen rückhaltlose An erkennung. Wenn auch seine Handproben von Kleister- papieren noch nicht die Handgeschicklichkeit und die undefinier baren Reize aufweisen, wie sie die meisterhaften Arbeiten der Dänen auf diesem Gebiet besitzen, so ist doch das Ziel, das er sich gesteckt hat, nur zu billigen. Ein guter Ge danke war es von ihm, Vorsatzpapiere aus einfachen Satz typen herzustellen, womit er zeigt, daß sich auch mit den einfachsten Mitteln hübsche Muster erzielen lassen. Andre ansprechende Vorsatzpapiere hat er in lithographischer Ver vielfältigung ausgeführt. Entwürfe für Umschläge, Buch decken, Monogramme und Exlibris, sowie Pflanzenstudien vervollständigen das Bild seines tüchtigen Könnens Er wähnt sei auch, daß Delitsch mehrere geschmackvolle Druck proben in Gemeinschaft mit Carstedt gefertigt hat. Sehr vielseitig sind die Arbeiten Max Seligers, der eine mannigfaltige Reihe von Entwürfen interessanter Buch schmuckstücke und graphischer Blätter ausgestellt hat. Wie er den Charakter des Persönlichen selbst in einem Exlibris zum Ausdruck bringt, davon gibt der Entwurf für sein eignes Buchzeichen und für das seiner Frau einen schönen Beleg. Männliches und weibliches Wesen läßt sich nicht besser veranschaulichen, als es ihm in diesen Blättern gelungen ist. Eine ausgesprochene Sicherheit in der Beherrschung der Form und ein feines, maßvolles Ausgestalten derselben ist seinen Schöpfungen eigen, gleichviel, ob er ein Glas fenster mit bildlichen Darstellungen und ornamentalem Bei werk schmückt, oder ob er ein Diplom ausarbeitet, Geschäfts und Tischkarten, oder einen Titel schmückt. Welchen hohen Standpunkt zeichnerischer Darstellungsweise er einnimmt, das zeigt unter anderm das für Atzung mit der Feder ge zeichnete »Porträt eines Architekten« und die auf Stein ge zeichnete Halbfigur des Kupferdruckers Lindner, von dem eine Anzahl der in der Ausstellung vorhandenen Drucke herrührt. Als Radierer hat sich Seliger hier zum erstenmal betätigt; aber seine Versuche in dieser Technik lassen er kennen, daß es ihm auch hier ernst ist, die Technik ganz be herrschen zu können. Mit vortrefflichen Buchschmuckarbeiten, wie Illustratio nen, Kopf- und Randleisten, Vorsatzpapieren und reichver zierten Bucheinbänden ist auch M. Honegger vertreten. Als starke künstlerische Persönlichkeit und als Eigner eines ganz individuellen Stils erscheint F. W. Kleukens. Er darf als einer der eigenartigsten Vertreter moderner Buchkunst angesehen werden. Bewundernswert ist seine Gabe, mit wenigem viel zu sagen; seine Ursprünglichkeit im Erfinden und Darstellen ist bewundernswert. Daneben ver fügt er über eine große Kraft des Ausdrucks und über ein nie versagendes Farbengefühl. Titel und Prospekte, Ein- ladungs- und Speisekarten, Plakate und Packungen hat er entworfen, die sämtlich von einem originellen Denken und Empfinden zeugen und dabei von einer frappierenden Wirkung des dekorativen Elements sind. Bruno Hsroux ist in seinem technischen Vermögen unübertrefflich. Schwierigkeiten, selbst in der diffizilsten graphischen Technik, der Stichradierung, scheint es für ihn nicht zu geben. Mit gleicher Sicherheit wie Stich und Radierung beherrscht er auch das Herkomer-Verfahren, den Holzschnitt und die Lithographie. Aber es ist nicht die Technik allein, die Hsroux' Arbeiten einen so fessenden Reiz verleiht; vielmehr stempelt der Ausdruck seines schlichten Naturgefühls, sein poetisches Empfinden seine Arbeiten erst zu den künstlerischen Arbeiten, die von den Freunden graphischer Kunst so hochgeschätzt werden. W. Seifert und E. Mohn haben sich beide als Kupferstecher namhaften Ruf erworben, obgleich sie aus schließlich als reproduzierende Künstler tätig find. Von feinfühligem Nachempfinden zeugt unter andern Seiferts schöner Linienstich nach Raphaels »Messe von Bolsena«, der tonvolle Stich nach L. Knaus' »Vor und hinter den Ku lissen«, der »Mignon« - Kopf von P. Kiesling, sowie Mohns Mezzotinto-Stich nach einem Ölgemälde von H. Öhmichen und einigen Radierungen nach Downard und Heilbuth. Als ein feinsinniger Schulderer und ein Poet der Land schaft kennzeichnet sich Horst Schulze in seinen Schöpfungen zu Gerlachs »Jugendbücherei«, in seinen Märchen-Dar stellungen und dem Zyklus »Die vier Jahreszeiten«, der im Verlag von Fischer L Franke erschienen ist. Wie Seifert und Mohn, so ist auch Richard Berthold vorwiegend reproduzierend tätig gewesen und zwar als Holzschneider. Was er jedoch im Faksimile- und Tonschnitt bietet, das steht an erster Stelle. Berthold hat auch einen farbigen Originalholzschnitt ausgestellt — einen Drachen, der beutegierig von einem Abhang in die Weite späht, — an dem ich die Behandlung der Tonplatten höher einschätze als die Darstellung. A. Schelter kommt vorwiegend als Vertreter der litho graphischen Reproduktion in Betracht, denn seine Original lithographien entbehren zu sehr der eignen Empfindung und sind zu wenig interessant behandelt. Als Photochemiker hat G. Aarland einen Selektions filler für Dreifarbendruck ausgestellt, der für die Sensibi- latoren: Methylrot, Orthochrom I, Pinachrom und Kata- chrom abgestimmt ist, während Alfred Genthe sehr in struktive und für den Maler wertvolle Versuche über die Lichtbeständigkeit der Malerfarben bietet, die er mit Pastell-, Casein- und Ölfarben angestellt hat. Bei einer Belichtungs-