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^ 41, 18. Februar 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn.Buchhandel. entbrannte dcr Weltkrieg, dcr de» 27jährigcn Fleischhauer sofort zu den Fahnen rief, und Gcrle übernahm es, das Geschäft auf Kricgsdauer für seinen Nachfolger zu führen. Im November 1818 kehrte Fleischhauer aus dem Felde zurück. Er übernahm nun die Leitung des in voller Blüte stehenden Sortiments, und Geiles Tätigkeit darin hörte auf. 72 Jahre lang, von 1848 bis 1818 haben Vater und Sohn Gerle ihre Kräfte in den Dienst des Sortiments gestellt und mit voller Hingebung ihre Wichten er füllt. Oberstes Gesetz war ihnen und ihrem Vorgänger strenge Rechtlichkeit nach allen Seiten hin und das ernste Streben, nur dem guten Buch zu dienen. Die Einhaltung dieser Richtlinien verbürgt dem alten Haus eine weitere glückliche Zukunft auch unter neuer Führung. Trotz der durch die feindliche Besetzung entstandenen Widrigkeiten und Hemmungen kann der jetzige Inhaber Herr Richard Fleischhauer auf neue Erfolge zurück- blickcn. Insbesondere hat er den bisher wenig gepflegten Musi kalienhandel ausgebaut. Herr Gerle betätigte sich auch als Vertreter allgemeiner Be- rufsinteressen. 12 Jahre lang, von der Vercinsgründung 1907 bis 1819 war er Vorsitzender des »Vereins der Buch-, Papier- und Schreibwarenhändler» von Kaiserslautern. Im »Badisch-Pfälzi schen Buchhändler-Verband» ist er seit 1918 Vorstandsmitglied. Bezüglich dcr Berlagstätigkeit ist zu bemerken, daß die Er zeugnisse hauptsächlich dem Unterricht in verschiedenen Wissens zweigen, der Erziehung, dcr Erdkunde, dcr Pflege des Schul-, Kirchen- und Volksgcsanges dienen. Das größte und verdienst vollste Unternehmen war wohl die Herausgabe dcr Wandkarten von der Pfalz und von Südwcstdeutschland, deren Autor der ver storbene bedeutende Geograph und Kartograph Or. H. Möhl ist. Die Karten verdanken ihre Entstehung der »Begeisterung des Verlegers (Geiles des Alteren) für seine südwestdeutschc Heimat und dessen autoptischcr Kenntnis derselben». Dcr von vr. Möhl geschriebene Prospekt (1876) unterstreicht diese Tatsache: »Immer wieder kam der Verleger auf den Plan zurück, und als endlich 1871 Elsaß-Lothringen wieder errungen war, da half kein Ein wand mehr, eine Wandkarte dcr gesamten südwcstdcutschcn Staa ten sollte erscheinen». Die Herausgabe der Karte war eine kühne Tat. Sie wurde von dcr Kritik glänzend beurteilt, allerdings nicht so abgesetzt, wie es die Herausgeber erwartet hatten. Eine besonders große Verbreitung war und ist heute noch den Kom positionen und Sammlungen des Professors H. Lützel beschie- den, des Zweibrücker Altmeisters dcr Musik, Gründers des Evan gelischen Kirchengesangvercins für di« Pfalz. Dieselben sind in vielen Auflagen in allen Gegenden Deutschlands in Gebrauch. Da Herr Gerle, wie oben erwähnt, keinen Geschäftsnach- folgcr in der Familie hat, beschränkt sich der Verlag in den letz ten Jahren auf die Herstellung notwendig werdender Neuauf lagen und auf die Auslieferung dcr älteren Erscheinungen. Ist der Buchhandel gewinnbringend? Diese Frage wurde in den Januarnummern des »kudlisder -mä Lookssller», des Vercinsblatts dcr englischen Verleger und Sortimenter aufgeworfen und durch Briefe von beiden Seilen beleuchtet. Die Verhältnisse liegen in England ähnlich wie in Deutschland, es wird Klage über die steigenden Unkosten geführt. Die Unkosten liegen zwischen l8 und 24A — bei einem Durch schnittsnachlaß von 331414 — und ein der Mühe und Arbeit ent sprechender Verdienst kann nur durch gesteigerten Umsatz erzielt werden. Verleger und Sortimenter sind aufeinander angewiesen und erster« sollten nicht jeden Auchbuchhändler mit vollem Nach laß beliefern. Denn die vielen Auchbuchhändlcr vertreiben meist nur die gangbaren Bücher, ohne das Risiko für die schweren wissenschaftlichen Bücher zu haben. Damit die Bibliotheken — darunter sind hauptsächlich die vielen Stadt- und Volksbiblio theken zu verstehen — nicht auch noch abwandcrn und den Be darf bei Großfirmcn, die eigene Einbände zu billigerem Preis als dcr Verleger Herstellen und liefern, decken, ist ein gestaffeltes Nachlaßabkommcn zwischen dem Verleger- und Sortimcntcrver- ein einerseits und dem Bibliotheksvercin andererseits getroffen 170 worden; cs werden 8 bis 101° gegeben, was zwar auf beiden Seiten nicht ungeteilte Zustimmung gefunden hat, aber für den Buchhandel immer noch besser ist als der vollständige Ausfall dcr Bibliotheksbelieferung. Die Frage nach dem Gewinn wird durchschnittlich dahin beantwortet, daß der Handel mit neuen Büchern gerade eine Lebensmöglichkeit bietet. Wer aber eine große Familie zu ver sorgen hat, in Bequemlichkeit loben und dabei noch sein Bankguthaben in die Höhe bringen will, soll lieber einen anderen Beruf ergreifen. Ein Provinzsortimentcr äußert sich dahin, daß unter den gegenwärtigen Umständen ein Erfolg nur in größeren Städten oder Universitätsstädten möglich ist, wenn die Buch handlung in guter Geschäftslage sich befindet, über große Schau fenster verfügt und nicht einen in die Höhe geschraubten Miet preis bezahlt. Ebenso sind ein sorgfältig gewähltes Lager und gut ausgebildetc Mitarbeiter erforderlich. Wird dcr Buchhandel wirklich kaufmännisch betrieben, so wird ihm auch Kapital zur Verfügung stehen. Betreffs des Nachlasses haben sich Verleger- und Sortimen ter-Verein zusammcngetan und Richtlinien über den Anteil des verteilenden Gliedes in der Kette festgesetzt, und diese Richt linien müssen allgemein als richtig erkannt werden. Ein höherer Nachlaß würde höhere Bücherpreise zur Folge haben und muß daher auch vom Standpunkt des Sortimenters aus abgelchnt werden. Denn gerade der Wunsch nach billigeren Büchern hat sich in dcrWcihnachtszcit stark bemerkbar gemacht. DasVcrlangen nach billigeren Büchern soll nicht bedeuten, daß die englischen Bücher im Durchschnitt zu teuer sind. Im Gegenteil, ein Grund, weshalb Bücher mehr und mehr zu Geschenken gewählt werden, ist ihre Billigkeit im Verhältnis zu anderen Dingen. Das trifft so wohl ans die schönen Taschenausgaben zu 3 sk. 6 p. zu als auch auf ein Buch für 21 ob., das im Vergleich mit Gold- und Silber- Waren oft einen höheren Wert hat. Die Verwendung von Bü chern zu Geburtstagen, Hochzeitsseicrn usw. könnte noch viel mehr in Aufschwung kommen. Dcr Sortimenter kann viel für das Buch tun, indem er das Publikum darauf hinweist, wie not wendig eine eigene Bücherei für jedermann, auch für den klein sten Haushalt ist, nicht nur als Mittel zur Erholung und Be lehrung, sondern auch als eine Notwendigkeit der Selbstachtung. Um die Lesegewohnheit zu heben, hat das »Hatiouql Look Oouncil» durch gut gearbeitete Listen und aus andere Weise schon manches getan, doch bleibt noch vieles zu tun übrig. Durch Radio, Kino und andere Mittel kann der Absatz von Büchern gehoben werden. Die Werbung fürs Buch des »national Look Louncil» sollte daher von jedem Buchhändler unterstützt werden. Je mehr über Lite ratur gesprochen wird, umso besser wird es um den Absatz des Buches stehen. Auch gute Vorträge fördern den Verkauf. In der Hauszeitschrift eines großen Verlags wurde be merkt, daß wohl die Tage des kleinen Sortimenters gezählt sind. Sein Lager ist nicht umfassend genug, auch hat er nicht die Mit tel, um es entsprechend zu vergrößern. Diese Geschäfte werden auf größere Buchhandlungen oder Warenhäuser übergehen und ein Teil dcr Besitzer wird als Geschäftsführer von Zweigstellen dcr großen Geschäfte Unterkommen. Aus mancherlei Gründen wäre diese Umwandlung nicht wünschenswert. Der Verkauf von Büchern, und damit ist nicht das Angebot von Neuigkeiten, wo mit jeder handeln kann, gemeint, sondern der Handel, dcr Kennt nisse voraussetzt, wird am besten von Buchhändlern geleistet, die eine nur durch lange Erfahrung zu erwerbende Vertrautheit mit der Literatur und mit Einzelfächern besitzen. Dadurch wird auch das richtige Verhältnis zum Kunden gewonnen. Für den Autor ist das Fortbestehen der kleinen Buchhandlungen sehr wichtig. Wie oft haben diese einem Buch zum Erfolg vcrholscn, indem sic sich schon vor Einsetzen der Kritik auf Grund eigenen Urteils durch Empfehlen und Ausstellen dafür bemühten. Das Ausstellcn eines Buches in vielen Schaufenstern muß auch für den Ver fasser angenehm sein. Durch geschickte Schaufcnstcrdckoratiou läßt sich der Absatz heben. Neben dieser Art Buchhandel sind aber heute auch andere Wege des Vertriebs nötig, um die Öffent lichkeit mit Büchern zu versorgen. Selbst Buchklubs, wenn sie